Von Anämie bis Juckreiz: Patienten mit chronischer Nierenerkrankung leiden oft an mehreren Begleiterkrankungen. Worauf ihr bei der Therapie achten solltet, lest ihr hier.
Für Patienten mit chronischer Nierenerkrankung sind die Nebenerkrankungen oft genauso belastend wie die Erkrankung der Niere selbst. Prof. Markus Ketteler, Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie, stellte im zweiten Teil der DocCheck CME-Veranstaltung „CKD-Update: Auf Herz und Nieren geprüft“ drei häufige Begleiterkrankungen vor, die die Lebensqualität von CKD-Patienten oft erheblich einschränken können – und erklärt, wie man sie am besten behandelt.
Ein häufiges Problem bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist die renale Anämie, insbesondere wenn der eGFR unter 60 ml/min abfällt. Dabei sinkt die Produktion des in der Niere gebildeten Erythropoetin, was wiederum die Hämoglobin-Werte (Hb) absinken lässt. Da der Schweregrad der renalen Anämie, gemessen am Hb-Wert, lange Zeit als Risikofaktor für erhöhte Mortalität galt, versuchte man früher, die Hb-Werte in den normalen Bereich anzuheben. Dazu habe man die Patienten früher nur mit Bluttransfusionen behandeln können, meint Prof. Ketteler. „Dann kam mit der Einführung der Erythropoese-stimulierenden Wirkstoffen, den ESA, in den 90ern der Durchbruch.“ Zu den ESA zählt etwa das Darbepoetin alfa, mit denen in Studien der Hb-Wert signifikant gesteigert werden konnte.
Allerdings brachte das den Patienten überhaupt keinen Nutzen, wie große randomisierte Studien zeigten, sondern war sogar mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und Thrombosen assoziiert. Und hier liegt die Krux, meint Ketteler: „Wir müssen uns damit anfreunden, dass wir die Hb-Zielwerte der Normalbevölkerung von 12,0 oder 13,0 g/dl auf unsere Patienten nicht übertragen dürfen.“ Bei CKD-Patienten solle man daher einen Bereich von 10,0 bis 11,5 g/dl anstreben, der Wert dürfe aus genannten Gründen niemals über 13 steigen. Bei Eisenmangel und zur Unterstützung der ESA sei es auch notwendig, Eisen zu substituieren. Dies wird meist intravenös statt oral verabreicht, da aufgrund erhöhter Hepcidinspiegel die orale Substitution weniger effektiv ist.
Als „spannende Alternative“ nennt Ketteler die oral verfügbaren ESA, die sogenannten HIF-Stabilisatoren, wie etwa das Roxadustat. Es wurde erst 2021 zugelassen und hat einen zusätzlichen Effekt auf die Eisenresorption. Hier müsse man laut Ketteler allerdings den Stellenwert in der therapeutischen Praxis zur Korrektur der renalen Anämie erst noch abwarten.
Funktioniert das Multitalent Niere nicht mehr richtig, bringt das auch das Gleichgewicht verschiedener Mineralstoffe im Körper durcheinander. Es kommt zu CKD-bedingten Mineral-, Knochen- und Gefäßveränderungen (chronic kidney disease – mineral and bone disorder (CKD-MBD)). Langfristig führt das zu Gefäßverkalkung und Knochenanomalien.
Im Labor sind bei CKD-Patienten oft erhöhte Parathormon-Spiegel (PTH) messbar. Der Hyperparathyreoidismus beruht dabei auf einer länger andauernden Hypokalzämie, oft vergesellschaftet mit einem Vitamin-D-Mangel. Was also tun? „Es darf nicht das alleinige Ziel sein, erhöhte PTH-Werte zu senken“, meint Ketteler. Das Problem bei fortgeschrittenem CKD sei nämlich, dass ein optimaler PTH-Spiegel gar nicht definiert ist. Um die PTH-Werte korrekt beurteilen zu können, müsse man immer auch einen Blick auf Kalzium und Phosphat werfen und diese Werte anpassen.
Ein Vitamin-D-Mangel sollte mit den für die Allgemeinbevölkerung empfohlenen Strategien korrigiert werden. Aber Vorsicht: Bei der Therapie mit aktiven Vitamin-D-Analoga besteht laut Ketteler die Gefahr für Hyperkalzämien und Hyperphosphatämien, weswegen man besser zu ER-Calcifediol (extended release, ERC) greifen sollte. ERC führte in Studien mit Prädialyse-Patienten nur zu minimalen Veränderungen im Serum-Kalzium und -Phosphat.
Als letzten Punkt nennt Prof. Ketteler den CKD-assoziierten Pruritus. Das Problem sei unter CKD-Patienten weiter verbreitet als viele Ärzte meinen, so Ketteler: Laut einer Studie sind rund ein Viertel der nicht-dialysepflichtigen Patienten im fortgeschrittenen Stadium betroffen. Unter Dialyse-Patienten ist er noch häufiger. „Der Juckreiz ist zwar nicht lebensbedrohlich“, meint der Nephrologe. „Aber er kann die Lebensqualität so stark beeinträchtigen, dass die Patienten sterben wollen!“ Von Patienten in der Hämodialyse berichten immerhin 30 % davon, dass sie der Juckreiz sehr stark oder extrem stört. Aber nicht nur das: Pruritus-Patienten müssen auch häufiger hospitalisiert werden und haben eine geringere Lebenserwartung.
Die Therapie von CKD-assoziiertem Pruritus ist herausfordernd – das mag auch daran liegen, dass die genaue Pathophysiologie nach wie vor nicht geklärt ist. Neben regelmäßiger Hautpflege kommen bei leichtem Juckreiz oft Antihistaminika zum Einsatz, die allerdings meist nur eine begrenzte Wirksamkeit zeigen. Mögliche Therapieoptionen bei ausgeprägtem Juckreiz sind Gabapentin und Pregabalin.
Ketteler macht darauf aufmerksam, dass es seit 2022 eine spezifische Therapie für CKD-assoziierten Pruritus gibt: Difelikefalin ist ein selektiver Kappa-Opioidrezeptor-Agonist (KOR), der dialysepflichtigen Patienten verabreicht werden kann. Das Mittel zeigt eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit und wird inzwischen auch in der S2k-Leitlinie empfohlen. Zum Schluss gibt der Experte seinen ärztlichen Kollegen noch einen Tipp an die Hand: „Die Patienten erwähnen oft nicht, dass sie an Juckreiz leiden. Fragen Sie also Ihre Patienten gezielt danach.“ Mit entsprechenden Fragebögen könne man den Pruritus dann leicht evaluieren, die Therapie starten und die Lebensqualität der Patienten verbessern.
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