Bluthochdruck und Demenzrisiko, die Vorteile salzreduzierter Ernährung und Gestationshypertonie – es gibt spannende Neuigkeiten aus der Kardiologie. Meine 3 Highlights vom Kongress der American Heart Association.
Bei den diesjährigen Scientific Sessions der American Heart Association wurden wieder viele spannende Erkenntnisse aus der kardiologischen Forschung präsentiert. Hier mein schneller Überblick für euch.
In einer Studie (China Rural Hypertension Control Project) untersuchten die Forscher die Wirksamkeit einer Blutdrucksenkung auf das Demenzrisiko bei Menschen mit hohem Blutdruckwerten. Die Studie wurde in 326 Dörfern im ländlichen China durchgeführt. Eingeschlossen waren rund 34.000 Erwachsene im Alter von 40 Jahren und älter mit einem unbehandelten Blutdruck von 140/90 mmHg oder höher als 130/80 mmHg mit einem hohen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder bestehender Blutdruckmedikation. Die Intervention bestand aus einem stufenweisen Behandlungskonzept, in dem kommunales Gesundheitspersonal unter Überwachung von Ärzten die Therapie durchführte, die Compliance überwachte und die Patienten bezüglich Lebensführung und Blutdruckselbstkontrolle schulte.
Das Ziel war eine Blutdruckeinstellung auf Werte unter 130/80 mmHg. Die im Schnitt 63-jährigen Studienpatientenen wiesen zu Beginn der Studie systolische Blutdruckwerte von im Median 156 mmHg auf. Die Behandlung erfolgte über einen Zeitraum von vier Jahren. Im Anschluss erfolgte ein neurologisches Assessment von Fachärzten, die nach kognitivem Abbau und Demenzsymptomen suchten. In der Interventionsgruppe wurde ein Blutdruck von 128/73 mmHg erreicht, im Vergleich zu 148/81 mmHg in der Kontrollgruppe. 68 % vs. 15 % erreichten den Zielblutdruck unter 130/80 mmHg, wobei im Schnitt 3 versus 1,2 Medikamente eingenommen wurden. Die Compliance war in der Interventionsgruppe mit 88 % vs. 66 % höher. Die Blutdruckkontrolle reduzierte das jährliche Demenzrisiko signifikant um 15 % von 1,31 % auf 1,12 %, und das Risiko für einen kognitiven Abbau, der nicht bis zur Demenz führte, um 16 % von 5,02 % auf 4,19 %. Schwere Nebenwirkungen traten in der Interventionsgruppe seltener auf (9,16 % vs. 9,86 %).
Von besonderem Interesse war eine Subgruppen-Analyse, welche die Teilnehmer im Alter von 69 Jahren und jünger sowie solche im Alter von 70 Jahren und älter untersuchte. Bei den jüngeren Hochdruck-Patienten betrug die relative Risikoreduktion für eine Demenzentwicklung 22 %, bei den älteren nur 7 %. Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, eine antihypertensive Therapie rechtzeitig zu beginnen, bevor es zu einer Organschädigung kommt. „In Abwesenheit einer kurativen Therapie hat die Primärprävention der Demenz durch die Behandlung von Risikofaktoren hohe Priorität“, erklärte Prof. Jiang He vom Translational Science Institute der Tulane University in New Orleans. Bisher wissen wir lediglich aus Beobachtungsstudien, dass bei unbehandelter Hypertonie ein erhöhtes Demenzrisiko besteht, welches durch Blutdruckkontrolle reduziert wird. Die randomisierte Langzeitstudie konnte zeigen, dass eine gute Blutdruckkontrolle vor kognitivem Abbau und Demenz schützen kann. Der Effekt war moderat, aber eine Subgruppe profitierte überproportional.
