Forscher konnten nun in einer Studie zeigen, wie Krankheitserreger in Zellen eindringen. Ein Ineinandergreifen von Bakterienoberfläche und Wirtsmembran hat zur Folge, dass die Wirtszelle den Erreger umwickelt, bis dieser ins Zellinnere gelangt.
Der Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa wickelt sich in die Membran menschlicher Zellen: Ein Team um Dr. Thorsten Eierhoff und Juniorprofessor Dr. Winfried Römer vom Institut für Biologie II, Mitglieder des Exzellenzclusters BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg, hat untersucht, wie das Bakterium in Wirtszellen gelangt. Dabei identifizierten sie einen neuartigen Mechanismus der Bakterieninvasion: Pseudomonas aeruginosa nutzt Lipide in der Zellmembran, um sich in Wirtszellen einzuschleusen. Das Protein LecA auf der Oberfläche der Bakterien bindet hierzu an Zucker auf besonderen Lipid-Molekülen, so genannte Gb3-Lipide, die in der Außenmembran von Menschenzellen vorkommen. Dockt der Krankheitserreger an eine Zelle, greifen die LecA-Moleküle der Bakterien und die Gb3-Lipide der Wirtsmembran ineinander – wie bei einem Reißverschluss. Die Zellhülle umwickelt auf diese Weise Schritt für Schritt den Erreger und bringt ihn ins Zellinnere. Römer und Eierhoff wiesen den neuen Mechanismus an synthetischen Membranen und in Kulturen menschlicher Lungenzellen nach.
Pseudomonas aeruginosa kann bei Menschen mit geschwächten Abwehrkräften, besonders bei der Erbkrankheit zystische Fibrose, gefährliche Haut- und Lungenentzündungen hervorrufen. Beim Eintritt der Bakterien in Menschenzellen binden Gb3-Lipide an LecA-Proteine und krümmen die Membran. Diese Bindung reicht aus, um das Bakterium einzuwickeln, berechnete Prof. Dr. Christian Fleck der Universität Wageningen/ Niederlande, der an der Studie beteiligt war. Bisher kannten Forscher nur Invasionsmethoden, bei denen Erreger Signale in der Wirtszelle manipulierten. Diese Signale steuern Aktinfäden, die Muskeln der Zelle: Die Fäden krümmen von Innen die Zellhülle und bilden Membranbläschen, in denen die Bakterien aufgenommen werden. Pseudomonas aeruginosa (grün) dringt mithilfe des Lipid-Reißverschlusses in ein synthetisches Vesikel ein (rot). ©Thorsten Eierhoff
Um nachzuweisen, dass der Vorgang ohne Aktin abläuft, ließen die Forscher Pseudomonas-Bakterien auf synthetische Membranbläschen wirken. Die Bläschen enthielten weder Aktin noch sonstige Zellkomponenten – nur das Lipid Gb3. Die In-vitro-Membran stülpte sich ein und umschloss die Bakterien, als diese an der Oberfläche andockten. Der Wickelvorgang trat jedoch nur auf, wenn die Bakterien das Protein LecA produzierten. „Der Versuch zeigt: Pseudomonas gelangt mit diesem Lipid-Reißverschluss in Zellen hinein, ohne Aktin zu manipulieren“, sagt Eierhoff. Auch in menschlichen Lungenzellen wiesen die Forscher nach, dass LecA und Gb3 für die Bakterieninvasion wichtig sind: Fehlte das Molekülpaar, ging die Zahl der Erreger, die in die Zellen eindringen, bis zu 70 Prozent zurück. Diese Ergebnisse ermöglichten es Römers Arbeitsgruppe, einen potenziellen Wirkstoff gegen Pseudomonas aeruginosa zu identifizieren. Originalpublikation: A lipid zipper triggers bacterial invasion T. Eierhoff et al.; PNAS, doi: 10.1073/pnas.1402637111, 2014