Forscher raten Ärzten, bei Schenkelhalsfrakturen schnell einzugreifen. So steht es auch in den Leitlinien. Zu Verzögerungen kommt es trotzdem oft genug. Daten aus mehreren Kohorten zeigen, dass lange Wartezeiten bis zur OP die Mortalität erhöhen.
Hüftgelenksnahe Femur-Frakturen kennen Ärzte vor allem von älteren, gebrechlichen Patienten. Typische Ursachen sind Ausrutschen, Fallen aus dem Bett beziehungsweise Stürze durch Schwäche oder Schwindel. Experten raten in der Leitlinie, die Diagnostik möglichst innerhalb einer Stunde nach der Aufnahme abzuschließen. Dazu gehören Röntgen, Labor und eine körperliche Untersuchung. „Die Abklärung sollte die operative Behandlung nicht verzögern“, heißt es weiter. „Keine Verzögerung durch die Behandlung pulmonaler und urogenitaler Infektionen!“ Hüftfrakturen zählen nämlich zu den Hochrisikofaktoren für eine Thrombose. Jetzt ging Daniel Pincus vom Department of Surgery, University of Toronto, der Frage nach, welche Folgen zeitliche Verzögerungen haben.
Wie Pincus berichtet, sei es nicht immer möglich, Frakturen sofort zu stabilisieren. Das liegt nicht nur an mangelnden Kapazitäten im OP, sondern auch an zahlreichen Vorerkrankungen. Häufig erleiden alte, multimorbide Patienten entsprechende Knochenbrüche. Seine Kohorte umfasste 42.230 Patienten im Alter von durchschnittlich 80,1 Jahren. Sie wurden zwischen April 2009 und März 2014 in 72 Krankenhäusern aufgrund von Schenkelhalsfrakturen behandelt. Aus elektronischen Patientenakten konnte der Forscher erfassen, welche Zeit von der Ankunft der Notaufnahme bis zur Operation verstrichen war. Gleichzeitig erfasste er klinisch relevante Ereignisse. 28.056 Patienten (66,4 Prozent) mussten länger als 24 Stunden auf ihren Eingriff warten. Sie hatten ein erhöhtes 30-Tage-Sterberisiko im Vergleich zu Patienten, die innerhalb von 24 Stunden operiert wurden (6,5 versus 5,8 Prozent). Das Risiko von Komplikationen wie Herzinfarkt, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie und Lungenentzündung war bei Patienten, die nach einem Tag operiert wurden, ebenfalls höher. „Eine Wartezeit von 24 Stunden kann eine Schwelle darstellen, die ein höheres Risiko definiert“, schreibt Pincus, wie aus folgender Grafik ersichtlich wird:
Seine Arbeit hat mehrere Schwachpunkte. Immerhin handelt es sich um eine Kohortenstudie, die bekanntlich Assoziationen, aber keine Kausalitäten aufzeigt. Hinzu kommt der Altersdurchschnitt seiner Patienten von 80,1 Jahren, was für eine hohe Multimorbidität spricht. Weitere Arbeiten bestätigen Pincus Annahmen jedoch. So fand Kamal Maheshwari von der Cleveland Clinic in Ohio ähnliche Zusammenhänge: Seine Kohorte umfasste 720 Patienten, die zwischen März 2005 und Februar 2015 eine Hüftfraktur-Operation hatten. Die Nachbeobachtungszeit lag jedoch bei zwölf Monaten. Hier gab es eine lineare Beziehung zwischen chirurgischem Timing und der Mortalität. Jede zehnstündige Verzögerung von der Aufnahme bis zur Operation erhöhte die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres zu sterben, um fünf Prozent.