Ein Medikament gegen eine seltene, maligne Bluterkrankung rückt für die Therapie von Alopecia areata in den Fokus. Der Wirkstoff Ruxolitinib hat seine Wirksamkeit in Tierversuchen bereits unter Beweis gestellt. Erste Tests mit Probanden verliefen erfolgversprechend.
Etwa 1 bis 1,5 Millionen Menschen sind in Deutschland von Kreisrundem Haarausfall betroffen, schätzt der Verein Alopecia Areata Deutschland. Frauen und Männer sind gleichermaßen betroffen. Die Autoimmunerkrankung kann bereits im Kindesalter auftreten. Eine familiäre Häufung wird oft beobachtet. Zum Kreisrunden Haarausfall kommt es, weil körpereigene Immunzellen die Haarfolikel angreifen und so das Haarwachstum unterbinden. Meist bilden sich zunächst kleine, runde und kahle Stellen am Kopf oder am Bart der Betroffenen. Deren Anzahl und Größe nehmen zunächst im Verlauf der Erkrankung zu. Bei etwa der Hälfte der Patienten mit kreisrundem Haarausfall wachsen die Stellen wieder zu, dafür bilden sich an anderer Stelle kahle Bereiche. Bei etwa jedem zehnten Patienten wächst das Haar jedoch nicht mehr nach, so dass die entsprechenden Stellen dauerhaft kahl bleiben. Auch wenn sich „nur“ das Aussehen der Patienten verändert, ist der psychische Leidensdruck für die Patienten oft groß. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es bisher kein wirksames Mittel gegen Alopecia Areata gibt.
Wissenschaftler der Columbia University in New York haben nun ein Medikament gefunden, das den Kreisrunden Haarausfall stoppen könnte, wie sie in einer Studie im Fachmagazin Nature Medicine berichten. Bei drei Testpersonen konnten die Wissenschaftler mit dem Wirkstoff Ruxolitinib, der zur Behandlung der seltenen Myelofibrose zugelassen wurde, das Haarwachstum wieder vollständig herstellen und auch über Monate nach der Behandlung erhalten. Der seit 2011 in den USA und seit 2012 in der EU und der Schweiz verfügbare Wirkstoff mit den Handelsnamen Jakafi® oder Jakavi® ist ein Tyrosinkinaseinhibitor, der die Januskinasen 1 und 2 hemmt.
Zellkultur-Experimente hatten den Forschern Hinweise gegeben, dass Interferon-hemmende Antikörper die entzündlichen Autoimmunreaktionen stoppen könnten. Denn die fehlgeleiteten, körpereigenen Abwehrzellen werden durch zwei „Alarm-Moleküle“ zu den Haarfollikeln gelockt, die die Follikel im Übermaß herstellen. Diese sorgen dafür, dass Interferone und Interleukine freigesetzt werden. Diese veranlassen bestimmte T-Zellen, die Haarfollikel zu attackieren.
Zunächst testeten die Wissenschaftler die Interferon-blockierende Antikörper Ruxolitinib und Tofacitinib an Mäusen, die an einer schweren Form von Alopecia Areata erkrankt waren – mit Erfolg. Denn bereits 12 Wochen nach Behandlungsstart waren alle kahlen Stellen der Tiere wieder mit Haaren bewachsen. Auch Monate nach der Therapie erlitten die Tiere keinen erneuten Haarausfall, wie die Wissenschaftler berichten.
Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse im Tierversuch und weil Ruxolitinib bereits auf seine Verträglichkeit am Menschen geprüft wurde, starteten die Wissenschaftler eine kleine Studie an drei Patienten mit mittlerem bis schwerem Kreisrundem Haarausfall (mit mehr als 30 Prozent Haarverlust). Die Studie läuft noch, doch erste Ergebnisse sind vielversprechend: Bei allen drei Patienten konnte Ruxolitinib – oral verabreicht, 20 mg zweimal täglich – die attackierenden T-Zellen bekämpfen und das Haarwachstum innerhalb von vier bis fünf Monaten nahezu gänzlich wiederherstellen.
Nebenwirkungen beschreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie zwar nicht, zu den häufigsten, möglichen unerwünschten Wirkungen der Zulassungsstudien gehörten Thrombozytopenie und Anämie. Innerhalb der klinischen Studien konnten diese Nebenwirkungen gut mit Dosisreduktionen, kurzen Therapieunterbrechungen oder Transfusionen behandelt werden. Darüber hinaus traten Blutergüsse, Schwindel und Kopfschmerzen auf. Für Kinder und Jugendliche ist der Wirkstoff nicht zugelassen. Eine mögliche Therapie ist zudem kostenintensiv: Aus der empfohlenen Dosierung des Präparates von zweimal täglich 20 mg resultieren 170 Euro in der öffentlichen Apotheke. Die Therapie kostet damit ungefähr 5.000 Euro pro Monat.
Seit Juli 2014 erprobt die Yale University im Rahmen einer Studie die Behandlung der Alopcia areata mit Tofacitinib. Der Wirkstoff ist in den USA bislang für die Behandlung von rheumatoider Arthritis zugelassen. In Europa ist Tofacitinib bisher nicht zugelassen.