Parkinson macht sich durch Symptome bemerkbar – sicher diagnostiziert werden kann die Erkrankung allerdings erst nach dem Tod des Patienten. MEDICA.de sprach mit Dr. Kathrin Doppler über eine Methode, mit der Parkinson in Zukunft frühzeitig diagnostiziert werden könnte.
Parkinson ist eine Krankheit, in deren Verlauf bestimmte Nervenzellen im Gehirn absterben, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Das macht sich nach einigen Jahren durch bestimmte körperliche Symptome bemerkbar. Trotzdem kann die Krankheit erst nach dem Tod des Patienten durch eine Untersuchung des Gehirns sicher diagnostiziert werden. Eine zuverlässige Diagnosemöglichkeit zu Lebzeiten fehlt. MEDICA.de sprach mit Dr. Kathrin Doppler von der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg über eine Methode, mit der Parkinson in Zukunft möglicherweise früher diagnostiziert werden könnte. Diese Untersuchung geht buchstäblich unter die Haut: Dort sucht sie nach bestimmten Proteinen, die auf die neurodegenerative Erkrankung hindeuten. Dr. Kathrin Doppler MEDICA.de: Frau Dr. Doppler, warum ist beim derzeitigen Stand der Medizin die Diagnose der Parkinson-Erkrankung so schwierig? Kathrin Doppler: Im Anfangsstadium sind die Symptome oftmals nicht eindeutig. Die Diagnosestellung basiert aber in erster Linie auf den typischen klinischen Symptomen, wie Zittern, Muskelsteifheit oder Gangstörungen. Bildgebung und nuklearmedizinische Untersuchungen liefern lediglich Hinweise zur Diagnose. Eine sichere Diagnose ist nur durch den Nachweis der sogenannten Lewy-Körperchen im Gehirn möglich, das sind Ablagerungen des Proteins Alpha-Synuclein in Nervenzellen und Nervenfasern. Und das Gehirn ist zu Lebzeiten natürlich nicht zugänglich. MEDICA.de: Das Protein lagert sich nicht nur im Gehirn ab, sondern auch in anderen Körperregionen. Sie haben in Ihrer Studie das Vorkommen in der Haut untersucht. Welche Rolle spielt Alpha-Synuclein bei Parkinson? Doppler: Die Ablagerung von phosphoryliertem Alpha-Synuclein ist das neuropathologische Kennzeichen der Parkinson-Erkrankung. Bisherige Studien haben es an Nerven im Magen-Darm-Trakt, in Speicheldrüsen und in geringer Menge auch in der Haut nachweisen können. Ob und wie die Ablagerungen zum Untergang oder zur Fehlfunktion der Nervenzellen führen, ist bis jetzt völlig unklar. In der Studie haben wir Ablagerungen des Proteins in der Haut bei allen Krankheitsstadien feststellen können. In Zukunft wäre es deshalb sehr wichtig, eine größere Anzahl von Patienten auch in frühen Stadien untersuchen zu können, denn gerade hier ist das Protein von diagnostischem Interesse.
MEDICA.de: Welche Gemeinsamkeiten haben die betroffenen Nervenzellen von Gehirn und Haut? Doppler: Man muss zwischen Nervenzellen, also den Zellkörpern, und ihren Fortsätzen, den Nervenfasern, unterscheiden. In der Haut liegen nur Nervenfasern. Die Zellkörper liegen in den Spinalganglien, direkt neben dem Rückenmark, und senden ihre Fortsätze in die Haut. Das Protein haben wir überwiegend in den Nervenfasern der autonomen Nervenzellen gefunden. Das ist jener Teil des Nervensystems, der nicht bewusst steuerbar ist. Er kontrolliert zum Beispiel Schweißdrüsen. Vom Gehirn her weiß man, dass bei der Parkinson-Erkrankung Areale des autonomen Nervensystems recht früh betroffen sind. Als weitere Parallele sind in Gehirn und in der Haut dünne, unbemarkte Nervenfasern betroffen, also solche, die keine Myelinschicht haben. MEDICA.de: Wie sah das Design Ihrer Studie aus? Doppler: Die Studie schloss 31 Patienten mit Parkinson und 35 gesunde Probanden ein. Wir haben bei allen Teilnehmern Hautbiopsien am Unterschenkel, Oberschenkel, Rücken und Finger entnommen und immunohistochemisch auf das Vorliegen von phosphorylisiertem Alpha-Synuclein in den Nervenfasern untersucht. Außerdem haben wir die Anzahl der verschiedenen Nervenfasertypen erfasst. Die Studienteilnehmer haben daneben Tests durchlaufen, um anderweitige Schädigungen der Nervenfasern auszuschließen. MEDICA.de: Und wie wollen Sie diese Arbeit fortsetzen? Doppler: In einer Folgestudie könnten wir untersuchen, inwieweit Hautbiopsien tatsächlich als diagnostisches Mittel bei Parkinson geeignet sind. Um eine Aussage über den diagnostischen Wert zu treffen, muss die Spezifität und die Sensitivität der Untersuchung an einer großen Patientenzahl untersucht werden. Diese Gruppe sollte gleichmäßig alle Krankheitsstadien umfassen. Einen großen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Diagnose hat auch die Biopsiestelle, die Größe und Tiefe der Biopsie sowie ihre optimale histologische Aufarbeitung. Zukünftige Studien müssen das bestmögliche Protokoll entwickeln. Außerdem wäre interessant, ob Alpha-Synuclein die Nervenfasern der Haut in ihrer Funktion beeinträchtigt oder zu ihrem Untergang führt. Das könnte man an der Haut untersuchen, da sie im Gegensatz zum Gehirn sehr gut zugänglich ist.
MEDICA.de: Sie haben das Protein vor allem am Rücken der Patienten nachweisen können. Hängt das mit den Nervenfasern zusammen, die vom Rückenmark ausgehen? Doppler: Möglicherweise ja. Es ist auffällig, dass die Menge der Nervenfasern mit Ablagerungen von phosphorylisiertem Alpha-Synuclein von der Körperperipherie hin zum Körperstamm zugenommen hat. Vom Gehirn her ist bekannt, dass sich Alpha-Synuclein stadienabhängig in verschiedenen Arealen ausbreitet. Möglicherweise ist es bei der Körperperipherie ähnlich. Es könnte aber auch damit zusammenhängen, dass die Nervenfasern im Rücken kürzer sind als die, die bis in den Unterschenkel reichen, oder dass es im Rücken eine höhere Dichte von Nervenfasern gibt. MEDICA: Wie könnte ein zukünftiges Diagnoseverfahren aussehen? Doppler: Ob die Methode diagnostisch geeignet ist, muss in weiteren Studien festgestellt werden. Nach unserem momentanen Kenntnisstand ist es durchaus denkbar, bei Verdacht auf eine Parkinson-Erkrankung Hautbiopsien auf das Vorliegen von phosphorylisiertem Alpha-Synuclein zu untersuchen. Damit könnte man gerade im Frühstadium einer Diagnose näherkommen, wenn die Diagnose über klinische Symptome noch unsicher ist. Das Interview führte Timo Roth. MEDICA.de