Immer wieder hört man von radioaktiv belasteten Nahrungsmitteln. Erst kürzlich gingen Berichte zu radioaktiven Paranüssen durch die Medien. Sollten eure Patienten bestimmte Zutaten aus ihrem Weihnachtsmenü streichen?
Ob Paranüsse, Wildschwein oder Pilze – die Angst vor der Radioaktivität ist allgegenwärtig. Dabei enthalten alle Lebensmittel natürliche radioaktive Stoffe, so das BfS. „Die natürliche Radioaktivität in Nahrungsmitteln ist hauptsächlich durch das Kaliumisotop Kalium-40 und die langlebigen Radionuklide der Uran-Radium-Zerfallsreihe und der Thorium-Zerfallsreihe bedingt.“ Neben diesen natürlich vorkommenden Radionukliden, finden aber auch künstliche den Weg in unsere Nahrung. „In Europa führten darüber hinaus insbesondere der Reaktorunfall von Tschornobyl und die oberirdischen Kernwaffentests zu künstlichen Radionukliden in Nahrungsmitteln.“ Besonders hervorzuheben: das Radionuklid Cäsium-137.
Bestimmte Pflanzen- und Tierarten nehmen bestimmte Radionuklide besser auf als andere – und so kann es dann zu gefährlichen Mengen an Radioaktivität in Nahrungsmitteln kommen. In Deutschland sind hier besonders die südlichen Gegenden betroffen.
Konzentrationen von Cäsium-137 in europäischen Böden. Credit: Meusburger et al./ Scientific Reports, CC-by-sa 4.0
Kürzlich ging die Meldung, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) würde vom Verzehr von Paranüssen wegen einer zu hohen radioaktiven Belastung abraten, durch deutsche Medien. Aber ganz so eindeutig ist die Sachlage nicht. Was stimmt: Paranüsse könnten laut dem BfS tatsächlich manche Radionuklide – insbesondere Radium – in höherem Maße enthalten. Das BfS sagt aber auch: „Für Erwachsene ist ein maßvoller Verzehr von Paranüssen unbedenklich, da er nur zu geringen zusätzlichen Strahlendosen führt.“ Lediglich schwangeren und stillenden Frauen sowie Kindern wird vom Verzehr abgeraten – aus Vorsorgegründen. Erwachsene sollten unterdessen von einem übermäßigen Verzehr absehen. „Niemand muss sich Sorgen machen, wenn nur geringe Mengen an Paranüssen verzehrt werden. Die zusätzliche Strahlendosis ist bei einem geringen Verzehr entsprechend niedrig, wie Modellrechnungen zu typischen Strahlendosen zeigen“, entwarnt das BfS.
Paranüsse sind vor allem wegen ihres hohen Selengehalts beliebt. Mit nur zwei Nüssen pro Tag könne die Selenversorgung verbessert werden. Aber: der Selengehalt von Paranüssen schwankt stark – eine gezielte Versorgung wäre also über die Nüsse sowieso nicht möglich. Andere gute Selenquellen wären beispielsweise Fleisch, Fisch und Eier sowie Kohl, Linsen, Spargel und Pilze – aber auch Pilze sind nicht immer ungefährlich.
Einige heimische Pilzarten sind immer noch stark mit Cäsium-137 belastet. Besonders betroffene Regionen sind der Bayrische Wald, das Donaumoos sowie die Alpen und der Alpenrand. Für eine genauere Verortung hilft ein Blick auf die obige Karte. Generell gilt in Deutschland: Pilze mit einer höheren Belastung als 600 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm dürfen nicht in den Handel. Viele wild gesammelten Pilze überschreiten diesen Grenzwert aber um ein Vielfaches. „Der Pilzbericht fasst die Untersuchungsergebnisse der Jahre 2019 bis 2021 zusammen. Besonders hohe Werte bis über 4.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm Frischmasse wiesen in diesem Zeitraum Semmelstoppelpilze und Rotbraune Semmelstoppelpilze auf“, erläutert das BfS. Eine genaue List der besonders belasteten, aber auch der am wenigsten belasteten Pilze, könnt ihr hier einsehen.
Leidenschaftliche Pilzesammler müssen jetzt aber nicht stante pede alle Pilze meiden. Denn wie so oft, macht die Dosis das Gift. „Für die Strahlenbelastung des Menschen ist neben dem Cäsium-137-Gehalt der Pilze auch die verzehrte Menge entscheidend. Wenn wildwachsende Speisepilze in üblichen Mengen konsumiert werden, ist die zusätzliche Strahlenbelastung vergleichsweise gering.“
Neben Pilzen sind in denselben Gebieten aber auch bis zu zehnfach überschrittene Grenzwerte für Wildtiere zu finden. Besonders Wildschweine sind oft übermäßig belastet, mit Spitzenwerten im Bayrischen Wald von bis zu 17.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm. Andere Wildtierarten wie etwa Rehe oder Hirsche sind deutlich weniger belastet. Aber wieso sind ausgerechnet Wildschweine so stark belastet? Hier kommen wieder die oben erwähnten Pilze ins Spiel. „Die starken Unterschiede zwischen den Wildfleischsorten beruhen im Wesentlichen auf dem Ernährungsverhalten der jeweiligen Tierarten“, so das BfS. Wildschweine fressen nämlich unterirdisch wachsende Hirschtrüffel – eine Pilzart, die selbst außergewöhnlich hoch belastet ist.
„Dass Wildschweine die mit Cäsium belasteten Hirschtrüffel essen, dürfte auch ein saisonales Phänomen sein“, sagt Radiochemiker Georg Steinhauser von der TU Wien gegenüber dem ORF. Denn wenn es genug andere Nahrung gibt – wie etwa Bucheckern oder Eicheln – würden die Tiere nicht nach den Trüffeln graben.
Wer in der Weihnachtszeit also unbedingt Wildfleisch mit Pilzrahmsauce auf dem Teller haben und zur Nachspeise Kekse mit (Para)-Nüssen essen möchte, hat viele Ausweichmöglichkeiten, die deutlich weniger Cäsium-137 pro Kilogramm aufweisen und mindestens genauso gut schmecken.
Und selbst wenn das Wildschwein und die selbstgesammelten Pilze auf dem Speiseplan stehen, sollten sich gesunde Menschen keine großen Sorgen um die davon ausgehende Strahlenbelastung machen. Die Empfehlung für Schwangere, Stillende, Kinder und sonstige Risikogruppen besser auf eventuell radioaktiv belastete Lebensmittel zu verzichten, greift jedoch nicht nur bei den Paranüssen, sondern auch bei Pilzen, Wildschweinen und sonstigen möglichweise belasteten Nahrungsmitteln.
Bildquelle: Abonyi Kevin, unsplash