Die Zahl der öffentlich geführten Kliniken hat sich in den letzten Jahren halbiert. Dafür boomen von Investoren geführte Häuser. Kann Lauterbach sein Versprechen halten und die Privatisierung stoppen?
Viele Kliniken können ihren Angestellten in diesem Jahr aus eigenen Mitteln keine Weihnachtsgehälter auszahlen, so das kürzlich vorgestellte Ergebnis einer DKG-Umfrage. Zwar werden die Mittel nun berappt, doch sind dafür eigene Kredite bei Banken oder Sonderzuschüsse von den Trägergesellschaften notwendig. Ein Symbolbild für die Situation, wenn man die Klagen aus den Häusern hört.
„Die Kliniken sehen sich wie nie zuvor mit riesigen Herausforderungen durch Demografie, Personalmangel und Finanznöte konfrontiert. Dies erfordert mehr denn je effiziente Strukturen in der stationären Versorgung zu schaffen. Für die dazu nötigen Reformen besteht eine hohe Veränderungsbereitschaft bei den Kliniken“, erklärte der Präsident des Verbands leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (VLK), PD, Dr. Michael A. Weber.
Entsprechend wenig verwunderlich sind die DKG-Ergebnisse, wonach 43 % aller Kliniken ihre gegenwärtige Lage als schlecht – 24 % sie sogar als sehr schlecht einstufen. Zwar sind die Probleme vor denen die Häuser stehen nun nicht aus heiterem Himmel gekommen, dennoch sind es für rund 90 % die Zusatzbelastungen durch Kostensteigerungen in allen Bereichen, die Probleme bereiten.
„Nach der Corona-Pandemie, einer massiv gestiegenen Inflation ohne hinreichenden Inflationsausgleich, den anstehenden Tariferhöhungen und einer seit Jahrzehnten zu niedrigen Investitionsförderung trifft es viele Häuser jetzt besonders hart. So darf es nicht weitergehen“, sagt Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD).
Unter dem Strich stehen die Krankenhäuser in Deutschland bei einem prognostizierten Defizit von rund 10 Milliarden Euro. Unisono gehen die Krankenhausverteter davon aus, dass im kommenden Jahr eine weitere große Insolvenzwelle auf die Häuser zukommen wird, wenn es nicht 1. kurzfristige finanzielle Unterstützung gibt und 2. die gesamte Struktur in absehbarer Zeit in Form gegossen wird.
Als Folge aus den Insolvenzen folgt jedoch nicht nur die Gefahr der Abwicklung, Schließung und entsprechenden regionalen Unterversorgung. Ein möglicher Weg für bedrohte Häuser ist die Suche nach privaten Investoren – ein Weg, der insbesondere nicht in Lauterbachs Sinne sein kann, der nie müde wird, sein Credo von der Trennung von Wirtschaft und Gesundheit auszurufen. Dass die Entwicklung mit Blick auf die vergangenen 30 Jahre ohnehin in Gange ist, macht die Arbeit für den Bundesminister nicht kleiner. So sind die Gesamtzahlen an Kliniken von 1991 zu heute zwar von 2.411 auf 1.893 (2022) Häuser geschrumpft – und davon auch die Anzahl derer in öffentlicher Hand 1.110 auf 524 (2019) sowie der Freigemeinnützigen 943 auf 645. Auf der anderen Seite verdoppelten sich die Privaten von 358 auf 724 (2019).
Credits: Reimbursment. Institute
Um den Entwicklungen von Privatisierung und Kliniksterben vorwegzugreifen, bedarf es nun Geld – und das akut. Von den prognostizierten 10 Milliarden stellte der Bund zuletzt 6 Milliarden in Aussicht. Laut DKG rechnet man jedoch gar mit nur 2,4 Milliarden, die ankommen und für entsprechende Sicherungszwecke eingesetzt werden können. Der Haken an der Sache: Die Hilfen sind an das Krankenhaustransparenzgesetz gekoppelt, über das diesen Freitag in einer Bund-Länder-Runde abgestimmt wird. Wie wichtig die kurzfristigen Hilfen sind, erklärt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG: „Wir fordern, dass diese Liquiditätshilfen vom Krankenhaustransparenzgesetz abgekoppelt und Bestandteil eines umfassenden Vorschaltgesetzes werden. Wenn dies nicht schnellstmöglich auf die Beine gestellt wird, laufen wir Gefahr, dass wir im kommenden Jahr extreme Versorgungslücken haben werden. Mit tiefgreifenden Folgen für die Bürgerinnen und Bürger.“
Rückendeckung erhalten die Krankenhausärzte derweil von anderer politischer Seite. So startete NRW eine Bundesratsinitiative zur kurzfristigen finanziellen Unterstützung der Kliniken, der sich bereits drei weitere Bundesländer (Bayern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein) anschlossen. Deren Hauptforderung: Die Bundesregierung solle dafür sorgen, dass die Kostenträger (gesetzliche und private Krankenversicherungen) die zugesagte Tarifsteigerungen des Personals übernähmen.
„Es besteht die konkrete Gefahr, dass die Reform der Krankenhausfinanzierung für viele Kliniken zu spät kommen wird. Vielleicht ist der eine oder andere sogar ganz froh, dass es durch Krankenhausinsolvenzen eine Marktbereinigung gibt. Das ist aber zu kurz gedacht”, warnt Minister Laumann.
Ebenfalls im Forderungspapier der Länder enthalten: Ein Notfallprogramm mit dem die Häuser in den kommenden Monaten zumindest die Betriebskosten abdecken können. Einen Gedanken an die potenziellen Kosten für eine Transformation der Strukturen hat dabei noch keiner verloren – was ohnehin unisono von ärztlicher wie politischer Seite als größte offene Baustelle für den gesamten Reformprozess angesehen wird.
Wie die morgige Abstimmung und Diskussion in der Bund-Länder-Runde ausgeht, erfahrt ihr brandaktuell in unserem morgigen News-Ticker.
Bildquelle: Erstellt mit Midjourney