Laut eines Berichts der WHO aus dem Jahr 2008 werden jedes Jahr weltweit 40.000 Menschen mit β-Thalassämie geboren.1 Das Krankheitsbild dieser autosomal-rezessiv vererbbaren Erkrankung kann auf eine Mutation des HBB-Gens zurückgeführt werden, welches für das Protein β-Globulin kodiert.2,3 Zwei β-Globuline, zwei α-Globuline und eine Häm-Gruppe bilden das adulte Hämoglobin HbA0, welches überwiegend für den Sauerstofftransport (und CO2-Abtransport) in den Erythrozyten zuständig ist. Die Mutation stört die räumliche Anordnung dieses tetrameren Proteins und somit die Funktion von HbA0, was auch zu der krankheitstypischen Anämie führt.4 Bei der β-Thalassämie werden drei Subtypen voneinander unterschieden: minor, intermedia und major. Letztere sind klinisch relevant, die β-Thalassämie minor bedarf nur selten einer medizinischen Betreuung.2
Wann die Symptome der β-Thalassämie eintreten, ist abhängig vom Subtyp der Krankheit. Bei der β-Thalassämie major treten diese bereits 6 – 24 Monate nach der Geburt auf. Bei der β-Thalassämie intermedia hingegen variiert das Alter stärker. Bei Säuglingen und Kleinkindern mit β-Thalassämie major können typischerweise folgende Symptome beobachtet werden:
Bei der β-Thalassämie intermedia können ebenfalls Symptome wie Blässe, Gelbsucht und Hepatosplenomegalie auftreten. Zudem sind häufig Erkrankungen des Herzens, Lungenhochdruck, thrombotische Komplikationen, Gallensteine, Beingeschwüre, Abweichungen des Skeletts und Anzeichen für extramedulläre Hämatopoese wahrnehmbar.2
Bei der Diagnose der β-Thalassämie wird stets auch das Alter berücksichtigt. Bei Patient*innen, die älter als 12 Monate sind, sollte die Diagnose bei folgenden Laborergebnissen in Betracht gezogen werden:
Bei Patient*innen, die jünger als 12 Monate sind, muss eines der folgenden Kriterien erfüllt sein:
Auch die Therapie der verschiedenen Subtypen erfordert individuellen Handlungsbedarf. Die wichtigste symptomatische Therapie bei der β-Thalassämie major ist die regelmäßige Verabreichung von Bluttransfusionen, um die Anämie und damit einhergehende Begleiterscheinungen abzuschwächen. Bei der β-Thalassämie intermedia darf der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Transfusionen häufig größer sein. Der Bedarf an Transfusionen kann unter Umständen auch durch die Behandlung mit Erythrozyten-Reife-Aktivatoren reduziert werden.2
In Folge der erhöhten Eisenaufnahme durch die Transfusionen ist zudem die Einnahme von Eisenchelatoren notwendig. Weitere Interventionen wie Antikoagulation, Cholezystektomie, Splenektomie, Induktion von HbF durch Hydroxycarbamid und Supplementierung mit Folsäure können von Vorteil sein. Zudem kann es bei Osteoporose notwendig sein, eine Hormonersatztherapie zu starten und die Einnahme von Vitamin D sowie Bisphosphonate anzuordnen. Zu einer Heilung kann bei β-Thalassämie major jedoch lediglich die Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen, Nabelschnurblut eines nahen Verwandten oder die Transplantation autologer Stammzellen nach Gentherapie führen.2
Die Prognose hat sich für die Betroffenen in den letzten Jahrzehnten drastisch verbessert. Das liegt vor allem am verbesserten Zugang zu regelmäßigen Bluttransfusionen, wirksamen Eisenchelatoren und nicht-invasiven Methoden um Eisenakkumulationen in Leber und Herz nachzuweisen.2,5-7 Jedoch gibt es noch eine große Diskrepanz zwischen den einzelnen Ländern, die auf den Zugang zu medizinischer Versorgung im Allgemeinen zurückzuführen ist: Während mehr als die Hälfte der Betroffenen bei guter medizinischer Versorgung 60 Jahre alt wird, erreichen in entwicklungsschwachen Ländern weniger als 50 % der Menschen das 30. Lebensjahr.1,2,8
Häufig ist es schwierig, Patient*innen genug, aber nicht zu viele Informationen über ihre Erkrankungen mit auf den Weg zu geben. In unserem Co-Creation Prozess erstellen wir Broschüren für Patient*innen in Zusammenarbeit mit den Betroffenen. Mehr zu β-Thalassämie und anderen Erkrankungen finden Sie in unserer Patientenbroschüre. Hier haben wir in Zusammenarbeit mit Betroffenen wichtige Grundlagen zur seltenen Erkrankung 𝛃-Thalassämie anschaulich und leicht verständlich zusammengefasst. Betroffene und Angehörige erfahren hier u. a. was die Erkrankung ist, wie sie verläuft und welche Anlaufstellen Unterstützung bieten können.
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