Anhaltende Entzündungen im Gehirn können das Suizidrisiko erhöhen – darauf deuteten Studien bereits hin. Jetzt konnten Wissenschaftler bestimmen, welche biologischen Marker im Gehirn entscheidend sind.
In einer Studie wurden überaktive Entzündungen und der Verlust wichtiger Schutzmechanismen im Gehirn als mögliche Faktoren für das Suizidrisiko identifiziert. Veröffentlicht wurde die Studie in der Zeitschrift Molecular Psychiatry. Ein Team aus Wissenschaftlern vom Van Andel Institute, der Columbia University Department of Psychiatry und der Western Michigan University Homer Stryker M.D. School of Medicine war daran beteiligt.
„Da die Suizidraten weiter steigen, müssen wir zusätzliche evidenzbasierte Strategien entwickeln, um alle Faktoren zu berücksichtigen, die zum Suizidrisiko beitragen“, so Erstautorin Lena Brundin. „Unsere Studie zeigt mehrere wichtige Veränderungen im Gehirn auf, die eines Tages gezielt behandelt werden könnten, um das Risiko zu senken und Leben zu retten.“
Suizidales Verhalten wird durch eine Mischung aus psychologischen, sozialen und biologischen Faktoren bestimmt. Frühere Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass anhaltende Entzündungen ein toxisches Ungleichgewicht verursachen können, das die Gehirnchemie verändert und das Suizidrisiko erhöht.
Die neuen Ergebnisse bauen auf diesen früheren Arbeiten auf, indem sie wichtige molekulare Unterschiede identifizieren, die die Entzündung vorantreiben und zu suizidalem Verhalten beitragen können.
Das Forscherteam verglich die Gehirne von 29 Personen, die durch Suizid starben, mit den Gehirnen von 32 Personen, die aus anderen Gründen starben. Die Menschen, die in der Studie durch Suizid starben, waren weitgehend frei von antidepressiven und antipsychotischen Medikamenten, was es dem Team ermöglichte, die mit Suizid verbundenen molekularen Veränderungen deutlicher zu erkennen, die andernfalls möglicherweise verborgen blieben.
„Unser Ziel ist es, Suizid zu verhindern, indem wir die damit verbundenen Gehirnfunktionen besser verstehen“, erklärt Neurowissenschaftler John Mann, der an der Studie beteiligt war. „Wir haben uns auf das Gehirn konzentriert, weil dort die biologischen Prozesse ablaufen, die die Stimmung, die Suizidgedanken und -absichten sowie die Entscheidungsfindung beeinflussen. Diese Studie ermöglichte es uns, das Gehirn im Moment des größten Risikos zu sehen und biologische Marker für dieses Risiko zu bestimmen.“
Insgesamt stellte das Team eine erhöhte Entzündung fest, gepaart mit einer verringerten Aktivität von Mechanismen, die das Gehirn schützen. Zu den spezifischen Veränderungen in den Gehirnen von Menschen, die durch Suizid starben, gehören:
Die Studie beinhaltet eine umfassende Analyse integrierter Genmethylierungs- und Transkriptomdaten aus den Gehirnen von Menschen, die durch Suizid gestorben sind. Bei Menschen, die durch Suizid starben, wurden in der Studie Methylierungsmuster gefunden, die eine abnorme Entzündung begünstigten.
Parallel zur aktuellen Studie suchen die Wissenschaftler nach Biomarkern, die mit dem Suizidrisiko in Zusammenhang stehen. Sie stellen sich eine Zukunft vor, in der Kliniker über einen validierten Bluttest zur Bewertung des Suizidrisiko und zugelassene Behandlungsstrategien zur Verringerung dieses Risikos verfügen, möglicherweise durch gezielte Bekämpfung der Entzündung.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden sich künftige Studien darauf konzentrieren, die Rolle von Entzündungen beim Suizidrisiko besser zu verstehen, nach Biomarkern zu suchen und Strategien zur Bewertung potenzieller Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Van Andel Instituts. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Verne Ho, Unsplash