Bei der HIV-Prophylaxe könnte sich bald etwas ändern: Ein neuer Dapivirin-Vaginalring soll vor HIV-Infektionen schützen. Lest hier mehr.
Junge Frauen und Mädchen sind weltweit gesehen die am stärksten durch HIV bedrohte Kohorte. Im Alter zwischen 15 und 24 Jahren ist ihre Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren, mehr als doppelt so hoch wie bei jungen Männern. Häufig sind Frauen in ihrer Sexualität nicht selbstbestimmt und haben so keine Entscheidungshoheit darüber, ob der Geschlechtspartner ein Kondom verwendet, um sie zu schützen oder nicht. Der Zugang zu einer oralen PrEP ist vielen verwehrt. Ein Vaginalring, der einmal eingesetzt einen Schutz vor HIV bietet, könnte eine gute und diskrete Möglichkeit für Frauen sein, die Gefahr einer HIV-Infektion zumindest zu verringern.
Der verwendete Vaginalring besteht aus einer Silikonmatrix, der 25 mg des Nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitors (NRRTI) Dapivirin enthält. Er muss 24 Stunden lang getragen werden, bevor er das Risiko einer HIV-Infektion verringert. Der Ring sollte den gesamten Monat über intravaginal verbleiben und auch beim Sex nicht entfernt werden. Er kann mit den meisten Verhütungsmitteln verwendet werden, sollte aber nicht mit Vaginalringen, Diaphragmen, Menstruationsbechern oder Gebärmutterhalskappen verwendet werden. Die Empfehlung ist, den Ring mit einem Kondom zu kombinieren, auch um die Übertragung anderer STDs zu verhindern.
Die Wirksamkeit wurde bereits in zwei großen Phase-3-Studien untersucht, der ASPIRE- und der RING-Studie. Die Wirksamkeit bezüglich der Verhinderung einer HIV-Infektion wurde mit um die 30 % angegeben. Der Ring wurde gut vertragen und es gab keinen Hinweis auf eine Zunahme der Resistenzen gegen NNRTIs. Die niedrige präventive Wirkung wurde mit einer unzureichenden Therapieadhärenz in Verbindung gebracht. Diese hatte sich vor allem in der Gruppe der 18–21-jährigen Frauen gezeigt, in der der Ring so gut wie keine Infektion verhindern konnte.
Diese Hypothese wurde nun in der DREAM-Studie weiter untersucht. In die Studie wurden HIV-negative Frauen aus der RING-Studie eingeschlossen. Die Studie wurde in 5 Zentren in Südafrika und einem Studienzentrum in Uganda durchgeführt. Die Frauen wurden alle drei Monate nachgesorgt, wobei HIV-Tests, Befragungen und Messungen der verbliebenen Dapivirin-Dosen aus den Vaginalringen erfolgten. Durch die Messung der verbliebenen Dosis konnten die Forschenden die Therapieadhärenz kontrollieren. Zudem wurden die Frauen gynäkologisch auf unerwünschte Lokalreaktionen untersucht. Die erwartete HIV-Inzidenz wurde anhand von Daten aus der RING-Studie simuliert. Zwischen Juli 2016 und Januar 2019 wurden 941 Studienteilnehmerinnen eingeschlossen. Der Follow-Up-Zeitraum betrug mindestens 12 Monate.
Nur 9 % der eingeschlossenen Teilnehmerinnen brachen die Studie frühzeitig ab, wobei die häufigsten Gründe eine HIV-Serokonversion und Arbeitsplatz bedingte Umstände waren. Nebenwirkungen, die auf den Ring zurückgeführt wurden, waren vor allem vaginaler Diskomfort. 8 % der Studienteilnehmerinnen infizierten sich mit HIV. Dieses Ergebnis war 62 % niedriger als aufgrund der Simulationen erwartet wurde. Von den 17 Personen, die bei DREAM eine HIV-1-Serokonversion zeigten und ein genotypisches Resistenzergebnis aufwiesen, wurde bei fünf (29,4 %) von 17 eine NNRTI-Resistenz-assoziierte Mutation identifiziert. Die Studienautoren raten dazu, diese Tatsache mit Vorsicht zu bewerten, da das virologische Profil des übertragenden Partners unbekannt war und Resistenzen gegen NNRTIs in Südafrika mit bis zu 13 % angegeben werden.
Derzeit ist der Ring nicht für die Anwendung bei schwangeren und stillenden Frauen zugelassen. Eine kürzlich durchgeführte Studie, bei der 207 gesunde schwangere Frauen den Ring verwendeten, ergab jedoch, dass die Rate der Komplikationen im letzten Schwangerschaftsdrittel ähnlich hoch war wie die Hintergrundrate dieser Ereignisse in den Gemeinden, in denen die Studie durchgeführt wurde. Eine andere Studie ergab, dass der Ring bei 148 Frauen, die ihre Babys stillten, keine Sicherheitsbedenken aufwarf, was das günstige Sicherheitsprofil des Rings als HIV-Präventionsmethode bestätigte.
Der Dapivirin-Vaginalring hat inzwischen die behördliche Zulassung bzw. die Genehmigung für den Einsatz in 11 Ländern im östlichen und südlichen Afrika erhalten. Der Ring wird derzeit im Rahmen von mehr als 30 Implementierungs- und Pilotstudien in sechs Ländern für Frauen angeboten, darunter Eswatini, Kenia, Lesotho, Südafrika, Uganda und Simbabwe. Mit dem Hersteller Kiara Health wird über eine strategische Partnerschaft verhandelt, die dazu dienen soll, die Kosten zu senken, damit das Produkt mehr Frauen zugänglich wird. Dabei sollen in den nächsten Jahren lokale Produktionskapazitäten aufgebaut werden, um die Kosten für das Produkt erheblich zu senken. Auch arbeitet die Firma bereits an einem Nachfolgeprodukt, das dann nur noch alle drei Monate gewechselt werden muss, was zu einer einfacheren Handhabung und zusätzlichen Kostensenkung beitragen soll. Die Entwicklung dieses Rings mit längerer Wirkdauer wird laut dem Population Council in den nächsten 12–18 Monaten abgeschlossen und zur behördlichen Zulassung eingereicht werden.
Annalene Nel, Neliëtte van Niekerk, Saidi Kapiga, Linda-Gail Bekker et al. Safety and Efficacy of a Dapivirine Vaginal Ring for HIV Prevention in Women. N Engl J Med 2016; 375:2133-2143. DOI: 10.1056/NEJMoa1602046
Annalene Nel, Neliëtte van Niekerk, Ben Van Baelen, Mariëtte Malherbe et al. Safety, adherence, and HIV-1 seroconversion among women using the dapivirine vaginal ring (DREAM): an open-label, extension study. Lancet HIV. 2021 Feb;8(2):e77-e86. DOI: 10.1016/S2352-3018(20)30300-3
Bunge, Katherine; Balkus, Jennifer; Fairlie, Lee; Mayo, Ashley J et al. DELIVER: A Safety Study of a Dapivirine Vaginal Ring and Oral PrEP for the Prevention of HIV During Pregnancy. JAIDS Journal of Acquired Immune Deficiency Syndromes 95(1):p 65-73, January 1, 2024. DOI: 10.1097/QAI.0000000000003312
Microbicide Trials Network. Study suggests dapivirine vaginal ring is safe to use as HIV prevention during breastfeeding. Press release on February 21, 2023.
Bildquelle: National Cancer Institute, Unsplash