Mithilfe von Künstlicher Intelligenz lassen sich bisher verborgene Zusammenhänge bei der Herzinsuffizienz erkennen. Das soll in Zukunft die Therapie verbessern – etwa mit Robotik-unterstützter Bewegungstherapie.
Herzschwäche ist nicht gleich Herzschwäche: Zahlreiche mögliche Ursachen und Begleiterkrankungen bestimmen den individuellen Verlauf, lassen die Prognose schwer abschätzen und bedingen teils unbefriedigende Therapieoptionen. Juniorprofessorin Sandy Engelhardt, Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg, und Prof. Philipp Wild, Universitätsmedizin Mainz der Johannes-Gutenberg-Universität, möchten mit ihrem interdisziplinären Projektteam die Versorgung und Behandlung für die Patienten mit Herzschwäche verbessern.
Die Wissenschaftler wollen eine Künstliche Intelligenz (KI) mit den umfassenden Gesundheitsdaten von mehreren tausend Patienten mit Herzschwäche trainieren, um bisher verborgene Zusammenhänge zu erkennen und in personalisierte Therapieempfehlungen einfließen zu lassen. Als konkretes Anwendungsbeispiel für eine KI-gestützte Therapieempfehlung soll eine Bewegungstherapie-Studie angeboten werden, bei der die Teilnehmer in ihrem Training von einem individuell angepassten Exoskelett unterstützt werden.
Die Patientengruppe, um die es im Projekt geht, leidet an einer häufigen Form der chronischen Herzschwäche, bei der die linke Herzkammer zunehmend versteift, aber noch ausreichende Mengen Blut ausstoßen kann (erhaltene Ejektionsfraktion). Unbehandelt kann dies langfristig zu Herzversagen führen. Derzeit gibt es keine einheitlichen medikamentösen oder operativen Therapien, die die Veränderungen des Herzmuskels rückgängig machen und die Prognose der Betroffenen verbessern können.
Viele verschiedene Faktoren beeinflussen den Krankheitsverlauf und das Therapieansprechen. Daher soll nun eine multimodale KI in der Fülle der Kombinationsmöglichkeiten nach wiederkehrenden Mustern und möglichen Zusammenhängen suchen, um Untergruppen mit möglichst einheitlichem Krankheitsverlauf zu identifizieren. Multimodal bedeutet, dass Patientendaten aus ganz unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und als Trainingsmaterial für die KI verwendet werden. Dabei handelt es sich einerseits um klassische Patientendaten wie Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen und Blutwerte, aber auch um digitale Daten aus der Bildgebung, Gewebeanalysen und – falls vorhanden – genetische Informationen.
„Die medizintechnischen und bioinformatischen Fortschritte, insbesondere in der maschinellen Erhebung und Analyse genetischer Daten, erlauben es uns, Patientinnen und Patienten auf Mikro- und Makroebene individuell zu charakterisieren“, erläutert Projektsprecherin Engelhardt, Arbeitsgruppenleiterin an den Kliniken für Herzchirurgie sowie für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD).
„In unserem Projekt geht es dabei konkret um die Frage, welche Betroffenen aufgrund welcher Merkmalskombination voraussichtlich von einer Bewegungstherapie profitieren werden. Wir hoffen, dass unser systemmedizinischer Ansatz mit vielen molekularen Daten es uns ermöglichen wird, den Verlauf der Erkrankung und die Mechanismen für den Erfolg einer Therapie besser zu verstehen“, ergänzt Prof. Philipp Wild, Leiter der Präventiven Kardiologie und Präventiven Medizin im Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz.
Wer an Herzschwäche leidet, kommt schnell in Atemnot und ist weniger leistungsfähig. Viele Betroffene vermeiden daher Anstrengungen und sind auch sportlich nicht aktiv, was wiederum ihre Herzgesundheit weiter verschlechtert. Die in der Studie angebotene Bewegungstherapie begegnet diesem Problem, indem die Teilnehmer in ihrer körperlichen Aktivität von einem sogenannten Exosuit unterstützt werden, der von einem Team um Prof. Lorenzo Masia, Leiter der Abteilung Biorobotik und Medizintechnik am Institut für Technische Informatik der Universität Heidelberg, konzipiert wurde. Ähnlich einem Außenskelett werden die Roboterelemente während des Trainings beispielsweise an Armen, Beinen und Rumpf angelegt, übernehmen einen – flexibel einstellbaren – Teil des nötigen Kraftaufwands und steigern so die Mobilität. Das Bewegungsprogramm wird von Teams der sportmedizinischen Abteilungen der beiden Universitätskliniken entwickelt und betreut.
Während und nach Abschluss des Trainingsprogramms bewerten die Wissenschaftler wiederholt Verbesserungen der Lebensqualität ebenso wie Effekte auf molekularer bis zur makroskopischen Ebene, was wiederum in das KI-System einfließt. „Wir erhoffen uns durch die KI-Unterstützung, zukünftig Therapien sehr viel gezielter als bisher auswählen und auf ihren Nutzen hin bewerten zu können“, so Prof. Engelhardt.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg.
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