Extremsport hat extreme Auswirkungen auf den Körper – so weit, so klar. Welche konkreten Be- und Überlastungssymptome beim Ultraradfahren auftauchen, hat eine Studie nun erstmals belegt. Lest hier mehr.
Für den boomenden Rad- und Ultraradsport sind evidenzbasierte Daten bislang spärlich. Dabei scheinen körperlichen Überlastungssymptomen bei extremem Ausdauersport wie Ultraradfahren naheliegend. Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck haben nun erstmals die Auswirkungen von Ultracycling auf den Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt und das von Ultra-Radfahrern berichtete Auftreten von Schwellungen an Augenlidern und Extremitäten untersucht.
Eine mehrtägige Ultradistanz-Radfahrt ist assoziiert mit deutlichen Zeichen der Überwässerung (Hyperhydratation) und damit verbundener Belastung des Herzens sowie sichtbaren Wassereinlagerungen (Ödemen). Das ist die zentrale Erkenntnis einer neuen, im Fachjournal Kidney International Reports erschienenen Radstudie. Die Bildung von peripheren Ödemen (Schwellungen im Augenbereich, sowie an Armen und Beinen) nach überdurchschnittlicher körperlicher Belastung ist ein Phänomen, das bei Ultra-Läufern bereits in Einzelfällen in der Literatur beschrieben wurde.
Ausschlaggebend für den Start der Studie waren die persönlichen Erfahrungsberichte zweier populärer Ultra-Radsportlerinnen und Wissenschaftlerinnen – Jana Kesenheimer, Psychologin an der Universität Innsbruck und Fiona Kolbinger, Chirurgin an der Universitätsklinik Carl Gustav Carus in Dresden –, die von Wassereinlagerungen an Lidern und Gelenken nach mehrtägigen, ultralangen Radstrecken bei sich selbst überrascht waren. Über ähnliche Symptome berichteten mehr als die Hälfte der knapp 1.000 teilnehmenden Ultra-Radfahrer in einer Fragebogenstudie, die von den Forschern schon im Vorfeld durchgeführt worden war.
Die Studienleiter Philipp Gauckler und Andreas Kronbichler luden gemeinsam mit Kesenheimer und Kolbinger 13 Ultraradfahrer aus ganz Europa nach Innsbruck ein. Die Sportler wurden während einer mehrtägigen Rennrad-Tour mit selbstgewählter Streckenlänge von durchschnittlich 1.205 Kilometern und knapp 20.000 Höhenmetern auf Herz und Nieren untersucht. Die fünf weiblichen und acht männlichen Probanden wurden nach einer umfangreichen Basisdiagnostik vor dem Start an Tag 4 einer Zwischenanalyse unterzogen und in der Erholungsphase sowie zum Abschluss zwölf bis 24 Stunden nach ihrer Ankunft untersucht. Laboranalysen von Blut und Urin, bioelektrische Messung der Körperzusammensetzung und Echokardiographie (EKG) sowie kontinuierlich aufgezeichnete Protokolle der Sportler zur Flüssigkeitsaufnahme und zum Umfang ihrer Extremitäten dienten der Datenerhebung.
„Dafür kooperierten wir mit einem Tiroler Start-up [...], das den Teilnehmern mobile Geräte zur Verfügung stellte, mit denen der Elektrolythaushalt durch eine einfache Urinprobe selbst analysiert werden konnte [...]“, beschreibt Studienleiter Gauckler den Ansatz der Studie.
Im Verlauf der Radtour zeigten die Teilnehmer Anzeichen einer Erweiterung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens ohne relevante Körpergewichtsverluste. Mit steigendem Gesamtkörperwasser und Plasmavolumen veränderte sich jedoch die Körperzusammensetzung (Wasser, Fett- und Muskelmasse). Ein signifikanter Anstieg des Herzinsuffizienzmarkers NT-proBNP sowie eine Volumenzunahme des rechten Vorhofs und der rechten Herzkammer weisen auf eine gleichzeitige Herzvolumenüberlastung hin. Zudem zeigten sich periphere Ödeme im Gesicht und an den Augenlidern sowie Volumenzunahmen an Knöcheln, Handgelenken, Zeigefingern und Oberschenkel. Die detaillierte Analyse der Blut- und Harn-Elektrolyte sowie serielle Messungen von Copeptin lassen sogar erste Vermutungen über zugrundeliegende Mechanismen für die beobachtete Überwässerung zu.
In der Tat scheint eine kontinuierliche Rückaufnahme durch die Niere von Natrium und Flüssigkeit in den Kreislauf zumindest eine Rolle zu spielen. „Diese Beobachtungen sind sehr interessant, insbesondere in Anbetracht der unter Sportlerinnen und Sportlern verbreiteten Annahme, dass Flüssigkeitsmangel und unzureichende Flüssigkeitsaufnahme beim Ausdauersport das führende Problem seien. Angesichts der geringen Kohortengröße der Pilotstudie sind definitive pathomechanistische Aussagen und Handlungsempfehlungen für den Sport nicht möglich. Weiterführende Studien mit höherer Teilnehmerzahl, insbesondere im echten Rennsetting, sind deshalb in Planung“, schließt Gauckler.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Universität Innsbruck. Hier gehts zur Originalstudie.
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