Auch Jahre nach der Krebserkrankung haben viele Patienten mit Fatigue zu kämpfen. Doch Medizinern fehlt für diese Zeit oft das Fachwissen. Mit Biomarkern wurden jetzt verschiedene Fatigue-Typen ausfindig gemacht – was bei der Therapie helfen könnte.
Bei Krebspatienten ist das erste Ziel, dass sie krebsfrei werden. Viel Zeit und Geld wurde und wird investiert, um die verschiedenen Krebsarten zu verstehen und die jeweils besten Behandlungen zu entwickeln – was selbstverständlich richtig und gut ist. Oft rückt dabei allerdings in den Hintergrund, dass für viele Patienten die Gesundheitsprobleme auch nach dem Erreichen einer Remission nicht vorbei sind. Etwa ein Viertel bis ein Drittel der Langzeitüberlebenden leiden an Tumor-assoziierter Fatigue (TAF) für bis zu 10 Jahre nach dem Ende der Krebstherapie. Und im Gegensatz zu der Krebsbehandlung, bei der oft genau untersucht wird, welche Eigenschaften der Krebs hat, werden TAF-Patienten meistens sehr unspezifisch behandelt. Das liegt mitunter daran, dass TAF bisher noch nicht gut verstanden ist und es keine offizielle Unterteilung in Subtypen der Erkrankung gibt.
Eine Erkrankung, die im Zusammenhang mit Fatigue oft genannt wird, ist Depression. Und auch für die TAF wurde beobachtet, dass Patienten mit bereits bestehender Depression oft schwerwiegendere Symptome im physischen, emotionalen und kognitiven Bereich haben und die TAF länger anhält als bei Patienten ohne Depression. Zudem wird vermutet, dass chronische Entzündungen ein zugrundeliegender Mechanismus für das Entstehen einer TAF sind, weil erhöhte Level an inflammatorischen Biomarkern oft bei TAF-Patienten beobachtet wurden.
Um die Rolle verschiedener Biomarker besser zu verstehen, haben Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg krebsfreie Frauen zweimal innerhalb von zwölf Jahren nach ihrer Brustkrebsdiagnose untersucht. Dabei wurden ihre Fatigue-Level mit dem Fatigue Assessment Questionaire diagnostiziert und ihre Serumproben auf verschiedene Biomarker untersucht (IL-1ß, IL-2, IL-4, IL-6, IL-10, TNF-alpha, GM-CSF, IL-5, VEGF-A, SAA, CRP, VCAM-1, ICAM-1, Leptin, Adiponectin und Resistin).
Von den 1.862 Teilnehmenden wurde bei 1.004 (54 %) eine TAF festgestellt. Diese Frauen hatten eine höhere Prävalenz an Depressionen, Schilddrüsenerkrankungen, entzündlichen Gelenk- oder Wirbelsäulenerkrankungen und höhere Schmerzlevel. Auffällig war zudem, dass das durchschnittliche Bildungsniveau bei TAF-Patientinnen niedriger war als bei den Überlebenden ohne TAF. Etwa 21 % der TAF-Patientinnen litt bereits vor der Krebsdiagnose unter Depressionen. In dieser Gruppe wurde eine vergleichsweise geringe Verbesserung der TAF-Symptome zwischen den beiden Untersuchungen beobachtet. Zudem lag gehäuft sowohl eine physische, emotionale sowie kognitive Fatigue vor. Vorherige Beobachtungen konnten also bestätigt werden. Interessanterweise waren die Level der Biomarker in dieser Gruppe ähnlich wie die der Patientinnen ohne TAF.
Die TAF-Patientinnen ohne bestehende Depression konnten anhand von Biomarkern in drei weitere Cluster unterteilt werden. Das Cluster 1 zeichnet sich durch vergleichsweise hohe Level an entzündungsfördernden Zytokinen (TNF-alpha, IL1-ß, IL-6, GM-CSF), Resistin und VEGF-A, sowie höhere BMIs und Schmerzlevel aus. Die Fatigue äußerte sich vor allem im physischen Zustand: Patientinnen berichteten über Energieverlust, verringerte körperliche Fähigkeiten und schwere Gliedmaßen. Die Autoren vermuten, dass die physische Fatigue durch die starken Schmerzen verursacht werden könnte. Auch passen die erhöhten Level an entzündungsfördernden Zytokinen zu der Hypothese, dass chronische Entzündungsreaktionen vor allem physische Fatigue verursachen.Übersicht über die verschiedenen TAF-SubtypenCredit: DocCheck, erstellt mit BioRender.com
Patientinnen im Cluster 2 hatten niedrigere Level an entzündungsfördernden Zytokinen und Proteinen (CRP, SAA, ICAM-1, VCAM-1), dafür aber höhere Level an Leptin. Die Fatigue äußerte sich vor allem auf der kognitiven Ebene, Patientinnen hatten Schwierigkeiten mit ihrer Aufmerksamkeit, Konzentration und ihrem Erinnerungsvermögen. Diese Ergebnisse unterstützen frühere Studien, die Leptin, welches die Hirnschranke überwinden kann, mit kognitiven Leistungen in Zusammenhang gebracht haben. Auch wurden in anderen Fatigue-Erkrankungen wie CFS/ME erhöhte Leptin-Level gefunden.
Alle anderen Teilnehmerinnen wurden in das Cluster 3 eingeteilt. Bei ihnen wurden keine herausstechenden Biomarker identifiziert. Sie hatten jedoch im Schnitt niedrigere Schmerzlevel und eine bessere Funktionalität in sozialen und physischen Rollen.
Die Autoren resümieren, dass dies ein erster wichtiger Schritt ist, um TAF-Erkrankungen in Subtypen zu unterteilen, damit sie differenziert und zielgerichtet behandelt werden können. Sie betonen aber auch, dass sie nicht alle Cluster einfangen konnten, weil sie nur begrenzte Biomarker- und Patienten-Daten zur Verfügung hatten. Weitere Studien könnten ausgeweitet werden, indem beispielsweise Cortisol-Profile und ausführliche Anamnesen über weitere psychische Erkrankungen oder Therapien erhoben werden.
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