Über den Nutzen einer induzierten Hypothermie bei Herzstillstand wird seit Jahren heiß diskutiert. Eine Meta-Analyse befasste sich jetzt mit dem Thema. Lest hier, was dabei herauskam.
Die Rolle des Temperaturmanagements bei der Behandlung von Patienten nach einem Herzstillstand mit einem nicht defibrillierbaren Herzrhythmus wird in der Literatur oft diskutiert. Die beiden oft besprochenen Therapiealternativen sind eine induzierte Hypothermie versus einer gezielten Normothermie mit Fieberprävention bei bewusstlosen Patienten nach stattgehabter Reanimation außerhalb des Krankenhauses zur Behandlung einer in der Regel auftretenden hypoxischen Schädigung des Gehirns.
Die Studie Hospital Cardiac Arrest (TTM 2) konnte zeigen, dass eine Hypothermie von 33 °C nach einem Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses die Sterblichkeit der bewusstlosen Patienten im Vergleich zu einer frühzeitigen Behandlung von Fieber (d. h. Kerntemperatur 37,8 °C oder höher) nicht reduzieren konnte. Auch zeigten sich keine besseren Ergebnisse im funktionellen Outcome der Patienten. Es gibt allerdings kleinere Studien aus dem Jahr 2002, die auf eine Besserung des Outcomes bei einem Temperaturmanagement von 33 °C hinwiesen (hier und hier). Diese hatten jedoch methodische Einschränkungen, einschließlich kleiner Stichprobengrößen und ein unzureichendes Fiebermanagement in den Kontrollgruppen. Die aktuellen Leitlinien empfehlen eine aktive Fieberprävention für mindestens 72 Stunden bei bewusstlosen Patienten, die nach einem Herzstillstand wiederbelebt wurden. In den Leitlinien wird jedoch auch auf die spärliche Datenlage im Hinblick auf eine gezielte Hypothermie hingewiesen.
Das Forscherteam um Fabio Silvio Taccone geht in ihrer aktuellen Meta-Analyse genau dieser Fragestellung nach. Sie möchten klären, ob eine Hypothermie von 33 °C das Überleben von bewusstlosen, wiederbelebten Erwachsenen mit anfänglich nicht defibrillierbarem Rhythmus außerhalb des Krankenhauses erhöht und das Outcome verbessert im Vergleich zu einer kontrollierten Normothermie. Daher führten sie eine individuelle Patientendaten-Metaanalyse der TTM2- und HYPERION-Studien durch. Untersucht werden sollte auch, ob bestimmte Subgruppen von der Hypothermie besonders profitieren oder sogar geschädigt werden könnten.
Die Patienten der TTM2-Studie wurden 6 Monate weiterverfolgt und die Patienten der HYPERION-Studie für 3 Monate nachbeobachtet. Der primäre Endpunkt dieser gepoolten Analyse war die Mortalität zum Zeitpunkt nach 3 Monaten. Der sekundäre Endpunkt war ein ungünstiges Outcome der Patienten. Die Datensätze aus den beiden Studien waren im Original verfügbar und wurden in einer Datenbank zusammengefasst und analysiert. Von November 2017 bis Januar 2020 wurden Patienten in die TTM2-Studie und von Januar 2014 bis Januar 2018 in die HYPERION-Studie eingeschlossen – insgesamt 2.484 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 90 Krankenhäusern. In dieser Analyse wurden 490 Patienten aus der TTM2-Studie (53,7 %) und 422 Patienten aus der HYPERION-Studie (46,3 %) ausgewertet. Davon wurden 442 Patienten dem Hypothermie-Arm und 470 Patienten der Normothermie-Gruppe zugeordnet.
Nach 3 Monaten waren 354 von 442 Patienten in der Hypothermie-Gruppe (80,1 %) und 386 von 470 Patienten in der Normothermie-Gruppe (82,1 %) verstorben (RR mit Hypothermie, 1,04; 95 % KI: 0,89–1,20; P=0,63). Das Outcome-Ergebnis war bei 429 Patienten in der Hypothermie verfügbar (97,0 %) und für 463 Patienten in der Normothermie-Gruppe (98,5 %). Am letzten Tag der Nachbeobachtung zeigten 386 von 429 Patienten in der Hypothermie-Gruppe (90,0 %) und 413 von 463 Patienten in der Normothermie-Gruppe (89,2 %) ein ungünstiges funktionelles Ergebnis (RR mit Hypothermie: 0,99; 95 % KI: 0,87–1,15; P=0,97).
In dieser individuellen Patientendaten-Metaanalyse des TTM2 und der HYPERION-Studien war eine Hypothermie von 33 °C also nicht mit einer verbesserten Überlebenswahrscheinlichkeit oder einem verbesserten Outcome nach 3 bis 6 Monaten bei erwachsenen Patienten mit einer Reanimation außerhalb von einem Krankenhaus mit einem anfänglich nicht defibrillierbarem Herzrhythmus im Vergleich zur gezielten Normothermie assoziiert. Diese Analysen unterlagen jedoch mehrerer Einschränkungen. Erstens waren die Sedierung und mechanische Beatmung nicht standardisiert, sodass auch diese Faktoren Einfluss auf die Mortalität und das Outcome haben könnten. Zweitens wurden in beiden Studien unterschiedliche Protokolle zur Induktion der Hypothermie verwendet, und es fehlte eine Kontrollgruppe ohne Temperaturmanagement.
Trotz dieser Limitationen wird in einem zeitgleich erschienenen Kommentar zu der Studie von Spears und Greer darauf hingewiesen, dass es sich nach ihrem Kenntnisstand um die umfangreichste Analyse zu dem Thema handelt. Auch wenn ihrer Meinung nach in diesem Bereich im Allgemeinen noch viel Bedarf an Forschung besteht, sollte im Hinblick auf die Ergebnisse von Taccone et al. der Schwerpunkt weiterer Studien auf eine Fieberprävention gelegt werden. Die Datenauswertung der aktuellen Studie steht in keinem Wiederspruch zu den Empfehlungen der Leitlinien, eine aktive Fieberprävention für mindestens 72 Stunden bei bewusstlosen Patienten durchzuführen, die nach einem Herzstillstand wiederbelebt wurden.
Quellen:
Dankiewicz et al. TTM2 Trial Investigators. Hypothermia versus normothermia after out-of-hospital cardiac arrest. N Engl J Med, 2021. doi: 10.1056/NEJMoa2100591
The Hypothermia after Cardiac Arrest Study Group. Hypothermia after Cardiac Arrest Study Group. Mild therapeutic hypothermia to improve the neurologic outcome after cardiac arrest. N Engl J Med, 2002. doi: 10.1056/NEJMoa012689
Bernard et al. Treatment of comatose survivors of out-of-hospital cardiac arrest with induced hypothermia. N Engl J Med, 2002. doi: 10.1056/NEJMoa003289
Sandroni et al. ERC-ESICM guidelines on temperature control after cardiac arrest in adults. Intensive Care Med, 2022. doi: 10.1007/s00134-022-06620-5
Taccone t al. Hypothermia vs Normothermia in Patients With Cardiac Arrest and Nonshockable Rhythm: A Meta-Analysis. JAMA Neurol, 2023. doi: 10.1001/jamaneurol.2023.4820.
Lascarrou et al. Targeted temperature management for cardiac arrest with nonshockable rhythm. N Engl J Med, 2019. doi: 10.1056/NEJMoa1906661
Spears & Greers: Hypothermia to 33 °C Following Cardiac Arrest: Time to Close the Freezer Door for Good? JAMA Neurology, 2023. doi: 10.1001/jamaneurol.2023.4831
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