In der CARDIA-SSBP-Studie ging es insbesondere um die Salzsensitivität des Blutdrucks (Salt Sensitivity Of Blood Pressure, SSBP), also um Veränderungen des Blutdrucks in Relation zur Veränderungen der Salzzufuhr. Eine US-Forschergruppe hatte die Blutdruckwerte der Probanden bei gewohnter Ernährung sowie bei natriumreicher bzw. natriumarmer Kost gemessen und verglichen. Bei Einhaltung ihrer normalen Ernährungsgewohnheiten hatten sie einen medianen systolischen Blutdruck von 125 mmHg. Die Umstellung auf eine natriumreiche Kost für eine Woche hatte mit einem Anstieg auf 126 mmHg so gut wie keinen Effekt auf den Blutdruck. Wurde dann aber auf eine einwöchige natriumarme Kost umgestellt, reduzierte sich der mediane systolische Blutdruck auf 119 mmHg. Am Ende der ersten Woche mit natriumarmer Kost betrug die Differenz zur Phase mit natriumreicher Kost beim systolischen Blutdruck im Schnitt 8 mmHg (95 % Konfidenzintervall: 4–11 mmHg; p < 0,001). Dieser Unterschied entspreche laut der Studienautoren dem, was mit einem First-Line-Antihypertensivum wie Hydrochlorothiazid (12,5 mg) an Blutdrucksenkung erreichbar sei.
Anhand der 24-Stunden-Natriumausscheidung im Urin ermittelten Gupta und sein Forscherteam, dass die Natriumzufuhr bei den Teilnehmern schon zu Beginn mit im Mittel 4,45 g pro Tag sehr hoch war. Nach Umstellung auf natriumreiche Kost in Form von zusätzlichem Konsum von täglich zwei Päckchen Hühnerbouillon stieg sie auf 5 g pro Tag. In der Phase mit natriumarmer Kost, in der mithilfe standardisierter und gelieferter natriumreduzierter Mahlzeiten die Natriumzufuhr eigentlich auf 500 mg täglich gesenkt werden sollte, betrug sie tatsächlich 1,27 g pro Tag. An der Cross-over-Studie CARDIA-SSBP nahmen 213 Personen (mittleres Alter 61 Jahre, 63 % Frauen, 67 % Afroamerikaner) teil. Bei ihnen bestand entweder ein normaler Blutdruck (25 %), eine kontrollierte arterielle Hypertonie (20 %), eine unkontrollierte arterielle Hypertonie (31 %) oder ein unbehandelter Bluthochdruck (25 %).
Der Wechsel zur natriumarmen Kost führte bei 75 % aller Studienteilnehmer zu einer Reduktion des systolischen Blutdrucks. Bei etwa jedem zweiten dieser Teilnehmer betrug die Blutdruckreduktion nach Natriumrestriktion 5 mmHg oder mehr, womit das Kriterium für Salzsensitivität erfüllt war. Die Blutdruckveränderungen als Reaktion auf die veränderte Natriumzufuhr waren unabhängig vom Hypertoniestatus der Teilnehmer sowie davon, ob Antihypertensiva eingenommen wurden oder nicht, betonte Gupta. Die CARDIA-SSBP Studie belegt einmal mehr, dass die Salz- bzw. Natriumzufuhr Auswirkungen auf den Blutdruck hat. Die Frage ist aber, ob die unter kontrollierten Studienbedingungen mit extern zubereiteten und gelieferten Mahlzeiten für sehr kurze Zeit realisierte Natriumrestriktion so auch auf Dauer unter Alltagsbedingungen umsetzbar ist. Zwar wies Gupta darauf hin, dass alle in der Studie verwendeten Lebensmittel für jedermann käuflich seien. Es ist allerdings fraglich, ob sich die Studienergebnisse ohne weiteres im Alltagsleben reproduzieren lassen.
