Die US-Arzneimittelbehörde gibt grünes Licht für einen Impfstoff gegen Chikungunya. Auch der EMA liegt nun ein Antrag auf Zulassung vor – dabei gibt’s noch gar keine klinischen Daten.
Eigentlich handelt es sich um alte Bekannte: Forscher haben Chikungunya-Viren erstmals 1952 im heutigen Tansania nachgewiesen. Die Erreger werden in erster Linie von Mücken der Gattung Aedes, insbesondere Aedes aegypti und Aedes albopictus, übertragen. So weit – so bekannt.
Aedes albopictus, eine Stechmücke, kann Chikungunya-Viren übertragen. Credit: CDC/James D. Gathany, CC0
Nur war der Druck auf forschende Hersteller, einen Impfstoff zu entwickeln, nicht sonderlich groß. Denn das Chikungunya-Fieber verläuft selten tödlich. Und es hat Europa oder Nordamerika noch nicht erobert; typische Endemie-Gebiete sind Afrika, Südostasien, der indische Subkontinent und Inseln im indischen Ozean.
Durch den Klimawandel könnte sich das aber schon recht bald ändern. „In Deutschland breitet sich … die Asiatische Tigermücke (Ae. albopictus) immer weiter aus“, schreibt das Robert-Koch-Institut. „Sie kann grundsätzlich exotische saisonale Krankheitserreger wie das Chikungunya-, Dengue- oder Zika-Virus auf Menschen übertragen, wenn sie diese Viren zuvor von infizierten Reiserückkehrenden aus Endemiegebieten aufgenommen hat.“ Mit steigenden Temperaturen steigt also auch das Risiko vor Ort erworbener Infektionen.
Obwohl Infektionen mit dem Chikungunya-Virus selten tödlich verlaufen, verursachen sie bei bis zu 40 Prozent der Patienten Fieber und teils starke Gelenkschmerzen. Die Symptome klingen nach einigen Tagen bis Wochen meist wieder ab. In seltenen Fällen kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen, vor allem bei älteren Menschen oder bei Patienten mit Vorerkrankungen. Auch langfristige Arthralgien sind bekannt.
Maßnahmen zur Kontrolle der Vektoren haben bisher nicht zum Erfolg geführt. Umso erstaunlicher ist, dass es bislang keine zugelassenen Vakzine gab. Vor mehr als fünf Jahrzehnten, im Jahr 1971, stellte die US-Armee einen Chikungunya-Impfstoff auf Basis chemisch inaktivierter Viren her, der Affen schützte. Er wurde sogar in einer kleinen Studie am Menschen getestet. Aber das Militär hatte damals wenig Bedarf – und Forscher verfolgten die Sache nicht weiter. Andere Projekte blieben ebenfalls erfolglos. Doch das Blatt hat sich nun gewendet.
Anfang November gab die FDA grünes Licht für den lebend-attenuierten Impfstoff IXCHIQ® (VLA1553) zur Vorbeugung einer durch das Chikungunya-Virus verursachten Erkrankung. Dabei handelt es sich um ein gentechnologisch abgeschwächtes Virus. Auch bei der EMA hat Valneva einen Zulassungsantrag gestellt.
Grundlage der US-Zulassungen ist eine Phase-III-Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit; Mitte 2023 haben die Forscher die Ergebnisse in The Lancet veröffentlicht. Eingeschlossen wurden 4.128 Teilnehmer. Von ihnen erhielten 3.093 das Vakzin und 1.035 ein Placebo. VLA1553 führte 28 Tage nach der Impfung bei 263 von 266 Teilnehmern in der Verum-Gruppe zu seroprotektiven, neutralisierenden Antikörper-Spiegeln gegen das Chikungunya-Virus, unabhängig vom Alter.
Doch die Studie hat zwei entscheidende Schwächen. Antikörper-Titer sind nur Surrogat-Parameter für den Schutz gegen Infektionen. Klinische Daten haben die Forscher nicht erhoben. Außerdem fand die Studie in den USA statt, also in einer Region, in der Chikungunya nicht endemisch ist. In Endemie-Gebieten hatten Menschen vor einer Impfung vielleicht schon Kontakt zum Virus. Wie wird ihr Immunsystem dann reagieren? Solche Fragen lassen sich erst durch Real-World-Daten beantworten. Ob der Hersteller seine Zulassung langfristig behält, hängt vom Nachweis eines klinischen Nutzens ab.
„Jetzt müssen wir in die entsprechenden Gespräche und behördlichen Genehmigungen investieren, um den Impfstoff nicht nur für wohlhabende Reisende verfügbar zu machen“, sagt Timothy Endy von der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI). Die CEPI versucht in Form von öffentlich-privaten Partnerschaften, Menschen in einkommensschwachen Ländern mit Impfstoffen zu versorgen. Zu den Partnern zählen Regierungen, Forschungsinstitute, die WHO und Geldgeber aus der Privatwirtschaft.
Mittlerweile gibt es Vereinbarungen zwischen Valneva und dem brasilianischen Instituto Butantan, um den Impfstoff in Ländern mit geringem Pro-Kopf-Einkommen zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Dazu gehören laut Endy Brasilien und Paraguay, in denen in diesem Jahr 75 Prozent aller weltweit 440.000 gemeldeten Chikungunya-Fälle aufgetreten sind. Ein Vertreter von Valneva sagte, dass der Impfstoff in den USA wahrscheinlich etwa 350 Dollar pro Dosis kosten werde. Obwohl der ermäßigte Preis für einkommensschwache Länder noch nicht feststeht, rechnet Endy mit etwa zehn bis 20 Dollar pro Dosis – warten wir ab.
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