Kommt jetzt die Rettung der Pflege? Zumindest erste Ideen gibt's: Das Studium soll vergütet, ausländische Fachkräfte schneller integriert werden. Als Leckerli für die ambulante Pflege soll es Frei-Parken in Innenstädten geben.
Deutschland wird älter, Deutschland braucht Pflegeunterstützung – doch die ist nicht in Sicht. Die Zahl an Pflegebedürftigen steigt hierzulande kontinuierlich an. Nach 2,5 Millionen Personen in 2011 sind es 2021 bereits fast doppelt so viele mit 4,96 Millionen. Dass die Branche und ihre Vertreter sich nicht zuletzt durch die angekündigte, aber bis heute nicht umgesetzte Steuerbefreiung von Nacht- und Feiertagszuschlägen, verschaukelt fühlen, machte unter Pflegern weiter Stimmung.
Ein Ende der Entwicklung ist derweil auch nicht in Sicht. „Angesichts hoher Hürden bei der Fachkräfteeinwanderung und sinkender Ausbildungszahlen werden wir den wachsenden Fachkräftemangel in der Pflege nicht stoppen können. Wir müssen lernen, mit weniger Pflegepersonal mehr Pflegebedürftige qualitativ hochwertig zu versorgen“, erklärt der Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege Thomas Greiner.
Und doch besteht akute Hoffnung. So verabschiedete das BMG vergangene Woche das Pflegestudiumstärkungsgesetz (PflStudStG), um Nachwuchs anzulocken. Wichtigster Punkt darin: Die Studenten sollen bereits parallel zum Studium eine angemessene Vergütung erhalten. Außerdem sollen die Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegefachkräfte vereinheitlicht und vereinfacht werden, Möglichkeiten zum Auslandsaufenthalt etabliert und die Digitalisierung vorangetrieben werden.
Einen anderen Weg zur Sicherung der Pflegequalität schlagen die Verbände derweil selbst vor: Das Ende fester Quoten. Laut Greiner gebe es ohnehin keine Belege dafür, dass der Schlüssel ein Qualitätskriterium sei. Viel eher sei Mecklenburg-Vorpommern ein Paradebeispiel, das laut AOK-Qualitätsatlas mit Bestwerten in der Verhinderung von Dekubitus und Krankenhauseinweisungen in Folge von Stürzen glänzte.
Noch frischerer Wind als der des PflStudStG kam am Montag aus Berlin geweht. Dort stellte die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Claudia Moll einen 12-Punkte-Plan vor, um den gröbsten Schaden abzuwenden und den schleichenden Verfall aufzuhalten – wobei dieser weniger geschlichen als polternd daherkommt, hört man die Wehklagen der Branche doch schon seit der Corona-Krise. Folglich kommt neues Geld für die Pflege? Jein. Zunächst einmal ist der Plan ein Plan der Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung. Oder übersetzt: Umverteilung und Jonglieren mit Vorhandenem, denn „es geht nicht immer darum, das Rad neu zu erfinden, sondern unsinnige Dinge abzustellen.“
„Es ist doch Wahnsinn, wenn beispielsweise fünf verschiedene Pflegedienste das gleiche Wohnhaus anfahren. Da brauchen wir bessere Anreize, dass sich Pflegedienste auf bestimmte Gebiete fokussieren und Menschen mit Pflegebedarf auch diesen Dienst beauftragen. Anderseits gibt es Straßen, die gar nicht angefahren werden – nur weil es dort keine freien Parkplätze gibt. Das sind doch Dinge, die man sofort abstellen kann“, erklärt Moll ihren vorgelegten Entwurf.
Man kann verwundert sein, wenn man bedenkt, dass die vom BMG eigens in Auftrag gegebene Studie Mitte des Jahres zu dem Schluss kam, dass es der Wunsch nach angemessener Bezahlung, einer passenden Personaldecke und entsprechender Wertschätzung und Mitspracherechts bedarf, um den Beruf auch perspektivisch attraktiv zu gestalten.
Zurück zum Mollschen Plan. Immerhin wird auch dort – planspieltechnisch – Geld in die Hand genommen – wenn auch nicht in Form von Lohnerhöhungen. Viel eher sollen sich ambulante Pflegedienste über ein bundesweites Sonderparkrecht freuen dürfen. Daneben gehe es in dem Plan darum, Kompetenzen sinnvoll neu zu verteilen und damit Entlastung zu Gunsten der Pflegequalität zu schaffen.
Apropos Kompetenzen: Letztlich soll es auch dem Arztvorbehalt an den Kragen gehen. So sollen die Befugnisse von Pflegern erweitert werden und diese bestimmte Medikamente eigenverantwortlich geben oder Folgeverordnungen für häusliche Krankenpflegeleistungen ausstellen können. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie viel Zeit es kostet, dem Arzt hinterherzutelefonieren, selbst wenn man nur mal eine Paracetamol geben will“, so Moll. Bis es so weit kommt, vergeht allerdings noch Zeit. Derweil ist das Papier eher als „Denkanstoß“ in Form eines Diskussionspapiers formuliert.
Bildquelle: Kathy Marsch, Unsplash