Im Fokus der POP-HAT-Studie (Physician Optimised Post-Partum Hypertension Treatment) stand der Einfluss der Blutdruckkontrolle bei Frauen mit Hypertonie in der Schwangerschaft im Sinne einer Präeklampsie oder Gestationshypertonie. Geklärt werden sollte, ob ein von ärztlicher Seite optimiertes häusliches Selbstmanagement des Blutdrucks nach der Geburt bezüglich der Blutdruckkontrolle nach sechs Monaten von Vorteil im Vergleich zur üblichen Versorgung (Usual Care) war. An der Studie nahmen 220 Frauen teil, bei denen entweder ein Schwangerschaftshochdruck oder eine Präeklampsie bestanden hatte und die bei Entlassung antihypertensive Medikamente benötigten. Die eine Hälfte der Frauen wurde standardmäßig versorgt. Sie erhielten die Empfehlung zur Vorstellung beim ambulanten Arzt nach spätestens zehn Tagen mit dann individuellem, nicht weiter überwachtem therapeutischem Vorgehen. Die zweite Hälfte wurde engmaschig an ein Telemedizinzentrum angebunden. Es erfolgte eine tägliche, teils zweimal tägliche Übertragung der Blutdruckwerte für eine optimale Aufdosierung der Medikamente mit einer danach weiteren telemedizinischen Anbindung über die Folgemonate.
Der primäre Endpunkt der Studie war der systolische Blutdruck nach neun Monaten. Es wurden außerdem Lebensstilparameter erhoben, darunter Aktivität und Ernährung. Nach neun Monaten war der Blutdruck in der Interventionsgruppe signifikant niedriger, nämlich in der 24-Stunden-Messung im Mittel 114/71 mmHg, gegenüber 120/77 mmHg in der Kontrollgruppe. Zu Studienbeginn lag die Interventionsgruppe bei 119/74 mmHg und die Kontrollgruppe bei 117/72 mmHg. Statistisch war der mittlere Unterschied von 5,8 mmHg systolisch hoch signifikant (p < 0,001). Das änderte sich auch nicht bei einer präspezifizierten Sensitivitätsanalyse, die für den Blutdruck vor der Geburt adjustierte. Es zeigten sich auch keine Unterschiede zwischen Frauen mit Schwangerschaftshochdruck und solchen mit Präeklampsie.
Bemerkenswert war, dass sich diese Werte neun Monate nach der Geburt nicht mehr auf die zu diesem Zeitpunkt eingenommene Medikation zurückführen ließen. In beiden Gruppen nahmen zum Zeitpunkt des 9-Monats-Follow-ups nur noch etwa 12 % der Frauen eine antihypertensive Medikation ein. Der Unterschied blieb auch bestehen, wenn nur jene knapp 90 % der Frauen ausgewertet wurden, die keine Medikamente mehr nahmen. Zum Zeitpunkt des 6-Wochen-Follow-up lag die Quote der Medikation in beiden Gruppen noch bei 30 %. Direkt nach der Krankenhausentlassung war die Intensität der antihypertensiven Therapie in der Interventionsgruppe deutlich höher als in der Kontrollgruppe: Eine Woche nach Entlassung nahmen die Frauen im Mittel 1,5 (Interventionsgruppe) bzw. 0,7 (Kontrollgruppe) definierte Tagesdosen ein (p = 0,01).
Die Frage, die die POP-HT-Studie zu klären versucht ist, ob eine intensivierte Hochdrucktherapie post partum bei Frauen mit entsprechender Schwangerschaftsanamnese langfristig präventiv ist. „Dies ist die erste Studie, die Evidenz dafür liefert, dass eine Blutdruckintervention in den ersten Wochen nach einer Schwangerschaft längerfristigen Nutzen haben kann“, sagte Studienleiter Dr. Jamie Kitt von der Universität Oxford. In jedem Fall zeigt die POP-HT Studie, dass die Frauen auch unabhängig vom möglichen langfristigen Nutzen klinisch vom Telemonitoring mit Therapieintensivierung profitieren könnten. Nur 7 % der Frauen in der Interventionsgruppe, jedoch 27 % in der Kontrollgruppe, wurden in den ersten 14 Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus erneut stationär aufgenommen (p < 0,001).
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