Du hältst einen auffälligen Mammographie-Befund in den Händen, kannst deiner Patientin zum Glück später Entwarnung geben – doch kein Brustkrebs. Aber der Schein kann trügen. Warum du in solchen Fällen trotzdem wachsam bleiben solltest.
Nach Brustkrebs-Screenings per Mammographie laden Ärzte im Schnitt 30 von 1.000 Teilnehmerinnen zu Folgeuntersuchungen ein. Sie führen bei 12 der 30 Frauen eine Biopsie durch. 6 Frauen haben tatsächlich ein Mammakarzinom – und 24 (2,4 %) hatten ein falsch-positives Testergebnis. Geben Ärzte schließlich Entwarnung, nimmt so manche Frau nicht mehr an Folgeuntersuchungen teil: eine fatale Entscheidung.
Denn falsch-positive Mammographie-Befunde stellen offensichtlich ein besonderes Problem dar, weil sie mit einem signifikant erhöhten Risiko für die Patientinnen assoziiert sind, doch noch an Brustkrebs zu erkranken, wie Forscher berichten. In diesem Fall handelt es sich meist um größere Tumore mit einer erhöhten Brustkrebs-Mortalität.
Ein Blick auf Details: Schwedische und chinesische Forscher haben erstmals mit einer Langzeit-Auswertung nachweisen können, dass dieses Risiko sogar 20 Jahre nach der falsch-positiven Diagnose noch deutlich erhöht ist. Sie analysierten Daten aus dem gut dokumentierten und vernetzten schwedischen Brustkrebs-Screening-Programm (Stockholm Mammography Screening Program), das seit 1989 existiert. Mittlerweile werden dort alle Frauen ab 40 Jahren alle zwei Jahre zu einer Mammographie eingeladen.
Da Ärzte alle Untersuchten zusammen mit einer Personen-Identifikationsnummer dokumentieren, lassen sich Krankendaten aus dem schwedischen Nationalregister mit Mammographie-Daten verknüpfen. Über einen Zeitraum von 1991 bis 2020 werteten die Forscher so Daten von 45.213 Frauen aus, die einen falsch-positiven Mammographie-Befund erhalten hatten. Hinzu kamen Daten von 452.130 gescreenten Frauen als Kontrollgruppe.
Die Forscher fanden innerhalb des 20-Jahres-Zeitraums eine Brustkrebs-Inzidenz von 11,3 % nach falsch-positiven Diagnosen gegenüber 7,3 % bei der Kontrollgruppe. Bei Frauen, die nach dem Mammographie-Befund eine Biopsie erhielten, war das Risiko für eine Brustkrebserkrankung dabei höher als bei denen ohne Biopsie. Die später gefundenen Tumore befanden sich überwiegend auf der gleichen Seite wie die zuvor falsch-positiv gewerteten Befunde. Darüber hinaus hatten Frauen mit falsch-positivem Resultat ein um 86 % höheres Risiko, an der späteren Brustkrebserkrankung zu sterben als Kontrollen.
Weitere Untersuchungen seien nötig, um die genauen Gründe für das erhöhte Risiko zu erforschen, schreiben die Autoren. Sie haben jedoch zwei möglich Erklärungsansätze.
Zum einen sei es möglich, dass bei der initialen Untersuchung sehr kleine Tumore einfach nicht gefunden worden seien, schreiben sie. Dafür spräche, dass die meisten Brustkrebserkrankungen innerhalb von vier Jahren nach der Mammographie mit falsch-positivem Resultat entstanden seien, meist auf der gleichen Seite wie das später aufgetretene Karzinom. Zum anderen könnte ein falsch-positives Signal auch ein Indikator für ein generell höheres Brustkrebsrisiko bei den Betroffenen sein, meinen die Forscher.
Die Tatsache, dass später diagnostizierte Tumore nach falsch-positiv Befundenen oft deutlich größer und gravierender sind als bei der Kontrollgruppe, erklären sie mit der Beobachtung, dass einige Frauen nach dem psychisch einschneidenden Erlebnis des Befundes Vorsorgeuntersuchungen weniger oft in Anspruch nehmen. Tatsächlich sprechen Daten dafür, dass sie Folgeuntersuchungen in größeren zeitlichen Abständen absolvieren als Kontrollen der Kohorte. Ärzte entdecken Tumore dann in fortgeschritteneren Stadien, was die höhere Mortalität erklären könnte.
Die Forscher schränken ein, dass ihre Studie sich nur auf schwedische Daten beziehe und sich nicht zwangsläufig auf alle Länder generalisieren lasse. So differieren etwa die Brustkrebsraten, die Raten falsch-positiver Ergebnisse oder die Häufigkeit von Mammographie-Untersuchungen von Land zu Land. Eine Limitation ergab sich auch dadurch, dass Frauen unter 50 erst seit dem Jahr 2005 in das schwedische Programm aufgenommen worden sind.
Dagegen sei besonders der gut dokumentierte und vernetze schwedische Datensatz mit seiner eindeutigen Möglichkeit der Zuordnung zu Personen und Krankendaten eine echte Stärke ihrer Studie, schreiben die Autoren.
Unabhängig davon raten sie allen Ärzten: Frauen, die ein falsch-positives Ergebnis bekommen haben, benötigen im Nachgang eine intensivere Überwachung als das bislang der Fall ist. Spezielle Programme für diese Personengruppe könnten Abhilfe schaffen, um Risiken zu minimieren. Die Herausforderung für Ärzte wird jedoch sein, Frauen nach falsch-positivem Resultat so zu beraten, dass sie verstehen, was Sache ist, ohne Tag für Tag in Angst zu leben.
Quelle:
Mao et al. Breast Cancer Incidence After a False-Positive Mammography Result. JAMA Oncol, 2023. doi: 10.1001/jamaoncol.2023.4519
Bildquelle: National Cancer Institute, unsplash