Die Gabe von Schilddrüsenmedikamenten soll die Herzfunktion bei hirntoten Organspendern verbessern – und damit die Chance auf ein gesundes Spenderorgan erhöhen. Stimmt das wirklich?
Die Studienlage zum Thema ist durchwachsen, trotzdem hat sich in den USA bei Organspenden eine bestimmte Praxis etabliert: die Verabreichung von Thyroxin an hirntote Organspender. Das Schilddrüsenhormon wird in der Hoffnung angewandt, die Herzfunktion zu bewahren und die Quantität sowie Qualität von Herz und anderen Organen für Transplantationen zu erhöhen. Doch eine neue Studie stellt diese langjährige Praxis ernsthaft in Frage. Sie ist im New England Journal of Medicine erschienen.
Bei der Feststellung des Hirntods können Organe von Verstorbenen mit Zustimmung des Verstorbenen oder ihrer Angehörigen für Transplantationen gespendet werden. Ein einzelner Verstorbener kann bis zu 8 Organe zur Verfügung stellen – sofern sie in gutem Zustand sind. Da es allerdings bis zu 72 Stunden vom Todeszeitpunkt bis zur Transplantation dauern kann, versuchen Ärzte, die Herzen der Spender so normal wie möglich schlagen zu lassen, um die Gesundheit des Herzens und anderer Organe zu erhalten. Das ist aber gar nicht so einfach: Sobald das Gehirn seine Funktion einstellt, sinken die Spiegel verschiedener Hormone, darunter auch die Schilddrüsenhormone, ab. Dieser Mangel kann zur Schilddrüsenunterfunktion und einer begleitenden Herzmuskelschwäche führen. Tatsächlich ist eine linksventrikuläre Dysfunktion nach dem Hirntod der häufigste Grund dafür, dass ein Herz nicht transplantiert werden kann. Die Gabe von Schilddrüsenhormonen soll dieses Problem abmildern.
Frühere Beobachtungsstudien haben nahegelegt, dass diese die Überlebensfähigkeit eines Herzens erhöhen kann. Gleichzeitig gibt es aber die Sorge, dass die Behandlung von Spenderherzen mit intravenösen Schilddrüsenhormonen das Risiko von Tachykardie und Hypertonie erhöhen könnte, was wiederum auch andere Organe schädigen und sie weniger geeignet für eine Transplantation machen könnte.
„Wir haben untersucht, ob die intravenöse Gabe von Schilddrüsenhormonen zu mehr transplantierten Herzen führen würde“, erklärt Raj Dhar, Professor für Neurologie an der Washington University und leitender Arzt auf der Neurologie-/Neurochirurgie-Intensivstation des Barnes-Jewish Hospital. „Diese Praxis wurde von mehreren Organbeschaffungsorganisationen übernommen und wird bei Tausenden von Organspendern pro Jahr angewendet, ohne jemals rigoros untersucht worden zu sein.“
Um mehr über den Nutzen dieser Behandlung herauszufinden, haben Dhar und sein Team insgesamt 838 Organspender, bei denen der Hirntod festgestellt wurde, in ihre Studie eingeschlossen. Die Hälfte erhielt innerhalb der ersten 24 Stunden Levothyroxin, während die andere Hälfte eine Kochsalzlösung bekam. Levothyroxin ist eine synthetische Form des menschlichen Schilddrüsenhormons T4, das zur Behandlung von Hypothyreose eingesetzt wird. Die Studie war nicht verblindet, damit die Empfänger über die Herzen, die sie erhalten sollten, umfassend informiert werden konnten.
Wie sich herausstellte, machte die Schilddrüsenhormonbehandlung keinen signifikanten Unterschied in der Anzahl der erfolgreich transplantierten Herzen. Etwas mehr als die Hälfte der Herzen aus jeder Gruppe waren für die Transplantation geeignet: 230 (54,9 %) aus der Schilddrüsenhormon-Gruppe und 223 (53,2 %) aus der Placebo-Gruppe (aRR: 1,01; 95 % KI: 0,97–1,07; p = 0,57). Von den 453 transplantierten Herzen funktionierten nach 30 Tagen noch 97,4 % der Herzen aus der Schilddrüsenhormon-Gruppe und 95,5 % der Herzen aus der Placebo-Gruppe gut für die Empfänger. Auch dieser geringe Unterschied war statistisch nicht signifikant. Darüber kam es in der Levothyroxin-Gruppe häufiger zu Hypertonie und Tachykardie bei den Spendern als in der Kochsalz-Gruppe. „Es stellt sich heraus, dass [die Hormonbehandlung] keinen Nutzen hat und sogar schädlich sein kann. Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir diese Praxis einstellen sollten“, meint Dhar.
Quelle:
Dhar et al. Intravenous Levothyroxine for Unstable Brain-Dead Heart DonorsList of authors. NEJM, 2023. doi: 10.1056/NEJMoa2305969
Bildquelle: Ave Calvar, Unsplash