Erstmals wurden CAR-T-Zellen erfolgreich für die Behandlung von Myasthenia gravis eingesetzt. Mehr dazu erfahrt ihr hier.
An der Universitätsmedizin Magdeburg wurde eine schwer an Myasthenia gravis erkrankte 34-jährige Patientin weltweit erstmals mit der neuartigen CAR-T-Zell-Therapie im Rahmen eines individuellen Heilversuchs erfolgreich behandelt. Das Ärzteteam unter der Leitung von Prof. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie Magdeburg, und Prof. Aiden Haghikia, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie Magdeburg, hat den Fall nun vorgestellt.
Die CAR-T-Zell-Therapie wird bisher vor allem bei der Behandlung von Blut- und Lymphdrüsenkrebs eingesetzt. Die aktuellen Ergebnisse der Magdeburger Gruppe wurden in dem Fachjournal Lancet Neurology veröffentlicht. Bereits Ende 2021 berichtete Mougiakakos als Erstautor im New England Journal of Medicine über eine junge Patientin mit Systemischen Lupus Erythematodes, die unter seiner Beteiligung weltweit erstmalig erfolgreich mit CAR-T-Zellen behandelt werden konnte.
Gelähmte Augenlider, Doppelbilder, Muskelschwäche in Armen und Beinen bis hin zu Schluck- und Atembeschwerden – all das sind typische Symptome der seltenen neurologischen Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis. Haghikia erklärt: „Mehrmals im Jahr musste unsere Patientin aufgrund von schweren Krankheitsschüben intensivmedizinisch im Krankenhaus behandelt werden und eine künstliche Beatmung war wiederholt notwendig. Verschiedene immununterdrückende Therapien waren nur unzureichend wirksam.“
Die Mutter von vier Kindern erzählt: „Vor der Therapie habe ich mich extrem schlecht gefühlt und war regelrecht verzweifelt. Insbesondere in den letzten fünf Jahren ging es mir sehr schlecht. Zwei Jahre vor meiner Behandlung wurde ich zum Pflegefall und war auf eine Gehhilfe angewiesen. Ich saß im Rollstuhl und konnte nichts mehr alleine machen. Bei meinem letzten Krankenhausaufenthalt im Jahr 2021 hatte sich mein Zustand dermaßen verschlechtert, dass ich in die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Magdeburg verlegt werden musste. Haghikia und sein Ärzte-Team der Neurologie haben sich sehr um mich gekümmert und ich habe nach meinem regelrechten Ärztemarathon wieder Vertrauen zu Ärzten gewonnen. Seit Beginn meiner CAR-T-Zell-Therapie bei Prof. Mougiakakos und Prof. Haghikia im Mai 2023 geht es mir Woche für Woche besser. Eine Gehhilfe benötige ich nicht mehr und ich gehe zuversichtlich durchs Leben, insbesondere weil ich inzwischen alles alleine erledigen kann. Ich bin sehr glücklich darüber und den Ärzten sehr dankbar."
Mougiakakos erklärt das Prinzip der CAR-T-Zell-Therapie: „Der Patientin wurden zunächst ihre eigenen T-Zellen – eine Schlüsselkomponente des Immunsystems – entnommen und genetisch zu sogenannten chimären Antigenrezeptor-(CAR-)T-Zellen reprogrammiert. Diese erkennen ein bestimmtes Eiweiß auf der Oberfläche von B-Zellen und zerstören sie dann. Anschließend haben wir dieses ‚lebende Medikament’ der Patientin als Infusion verabreicht. Nach kurzer Zeit waren alle B-Zellen, auch die schädlichen, eliminiert und die Therapie wurde sehr gut vertragen“. Haghikia betont: „Nach der stationären Überwachungsphase konnten wir die Patientin zügig entlassen. Die klinischen Symptome verbesserten sich rasch und wir konnten ihre bisherige Dauertherapie, die das Immunsystem abschwächt, ausschleichen.“
Mougiakakos spricht von einem möglichen immunologischen „Neustart“, der durch die CAR-T-Zelltherapie ausgelöst wird, da die B-Zellen mittlerweile zurückgekehrt sind, diese jedoch keine Autoantikörper zu produzieren scheinen und die Patientin damit krankheitsfrei verbleibt. Die Autoren erklären in der gemeinsamen Schlussfolgerung, dass dieser Ansatz einzigartig sei, weil er als einmalige Intervention konzipiert ist, um ein lang anhaltendes, medikamentenfreies, vielleicht dauerhaftes Nachlassen bzw. Verschwinden von Krankheitssymptomen zu erreichen. Dieser Ansatz könnte eine neue Ära der Behandlung von neurologischen Autoimmunkrankheiten einläuten.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universitätsmedizin Magdeburg. Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt.
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