Seit über 40 Jahren scheint die Diskussion zum Ultraschall in der Schwangerschaft kein Ende zu nehmen. Zum einen fordern Schwangere immer exaktere Diagnosen, zum anderen warnen Skeptiker vor möglichen Gefahren. Aber was meinen Experten dazu?
Eine adäquate Schwangerenvorsorge ohne Ultraschall ist kaum mehr vorstellbar. In den Mutterschaftsrichtlinien sind drei Untersuchungen vorgeschrieben, in Risikokonstellationen entsprechend mehr. In der Frühschwangerschaft kann die rechtzeitige sonografische Diagnostik einer Eileiterschwangerschaft für die Mutter lebensrettend sein. Fehlbildungen früh zu erkennen, Wachstumsrestriktionen auszuschließen und gefährliche Plazentalokalisationen zu diagnostizieren, sind nur einige von vielen Gründen, die Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft rechtfertigen.
In den sozialen Medien werden allerdings immer wieder Stimmen laut, die Schwangere verunsichern, was die Unbedenklichkeit des Ultraschalls für ihr ungeborenes Kind anbelangt. Dazu beigetragen hat sicher auch ein zurückliegender Gesetzesentwurf.
Auf der Grundlage der neuen Strahlenschutzverordnung vom 1. Januar 2019 hat der Gesetzgeber das reine „Babyfernsehen“ mit folgender Begründung untersagt: „Die für die Bildgebung notwendigen hohen Ultraschallintensitäten sind mit einem potenziellen Risiko für das Ungeborene verbunden. […] Darüber hinaus fehlen verlässliche Untersuchungen über die Folgen dieser Anwendung. [...] Daher werden Ultraschallanwendungen zu einem nichtmedizinischen Zweck, wie z. B. zur reinen Bildgebung am Fötus ‚Babykino‘, ohne dass eine ärztliche Indikation gestellt wurde, untersagt.“
Der Berufsverband der Frauenärzte hat darauf in einem Newsletter, veröffentlicht in der Fachzeitung Frauenarzt, prompt reagiert. Dass die Risiken des Ultraschalls seit vielen Jahren kontrovers diskutiert werden, sei bekannt. Gegner kritisieren insgesamt einen überzogenen Technikeinsatz in der Schwangerenbetreuung, Fachkreise betonen dagegen die Vorteile der Früherkennung von sich anbahnenden Krankheitszeichen in der Schwangerschaft. Ein sogenanntes Babyfernsehen werde auch in medizinischen Fachkreisen abgelehnt. Nach herrschender wissenschaftlicher Meinung, so der gynäkologische Berufsverband, sind medizinisch korrekt indizierte und durchgeführte transkutane und transkavitäre Ultraschalluntersuchungen für den Feten ungefährlich.
Ähnlich äußerte sich auch die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) in einer Pressemitteilung: Die Fachgesellschaft betont, dass die Sonografie zu diagnostischen Zwecken hierzulande nur von Ärzten durchgeführt wird. Das sei deutlich vom sogenannten „Baby-Watching“ abzugrenzen, das sich auf dem freien Gesundheitsmarkt verbreitet hat. „Trotz jahrzehntelanger intensivster Forschungsarbeit gibt es nach wie vor keine Studienergebnisse, die darauf hindeuten, dass Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft irgendeine Gesundheitsbelastung für das ungeborene Kind darstellen“, äußerte sich Dr. Kai-Sven Heling, Pränataldiagnostiker der DEGUM, in der Pressemitteilung.
Wenn der sogenannte PW-Dopplerultraschall eingesetzt wird, könnte es bei einer langandauernden Anwendung zu einem Temperaturanstieg im mütterlichen Körper kommen. Gesundheitsschädigend für das Kind wäre es aber nur dann, wenn der Doppler kontinuierlich für mehrere Minuten eingesetzt würde. Da dieser üblicherweise nur für ein paar Sekunden angewendet wird, sei auch dieses potenzielle Risiko von der Hand zu weisen.
