Ein 37-jähriger Mann nimmt während seines ersten Ultramarathons ein Schmerzmittel ein. Wenig später plagen ihn plötzlich stärkste Thorax- und Bauchschmerzen. Die Ärzte in der Klinik sind zunächst ratlos – was ist hier passiert?
Ein 37-jähriger Mann nimmt in den USA erstmals an einem 100-Meilen-Ultramarathon teil. Während des Rennens versorgt er sich an einem Erste-Hilfe-Stand mit einem gängigen Schmerzmittel. Doch als er weiterläuft und dabei die Tablette schlucken möchte, wird ihm nach 100 Metern plötzlich übel. Wenig später erbricht er einmalig. Seine Laufbegleitung rennt sofort zum Erste-Hilfe-Stand zurück, um professionelle Verstärkung zu holen.
Als die Sanitäter ihn auf der Rennstrecke antreffen, klagt der 37-Jährige über starke Thorax- und Oberbauchschmerzen. Zudem ringt er nach Luft. Schmerzgeplagt fragt er, ob er sich vielleicht eine Rippe gebrochen haben könnte. Die Sanitäter legen den Mann zunächst flach auf den Boden, doch dabei werden insbesondere die Brustschmerzen des Mannes deutlich stärker. Anschließend erheben sie die Vitalparameter, die allesamt normwertig sind, und organisieren rasch einen Transport ins nächste Krankenhaus.
Als sie in der Notaufnahme ankommen, ist der Mann tachypnoeisch bei 22 Zügen/min, seine Herzfrequenz liegt bei 77 Schlägen/min und seine Sauerstoffsättigung beträgt 93 %. Doch merkwürdigerweise liefert ein EKG keinerlei Hinweis auf die Ursachen der Brust- und Bauchschmerzen. Erste Laboruntersuchungen zeigen eine Leukozytose mit Linksverschiebung. Zusätzlich sind BNP, Troponin I und D-Dimer erhöht. Doch wie passen diese Laborbefunde mit den Symptomen und dem unauffälligen EKG zusammen? Um dieser Frage weiter auf den Grund zu gehen, lassen die Ärzte nun Röntgenaufnahmen des Thorax anfertigen. Darauf sehen sie ein großes Infiltrat in der linken Lungenbasis, allerdings ohne Pleuraerguss oder Pneumothorax. Zudem zeigen sich beträchtliche Mengen freier Luft im Sinne eines Mediastinalemphysems. CT-Aufnahmen mit Kontrastmittel sind aufgrund der Nierenparameter leider nicht möglich, doch auf nativen Aufnahmen, bestätigen sich diese Befunde zusätzlich.
Zur weiteren Abklärung wird der junge Mann nun stationär aufgenommen, und die Ärzte lassen einen Ösophagusbreischluck durchführen. Diese Untersuchung liefert schließlich den entscheidenden Hinweis: Es zeigt sich eine große links-laterale Perforation des distalen Ösophagus mit Kontrastmittelextravasation ins Mediastinum.
Der 37-Jährige leidet am Boerhaave-Syndrom – einer Ruptur aller Wandschichten des Ösophagus. Die Perforation wird schließlich operativ versorgt und zeigt sich einen Monat später endoskopisch vollständig abgeheilt. Drei Monate später kann der junge Mann bereits wieder ins Lauftraining einsteigen. Die Autoren berichten, dass bislang noch keine ähnlichen Fälle beschrieben sind, vermuten aber einen ätiologischen Zusammenhang mit der generell erhöhten Belastung des Magen-Darm-Traktes beim Ultramarathon.
Text- und Bildquelle: Pasternak et al. / BMJ Case Reports
Titelbild: Unsplash / sporlab