Kaum ein medizinischer Eingriff ist so situativ wie die Adenotonsillektomie. Müssen schnarchenden Kindern die Tonsillen entfernt werden? Eine aktuelle Studie kommt nun zu dem Ergebnis: Jein.
Ausreichender und erholsamer Schlaf ist für kognitive Prozesse ein essenzieller Faktor. Besonders gilt dies für Kinder und Jugendliche, bei denen sich ebenjene Hirnfunktionen und Verarbeitungsprozesse im Aufbau befinden. Wenig verwunderlich, dass Eltern akribisch bei der Ursachensuche und -bekämpfung sind, wenn sie diesen durch Schnarcher gefährdet sehen. Schnell ist man dann bei der Adenotonsillektomie – denn das war ja schon immer so.
Und immerhin: An Symptomen fehlt es auch nicht, die eine Operation sinnvoll erscheinen lassen – unter anderem die obstruktive Schlafapnoe, folgende Verhaltens-, konstante Aufmerksamkeits- und Schlafprobleme oder häufige Entzündungen. Insbesondere mit Blick auf die Auswirkung von Schlafapnoe erklärt sich die elterliche Fürsorge. So kann der mangelhafte Schlaf mitunter eine verzögerte Sprachentwicklung, Mundatmung, Untergewicht und Minderwuchs, Nachtschweiß oder motorische Hyperaktivität auslösen. Von den 7 % der Kinder in Deutschland mit Schlafproblemen leiden jedoch nur 0,7 bis 2 % an starker obstruktiver Schlafapnoe. Für diese Fälle ist eine entsprechende Indikationsformulierung durch die S1-Leitlinie „Obstruktive Schlafapnoe im Rahmen von Tonsillenchirurgie mit oder ohne Adenotomie bei Kindern – perioperatives Management“ geregelt.
Der weit größere Teil sind jedoch leichtere Fälle. Ob diese Schnarcher behandlungsbedürftig sind, wollte nun eine Forschergruppe herausfinden – mit dem klaren Ergebnis: Jein.
In einer multizentrischen, einfach verblindeten, randomisierten Studie mit 459 Kindern kamen die Forscher zu dem Schluss: Pustekuchen – für Kinder mit habituellem Schnarchen oder leichter obstruktiver schlafbezogener Atemstörung (SDB) gibt es weiterhin keine klaren Empfehlungen. Bereits als Folgestudie angelegt, konzentrierte sich die aktuelle Pediatric Adenotonsillectomy Trial for Snoring (PATS)-Studie nun auf ein größeres Altersspektrum sowie die Messung auf objektive wie subjektive Effekte der entsprechenden Therapie. So waren die im Zufallsprinzip ausgewählten Kinder zwischen 3 und 13 Jahren alt und erhielten entweder eine frühzeitige Adenotonsillektomie (AT) oder wurden durch ein abwartendes Verhalten mit unterstützender Behandlung begleitet. Im Gegensatz zu vorigen Arbeiten bemühten die Forscher bei allen Kindern zudem ein Polysomnogramm (PSG), um die Stärke der SDB im Rahmen des Apnoe-Hypopnoe-Index [AHI] ≥2 (Ergebnis: AHI <3) zu bestimmen.
Zentrale Erkenntnis der Arbeit: Objektiv gesehen deuten die klinischen Ergebnisse nach der Operation nicht auf Besserung bei den exekutiven Funktionen oder der Aufmerksamkeit hin. Allerdings wurden laut Paper die sekundären Ergebnisse in Bezug auf Lebensqualität, Symptome, Verhalten und Blutdruck jedoch in der AT-Gruppe verbessert. Conclusio: Eine PSG ist im Zweifelsfall kein Instrument zur Bestätigung der AT, wenn Kinder nur an leichten Symptomen leiden. „In den letzten 7 Jahren habe ich auf die Ergebnisse dieser Studie gewartet, um die Behandlung von Kindern mit leichter SDB weiter zu klären. Leider ist die Behandlung immer noch sehr nuanciert, was für einige Familien, die sich eine klare Anleitung wünschen, frustrierend sein kann“, erklärt Studienautorin Dr. Susan Redline.
Dass es folglich weiterhin Ermessenssache je nach Stärke der Beschwerden ist, konstatieren die Forscher ebenso wie bestehende Risiken einer Operation. So kam es auch im Rahmen der Studie zu Komplikationen. Bei insgesamt 6 Teilnehmern (2,6 %) kam es zu einer schweren Tonsillarblutung, bei 8 weiteren zu einer leichten Blutung. Ein Kind hatte eine Aspirationspneumonie –und das letztlich bei einem Eingriff, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht hätte sein müssen. Ohnehin stehen Eltern und Ärzte vor der schwierigen und individuellen Situation und immer mit dem Damokles-Schwert über dem Kopf, dass auch eine leichte SDB sich zu einer starken obstruktiven Schlafapnoe ausweiten kann und entsprechende Komplikationen sich parallel dazu verschlimmern könnten. Doch auch die Hoffnung darauf ist groß – und berechtigt – dass die Symptome sich auswachsen und von allein verschwinden.
Obgleich die CHAT-Studie in der Alters-Spannweite limitiert war und die Ergebnisse in Teilen wenig Aussagekraft haben, halten die Forscher einen moderaten Effekt der AT auf die Lebensqualität und Symptome der teilnehmenden gesunden Kinder fest. „Meine Botschaft aus PATS ist, dass Kinder mit gewohnheitsmäßigem Schnarchen/schwacher SDB, aber einem niedrigen AHI Kandidaten für eine AT sein können, wenn tagsüber Symptome vorhanden sind und die Betreuer der Meinung sind, dass die Risiken einer Operation durch die Krankheitslast aufgewogen werden“, so Redline.
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