Patienten mit myelodysplastischen Neoplasien leiden oft an einer Anämie. Imetelstat, ein von der Standardtherapie abweichender Wirkstoff, kann dabei helfen, die belastenden Bluttransfusionen zu vermeiden. Lest hier mehr.
Bei Menschen mit myelodysplastischen Neoplasien (MDS) ist die gesunde Ausreifung der Blutzellen im Knochenmark beeinträchtigt. Das kann zu Anämie, Infektionen und einer verstärkten Blutungsneigung führen. Patienten, die in die Niedrigrisiko-Kategorie der MDS fallen, befinden sich zunächst in keiner akut lebensbedrohlichen Situation, leiden aber an einer ausgeprägten Blutarmut. Diese entsteht durch einen Mangel an ausgereiften und funktionstüchtigen roten Blutkörperchen. Sie äußert sich insbesondere durch eine verringerte Leistungsfähigkeit sowie extreme Abgeschlagenheit und Müdigkeit, welche die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken. Oft kann diese Anämie nur durch regelmäßige Bluttransfusionen ausreichend therapiert werden. Diese sind für Betroffene meist sehr belastend.
In einer aktuellen internationalen Studie wird mit dem Wirkstoff Imetelstat eine Unabhängigkeit von Transfusionen roter Blutkörperchen bei MDS-Patienten von etwa einem Jahr erreicht. „Imetelstat bietet einen neuartigen Wirkmechanismus bei der Therapie von Patientinnen und Patienten, die in die Niedrigrisiko-Kategorie der MDS fallen und nicht auf die Standardbehandlung mit dem Medikament Epoetin alfa reagieren“, sagt Studienleiter Prof. Uwe Platzbecker, Direktor der Klinik für Hämatologie, Zelltherapie, Hämostaseologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Leipzig und Professor für Hämatologie an der Universität Leipzig.
Das Studienmedikament Imetelstat ist ein Telomerase-Inhibitor. Bei der Zellalterung spielt das Enzym Telomerase eine entscheidende Rolle – es erneuert immer wieder die Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, was für gesunde Zellen eine wichtige Funktion darstellt. Krebszellen allerdings teilen sich viel häufiger als gesunde und die Telomerase führt dazu, dass die bösartigen Zellen verlangsamt absterben. Telomerase-Inhibitoren blockieren die Telomerase aktiv und haben somit das Potential, die Vermehrung der kranken Zellen einzuschränken und verstärkt zu eliminieren. Bei MDS ist Imetelstat der erste Wirkstoff in dieser Medikamentenklasse.
40 Prozent der mit Imetelstat behandelten Patienten haben auf die neue Therapie angesprochen, verglichen mit 15 Prozent der Personen, die in der klinischen Studie ein Placebo erhielten. In der Imetelstat-Studiengruppe traten mehr Neutropenien und Thrombozytopenien als in der Placebo-Gruppe auf. Aber diese Nebenwirkungen waren beherrschbar und reversibel. „Neben den bereits etablierten Therapien wird nach der Zulassung von Imetelstat eine weitere Option zur Verfügung stehen, um Anämie, die eines der vorherrschenden Krankheitszeichen der MDS darstellt, zu behandeln und damit Bluttransfusionen, die für die Patient:innen sehr belastend sind, zu vermeiden oder hinauszuzögern“, sagt Platzbecker.
Die Zulassung zur Behandlung mit dem Wirkstoff Imetelstat im Rahmen der MDS-Erkrankung wurde bei der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA und der europäischen Behörde EMA beantragt. Imetelstat wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2024 zur Behandlung zur Verfügung stehen. Die IMerge-Studie ist eine randomisierte Phase-III-Studie, deren Ergebnisse in The Lancet veröffentlicht wurden. Sie wurde an insgesamt 118 Standorten, darunter Universitätskliniken, Krebszentren und Ambulanzen, in 17 Ländern durchgeführt und von der Pharmafirma Geron gesponsert.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Leipzig. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Susan Wilkinson, Unsplash