Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung haben oft Schwierigkeiten, sich in ihrer Umgebung zu orientieren. Der Einsatz von Virtual-Reality-Brillen könnte Betroffenen Raum zum Üben geben und ihr Selbstvertrauen stärken.
Viele Menschen assoziieren Virtual-Reality-Headsets mit interaktiven Videospielen, aber ein Forscher der University of Missouri (MU) setzt sie anders ein: Er hilft Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung, sich in öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem College-Campus zurechtzufinden. Der MU-Forscher Noah Glaser hat in Zusammenarbeit mit Matthew Schmidt, einem außerordentlichen Professor an der University of Georgia, ein Programm entwickelt, das Autisten virtuelle Trainingsmöglichkeiten bietet, um die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu üben.
Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) fand das Forschungsteam heraus, dass Autisten ihre Umwelt oft anders wahrnehmen als ihre neurotypischen Altersgenossen und dass ihre Aufmerksamkeit und ihre Blickmuster aufgrund von sensorischen Verarbeitungsproblemen in überstimulierenden Umgebungen oft abgelenkt sind. Diese Ergebnisse ebnen den Weg für künftige Forschungen, die untersuchen, wie Virtual-Reality-Simulationen Autisten helfen können, ihr Selbstvertrauen und ihr Engagement in der Gemeinschaft zu stärken, indem sie einen sicheren Raum zum Üben verschiedener Aufgaben bieten.
„Es gibt eine Fülle von autismusbezogener Forschung in der Medizin, aber wir wollen zeigen, wie Interventionen jenseits der Medizin autistischen Menschen helfen können, sich in der Gesellschaft wohler zu fühlen“, sagt Glaser, Assistenzprofessor am MU College of Education and Human Development. In einer Studie wurde untersucht, wie sich eine Gruppe junger autistischer Erwachsener in einem Bussystem auf dem Campus zurechtfindet.
Um Daten zu sammeln, erstellten Glaser und sein Team eine Virtual-Reality-Simulation, die eine exakte Nachbildung des Campus und des Shuttle-Systems einer Universität ist. Sie verwendeten eine KI-Technik, die als „Computer Vision“ bekannt ist – die Fähigkeit von Computern, Objekte zu erkennen und fundierte Entscheidungen zu treffen –, um zu analysieren, wie Teilnehmer, die das Virtual-Reality-Headset trugen, auf ihrer virtuellen Reise über den Campus zur Bushaltestelle auf physische Objekte achteten. Anschließend verglichen sie diese Daten mit denen neurotypischer Nutzer, um festzustellen, welche Unterschiede bestehen könnten.
„Wir wissen, dass neurodiverse Personen oft Probleme mit der sensorischen Verarbeitung haben und dass bestimmte Umgebungen – wie der Weg zu einer Bushaltestelle auf einem belebten College-Campus – überstimulierend und angstauslösend sein können“, so Glaser. „Wenn wir herausfinden können, welche Objekte die neurodiversen Lernenden auf ihrem Weg am meisten ablenken und welche Objekte am meisten beachtet werden, können wir diese zusätzlichen Reize in einer sicheren, kontrollierten Umgebung manipulieren oder reduzieren, bevor die Teilnehmer diese Aktivität in der realen Welt versuchen.“
Ein Teil der virtuellen Simulation bestand darin, dass ein Ausbilder die Fähigkeiten nachahmte, die die Teilnehmer schließlich im wirklichen Leben auf einer geführten Tour zur virtuellen Bushaltestelle ausführen würden. „Dieses Projekt hilft uns, das Wesen der Mensch-Computer-Interaktion aus der Sicht einer Gruppe von Nutzern besser zu verstehen, die normalerweise von diesen Gesprächen ausgeschlossen sind“, so Glaser. „Wir brauchen mehr Forschung mit neurodiversen Personen, um besser zu verstehen, wie sie mit Lernumgebungen der virtuellen Realität interagieren, damit wir die Interventionen anpassen können, um sie zugänglicher zu machen.“
Laut Glaser ist diese Forschung nur die Spitze des Eisbergs bei der Untersuchung der Frage, wie KI und Virtual-Reality-Simulatoren Fachleuten aus der Sonderpädagogik, Interventionsspezialisten und Lehrplanentwicklern helfen können, neurodiverse Menschen zu unterstützen. „In Zukunft können wir diese Werkzeuge nutzen, um Ausbildungsmöglichkeiten für neurodiverse Lernende zu schaffen, die sich für Cybersicherheit und naturwissenschaftliche, technische, ingenieurwissenschaftliche und mathematische (MINT) Bereiche interessieren“, so Glaser. „Dies sind Branchen, in denen Menschen mit Behinderungen und neurodiverse Menschen bisher stark unterrepräsentiert waren.“
Glaser hofft, dass seine Bemühungen dazu beitragen können, die Fähigkeiten, die neurodiverse Lernende virtuell erwerben, in die reale Welt zu übertragen, was sowohl ihr eigenes Selbstvertrauen als auch ihren Beitrag zur Gesellschaft im Allgemeinen verbessern wird. „Diese Arbeit kann mehr Möglichkeiten für die Förderung integrativer Lernumgebungen und ein besseres Verständnis dafür schaffen, wie neurodiverse Menschen Technologie nutzen und mit ihr interagieren“, so Glaser. „Bei der Entwicklung von Lernmaßnahmen ist es wichtig, dass wir neurodiverse Menschen in den Designprozess einbeziehen.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der University of Missouri-Columbia. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Barbara Zandoval, Unsplash