Leuchtende Fische in der Herzinfarkt-Forschung? Wissenschaftler untersuchten jetzt die Herzen von Fischen, die sich nach Schäden vollständig regenerieren können. Lest hier, ob das im menschlichen Körper auch möglich ist.
Anders als beim Menschen können sich Zebrafisch-Herzen nach Schäden vollständig regenerieren. Dafür sorgt das Zusammenspiel zwischen Nerven- und Immunsystem, wie Forscher um Suphansa Sawamiphak vom Max Delbrück Center jetzt im Fachjournal Developmental Cell schreiben.
Mehr als 300.000 Menschen erleiden in Deutschland jedes Jahr einen Herzinfarkt. Zwar ist die Zahl der Todesfälle deutlich zurückgegangen, doch die Herzen von Überlebenden tragen irreparable Spuren davon. Bisherige Versuche, derart geschädigte Herzen beispielsweise mit Stammzellen zu behandeln, waren wenig erfolgreich.
Das Team um Dr. Suphansa Sawamiphak, Leiterin der Arbeitsgruppe kardiovaskulär-hämatopoetische Interaktion am Max Delbrück Center betrachtet das Geschehen von einer anderen Seite aus. „Wir wissen, dass bei der Vernarbung und der Regeneration Signale des autonomen Nervensystems ebenso wie das Immunsystem eine wichtige Rolle spielen“, sagt Sawamiphak. „Es liegt daher nahe, dass sich in der Kommunikation zwischen autonomem Nervensystem und Immunsystem entscheidet, ob der Herzmuskel vernarbt oder ob er sich erholen kann.“
Bekannt ist außerdem, dass Makrophagen bei beiden Prozessen eine Rolle spielen. Doch wie kommt es zu der Entscheidung? Um dieser Frage nachzugehen, untersuchen die Forscher Zebrafischlarven: Sie lassen sich leicht verändern und sind zudem durchsichtig, sodass sich Vorgänge im Körperinneren am lebenden Tier beobachten lassen. „Außerdem sind sie in der Lage, ein geschädigtes Herz vollständig zu regenerieren“, sagt Onur Apaydin, Erstautor der Studie.
Die Forscher untersuchten Zebrafisch-Larven, deren Herzmuskelzellen eine fluoreszierende Substanz bilden und sich dadurch im Mikroskop leicht ausfindig machen lassen. Dann verursachten sie im Herzen der Fischlarven eine Verletzung, die einem Infarkt ähnelt und blockierten verschiedene Rezeptoren auf der Oberfläche der Makrophagen. Das Ergebnis: Adrenerge Signale aus dem autonomen Nervensystem entscheiden, ob sich Makrophagen vermehren und in verletzte Stellen einwandern. Gleichzeitig waren diese Signale wichtig für die Regeneration von Herzmuskelgewebe.
Im nächsten Schritt züchteten die Forscher genetisch veränderte Zebrafische, bei denen das adrenerge Signal die Makrophagen zwar erreicht, aber nicht vom Rezeptor in das Zellinnere weitergeleitet werden kann. „Dabei hat sich gezeigt, dass die Signalweitergabe entscheidend dafür ist, dass sich das Herz regenerieren kann“, sagt Apaydin. Ist die Signalweitergabe unterbrochen, kommt es stattdessen zur Vernarbung. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass hier eine entscheidende Schaltstelle für die Kommunikation zwischen Nervensystem und Immunsystem liegt“, sagt Apaydin. Werden Makrophagen durch die adrenergen Signale des autonomen Nervensystems aktiviert, kommunizieren sie wiederum mit Fibroblasten. Fibroblasten-Typen, die die Regeneration unterstützen, verändern die extrazelluläre Matrix an der beschädigten Stelle. Dadurch entsteht letztlich eine Umgebung, in der Blut- und Lymphgefäße wachsen können und neue Herzmuskelgefäße entstehen. Ist das Signal dagegen blockiert, wandern solche Fibroblasten ein, die für Vernarbung sorgen – ähnlich wie man es vom menschlichen Herzen nach einem Infarkt kennt.
„Im nächsten Schritt wollen wir untersuchen, worin sich die Signalübertragung bei Zebrafisch und Mensch im Detail unterscheidet“, sagt Sawamiphak. „Das hilft uns zu verstehen, weshalb das Herzmuskelgewebe beim Menschen nicht regeneriert.“ Das Team hofft auf diese Weise Angriffspunkte zu finden, um bei Infarktpatienten das Zusammenspiel zwischen Nervensystem und Immunsystem derart zu beeinflussen, dass Herzmuskelgewebe nachwachsen kann und die Funktion des Herzens erhalten bleibt.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Max-Delbrück-Zentrums für Molekulare Medizin in der Helmholz Gesellschaft. Hier gehts zur Originalpublikation.
Bildquelle: erstellt bei Midjourney