Der Asthma-Inhalator und Salbutamol gehörten bisher untrennbar zusammen – aber das hat jetzt ein Ende. Lest hier, welche Wirkstoffe seinen Platz einnehmen und was das für eure Patienten bedeutet.
Ein Asthmapatient ohne Salbutamol-Spray war bislang kaum denkbar, quasi wie ein Diabetiker ohne Nadeln. Trotzdem scheint der allbekannte Wirkstoff ausgedient zu haben, denn die neue S2k-Leitlinie zur fachärztlichen Diagnostik und Therapie von Asthma setzt auf Symptom-Prävention mit nachhaltigen und nebenwirkungsärmeren Wirkstoffen, um die Remissionsphase so lange wie möglich auszudehnen. Allein für die Intensivtherapie von Kindern und Jugendlichen mit sehr schwerem Asthma gilt die kontinuierliche Inhalation von Salbutamol (0,5 – 1 mg/kg/Std.) als First-line-Bronchospasmolyse im Falle eines Anfalls.
Bereits vor drei Jahren stellte eine Studie des SABINA-Programms (SABA Use In Asthma) fest, dass ein übermäßiger Gebrauch von Beta-2-Sympathomimetika mit kurzer Wirkdauer (SABA, Short-Acting Beta-2-Agonist) europaweit bei circa einem Drittel der Asthmatiker beobachtet werden konnte. Daraus schlossen die Autoren, dass eine signifikante Anzahl von Asthmatikern „nicht optimal nach den aktuellen Empfehlungen behandelt“ wird.
Als übermäßiger Gebrauch wurde eine Menge von drei Inhalatoren pro Jahr festgelegt. Das Problem bei einer zu häufigen Anwendung der SABA ist, dass sie das Risiko für schwere Exazerbationen unabhängig von einer durchgeführten Erhaltungstherapie erhöhen. Der Krankheitsverlauf bei Asthma wird bei alleinigem Gebrauch von Salbutamol nicht positiv beeinflusst, die Schleimhaut reagiert nur immer sensibler auf Reize. Daraus resultieren dann häufigere Asthmaanfälle. Dass der SABA-Verordnungstrend in Deutschland trotz dieser Erkenntnisse beinahe ungebrochen anhält, zeigt der Arzneiverordnungs-Report 2022. Hier war Salbutamol im Jahr 2021 mit 233,7 Millionen DDD zulasten der GKV sogar der am häufigsten verordnete Wirkstoff gegen obstruktive Atemwegserkrankungen, was lediglich einen Rückgang zum Vorjahr um -0,3 % darstellt.
Die Verordnung von Controller (Dauermedikamente zur Langzeitkontrolle) und Reliever (reine Bedarfsmedikation) wird in der neuen S2k-Leitlinie als nicht mehr sinnvoll bezeichnet. Bei der initialen Therapie eines neu diagnostizierten Asthma bei Erwachsenen, bei dem der tatsächliche Schweregrad noch unbekannt ist, wird die sogenannte Step-down-Therapie der Step-up-Theapie vorgezogen. Diese orientiert sich an einem höheren als dem wahrscheinlichen Schweregrad, damit eine möglichst rasche Asthmakontrolle erzielt wird. Bessern sich die Beschwerden oder wird eine gute Asthmakontrolle erreicht, wird die Intensität der Medikation für die Langzeittherapie stufenweise an den tatsächlichen Schweregrad der Erkrankung angepasst.
Stufenschema Asthma-Medikamente. Credit: ÄZQ – NVL Asthma, 4. Auflage
Zukünftig wird also einer Fixkombination aus einem niedrigdosierten inhalativen Glucocorticoid (ICS) und einem schnellwirksamen Beta-2-Agonisten der Vorzug gegeben. Auf der gleichen Stufe rangiert die Kombination aus einem niedrigdosierten ICS als Langzeittherapie mit einem SABA als Bedarfstherapie.
Salbutamol rutscht damit in der Wichtigkeit bei der Behandlung von Asthmapatienten deutlich nach unten. Vielleicht ist es vor diesem Hintergrund dann zumindest für die Asthmapatienten auch gar nicht mehr so tragisch, dass der Hersteller des Sultanol®-Dosieraerosols, Glaxo Smith Kline, seit Monaten große Lieferschwierigkeiten hat, die noch bis ins kommende Jahr andauern.
Seit der Corona-Pandemie ist die weltweite Nachfrage nach diesem Dosieraerosol mit dem Wirkstoff Salbutamol stark angestiegen, wie die Firma mitteilt, so dass der übliche Bedarf bis ins Jahr 2024 hinein nur eingeschränkt bedient werden kann. Als medizinische Alternative bezieht der Hersteller sich auf die genannten Empfehlungen der aktuellen deutschen Leitlinien, nennt aber das Leitlinien-Stufenschema mit dem Stand von 2020, also SABA (Fenoterol – Reproterol – Salbutamol – Terbutalin) zuerst.
Erst danach folgt die Fixkombination aus ICS niedrigdosiert und Formoterol, also einem FABA, einem raschwirksamen Betamimetikum (Fast-Acting Beta-Agonist). Das ist umso verwunderlicher, als dass die S2k-Leitlinie bereits am 6. März 2023 von den Vorständen der beteiligten Fachgesellschaften und Organisationen verabschiedet und das Informationsschreiben über das BfArm erst im Juni verbreitet wurde.
Bei Patienten wird der Verzicht auf das gewohnte Asthmaspray vermutlich eher schlecht ankommen. Hier empfiehlt sich bei jeder Therapieumstellung das Angebot einer Schulung zum neuen Inhalator durch die pharmazeutische Dienstleistung „Erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Üben der Inhalationstechnik“, die allen Patienten ab dem 6. Lebensjahr angeboten werden kann. Diese kann alle 12 Monate wiederholt werden, um auch sicherzugehen, dass sich im Laufe der Zeit keine Unsicherheiten eingeschlichen haben. So kann direkt an der Compliance gearbeitet werden.
Bildquelle: erstellt mit DALL-E