Dann der Nachmittag: Die Nachfrage nach Angeboten für Kinder ist riesig – die Zahl der (ehrenamtlichen) Übungsleiter schwindet immer weiter. Auch da: Die meisten Kursleiter, die ich kenne, sind Frauen. Mein Mann ist überall immer ein Sonderfall, auch weil er jetzt meinen Jiu-Jitsu-Kurs übernommen hat, den ich früher betreut hatte.
Mein Vorteil: Bislang sind unsere Eltern wenigstens noch fit und benötigen keine Unterstützung (wohnen aber auch zu weit weg, um uns häufiger unterstützen zu können). Das bekommen wir bei vielen aber auch mit: Spätestens, wenn dann die Eltern auch noch Hilfe benötigen, wird es mehr als brenzlig.
Beide Vollzeit? Eine schwierige Nummer
Um das mal ganz klar zu sagen: Ich kenne viele, die früher auch eher 50–60 Stunden gearbeitet haben. Aber da war dann der andere Elternteil oft genug ganz zu Hause, so dass 50–60 Stunden die Wochenarbeitszeit pro Familie war. In den meisten Teilzeit-Modell-Familien, die ich kenne, ist die Wochenarbeitszeit immer noch 50–60 Stunden, aber jetzt halt verteilt auf zwei Leute. Beide Leute in Vollzeit bedeutet 80 Stunden pro Familie – das ist nochmal eine ganz andere Hausnummer.
Wobei wir noch nicht über das Phänomen der Arbeitszeitverdichtung gesprochen haben, die auch bei uns Ärzten ein Rolle spielt. Wenn ich sehe, wie früher eine Karteikarte über Jahre reichte und was ich heute alles detailliert dokumentieren muss, wundert mich nicht, dass es mehr Aufwand ist. Und da man mehr machen kann, ist die Medizin sowohl diagnostisch als auch therapeutisch deutlich komplexer geworden.
Teilzeit-Männer: Oft verspottet
Was ist also mit den Männern? Naja – der Fachkräftemangel trifft auch deren Branchen und deren Chefs sind ebensowenig begeistert über Teilzeit (und ja, mein Mann bekommt immer noch sehr regelmäßig Sprüche dafür, dass er sich bei uns so viel mit um die Kinder kümmert). Ich kann nur sagen: Hut ab vor allen Männern, die sich das geben. Denn ich glaube schon, dass man ganz schön viel Selbstbewusstsein braucht, um diesen Spott über lange Zeit auszuhalten.
Abends sind die Leute dann erschöpft (Eltern und Kinder), aber dann muss noch der restliche Haushalt erledigt werden und eigentlich möchte man auch noch Zeit füreinander haben. Dafür ist man jedoch manchmal einfach zu platt. Zumindest geht mir das so: Ich brauche manchmal echt einfach Ruhe, weil man den ganzen Tag in persönlichen Beziehungen zu allen stand – und zwar für gewöhnlich auf der gebenden Seite.
Mein Fazit
Ich kann die Kollegen, die sich (gerade mit Kindern) dann erstmal für die Teilzeit-Anstellung entscheiden, mehr als gut verstehen. Denn die wenigsten liegen zu Hause auf dem Sofa und schauen Netflix – sondern sie kümmern sich um Kinder, die Gesellschaft (Ehrenamt) und so weiter. Auch das ist Arbeit. Oft sicherlich schöne Arbeit, aber trotz allem zieht das auch Energie.
Wenn also über die „Teilzeit-Ärzte/Ärztinnen“ geschimpft wird, die sich nicht selbständig machen wollen, sollte nicht vergessen werden: Wir müssen uns als Gesellschaft überlegen, was uns wichtig ist. Und dann die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass man auch als selbständiger Arzt gut arbeiten kann. Ich glaube, dann stehen die Chancen gut, dass sich wieder mehr Leute dafür interessieren. So wie es aktuell läuft aber nicht.
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