Eine gestörte RNA-Bearbeitung in den Betazellen des Pankreas könnte eine Entzündungsreaktion auslösen, die mit Typ-1-Diabetes im Frühstadium vergleichbar ist. Diese neue Sichtweise bietet potenzielle Auswirkungen auf Therapiemöglichkeiten.
Eine aktuelle Studie von Forschern der Hebrew University-Hadassah Medical School, der Bar-Ilan University und der Vanderbilt University hat ein neues Paradigma für frühe Stadien von Typ-1-Diabetes (T1D) entwickelt, das auf eine neue Ätiologie hindeutet, die keine virale Infektion beinhaltet.
T1D ist eine Autoimmunerkrankung, von der weltweit fast 10 Millionen Menschen betroffen sind, bei der das Immunsystem die insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse angreift und zerstört. Ein führendes Modell für die Entstehung von T1D ist, dass die Krankheit durch eine Virusinfektion ausgelöst wird, die bei genetisch anfälligen Personen einen Autoimmunangriff auf die Betazellen verursacht. Dies wird durch umfangreiche Informationen gestützt, z. B. durch die Identifizierung einer antiviralen Reaktion im Frühstadium der Krankheit. Die Implikationen dieser Ansicht sind weitreichend; sie legen zum Beispiel den Einsatz einer antiviralen Therapie zur Prävention von T1D nahe. Trotz jahrzehntelanger Suche konnte jedoch noch kein ursächliches Virus gefunden werden.
Die von Prof. Yuval Dor, Dr. Agnes Klochendler und den Studenten Ehud Knebel und Shani Peleg geleitete und veröffentlichte Forschungsarbeit stellt ein neues Modell für die Entstehung von T1D vor, das die antivirale Reaktion erklärt, ohne dass eine Virusinfektion erforderlich ist.
Das Team untersuchte einen Prozess, der als RNA-Editierung bezeichnet wird und bei dem körpereigene RNA-Moleküle, die sich um sich selbst falten, abgebaut werden, wodurch doppelsträngige RNA entsteht. Da doppelsträngige RNA ein Markenzeichen vieler Viren ist, können solche Moleküle vom Immunsystem oft fälschlicherweise als Anzeichen für ein eindringendes Virus erkannt werden und eine schädliche Immunreaktion auslösen.
Sie fanden heraus, dass bei einem Defekt des RNA-Editierens in den Betazellen der Bauchspeicheldrüse der Körper einen massiven Entzündungsangriff startet, der die Betazellen zerstört und schließlich zu Diabetes führt, mit Merkmalen, die T1D verblüffend ähneln. Außerdem entdeckten sie, dass ein hoher Blutzuckerspiegel den Entzündungsangriff verstärkt, was auf einen Teufelskreis hindeutet, bei dem die Zerstörung der Betazellen zu Diabetes führt, der wiederum die zerstörerische Entzündung antreibt. Bemerkenswerterweise haben unabhängige Arbeiten vor kurzem herausgefunden, dass genetisch vererbte Defekte in der RNA-Bearbeitung Menschen für mehrere autoinflammatorische Erkrankungen prädisponieren, darunter auch T1D, was auf eine Relevanz für die tatsächliche menschliche T1D schließen lässt.
Dor erklärt: „Unsere Forschung liefert überzeugende Beweise dafür, dass eine Störung des RNA-Editierens in den Betazellen eine Entzündungsreaktion auslösen kann, die dem Frühstadium von Typ-1-Diabetes ähnelt. Dies eröffnet eine neue Sichtweise auf die Entstehung von Typ-1-Diabetes und hat Auswirkungen auf Präventions- und Behandlungsstrategien“. Klochendler fügt hinzu: „Die Identifizierung eines Zusammenhangs zwischen natürlicher doppelsträngiger RNA in Betazellen, Entzündungen und Diabetes eröffnet eine neue Perspektive auf T1D: ein Paradigma des ‚inneren Feindes‘, das eine externe Virusinfektion nicht als auslösendes Ereignis für diese Krankheit voraussetzt.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Hebrew University of Jerusalem. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: jose aljovin, Unsplash