Die aktuelle Studienlage gibt zudem keine Hinweise darauf, dass Ultraschallanwendungen in der Schwangerschaft zu fetalen Zellveränderungen oder Zellschädigungen führen. Daher lautete die abschließende Einschätzung der neuen Strahlenschutzverordnung von Seiten der DEGUM: „Man kann zwar dem sogenannten ,Babyfernsehen‘ zu kommerziellen Zwecken kritisch gegenüberstehen, da – unter anderem aufgrund von oft wenig qualifizierten Anwendern – sehr wohl die reale Gefahr besteht, tatsächliche Probleme des Feten nicht zu erkennen“, so Heling. „Doch die Anwendung des Ultraschalls zu diagnostischen Zwecken befürworten wir uneingeschränkt.“
Das Misstrauen dem Ultraschall gegenüber stammt aus den Erkenntnissen über die ursprünglich unterschätzten Wirkungen von Röntgenstrahlen. Aus dieser Besorgnis heraus trat bereits in den 1970er Jahren die Frage auf, inwieweit hochfrequente Ultraschallschwingungen wirklich frei von Nebenwirkungen sind. Daraufhin hat die European Committee for Medical Ultrasound Safety (ECMUS) bereits vor vielen Jahren eine ständige Kommission zur Prüfung von entsprechenden Studien eingesetzt. Ähnliche Bewertungen und Statements wurden auch vom American Institute for Ultrasound in Medicine und der British Medical Ultrasound Society veröffentlicht.
„Auf Basis des gegenwärtig geltenden ECMUS-Statements und nach nunmehr über 40-jähriger Suche nach ultraschallinduzierten Bioeffekten darf festgestellt werden, dass die heutigen Ultraschallverfahren unter sachgerechter Anwendung keine Nebenwirkungen beim Embryo und Fötus haben. Lediglich bei unsachgemäßem Gebrauch, d. h. bei zu langem Einsatz von hohen Intensitäten und/oder hohem Schalldruck, bei übermäßig langem Einsatz der gepulsten Dopplersonografie, beim Einsatz von Kontrastmitteln oder bei hohem Fieber der Schwangeren, besteht theoretisch die Möglichkeit unerwünschter Effekte wie Kavitation oder Wärmeentwicklung“, beurteilen Prof. Eberhard Merz, Leiter des Zentrums für Ultraschall und Pränatalmedizin in Frankfurt und Heiko Dudwiesus, Kommissionsbeauftragter der DEGUM, die Sachlage.
Zusammenfassend stufen sie Untersuchungen in der Schwangerschaft mit den heutigen Ultraschallgeräten und bei sachgemäßer Handhabung aus wissenschaftlicher und klinischer Sicht als unbedenkliche Methode ein. Weder Laborversuche an isolierten menschlichen Zellen noch eine Vielzahl an epidemiologischen Studien oder die Langzeitbeobachtungen von pränatal geschallten Kindern haben irgendwelche eindeutigen pathologischen Auffälligkeiten gezeigt.
Die Schwangerschaft zählt zu Recht zu den sensibelsten Bereichen in der Medizin. Mutter und Kind optimal zu schützen steht außer Frage. Genau das wird mit einer gewissenhaften Schwangerschaftsvorsorge beabsichtigt. Die Mutterschaftsrichtlinien fordern nicht umsonst eine mindestens dreimalige Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft. Andererseits müssen medizinische Methoden immer dem neusten wissenschaftlichen Kenntnisstand angepasst werden. Nach über 40-jähriger Forschung und Diskussion spricht nichts gegen den ärztlich indizierten und von sachkundigen Kollegen durchgeführten Ultraschall in der Schwangerschaft. Wie bei allen medizinischen Interventionen zählt aber auch hier der Leitsatz: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Würde man einer Schwangeren diese Diagnostik vorenthalten und dabei eine mögliche Gefahr für sie oder ihr Kind übersehen, wäre es fatal.
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