Erstmals untersuchten Forscher die weltweite Häufigkeit von Multimorbidität bei Herzinsuffizienz. Welche Auswirkungen das auf die Arzneimitteltherapie und die Prognose hat, lest ihr hier.
Patienten mit Herzinsuffizienz haben oft mehrere Begleiterkrankungen. Treten mehr als zwei Erkrankungen gleichzeitig auf spricht man von Multimorbidität. Die Häufigkeit von Multimorbidität bei akuter Herzinsuffizienz liegt zwischen 43 % und 98 %, variiert aber je nach geografischer Region. Frühere Berichte über die Auswirkungen von Multimorbidität bei Herzinsuffizienz bezogen sich auf eine begrenzte Anzahl von Ländern, vorwiegend aus Westeuropa, Asien und Nordamerika oder basierten auf Populationen, die an klinischen Studien teilnahmen, bei denen Patienten mit Komorbiditäten wie schwerer Niereninsuffizienz oder Krebs in der Regel ausgeschlossen waren. In einer im November 2023 im Journal The Lancet Global Health veröffentlichten Analyse unter der Leitung von Prof. Christiane Angermann wurden erstmals weltweit die Häufigkeit von Multimorbidität und ihre Auswirkungen auf die Arzneimitteltherapie und die Prognose untersucht.
Als Basis für die Analyse diente die Datenbank der prospektiven, multizentrischen Kohortenstudie REPORT-HF (Registry to Assess Medical Practice and Longitudinal Observation for Treatment of Heart Failure). Im Rahmen von REPORT-HF wurden zwischen Juli 2014 und März 2017 in 358 Krankenhäusern aus 44 Ländern auf sechs Kontinenten 18.553 Patienten rekrutiert. Die Dauer der Nachbeobachtung betrug ein Jahr. Dabei benutzen Forscher aus Ägypten, Argentinien, Griechenland, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, Singapur, Norwegen, den USA und Zypern einen einheitlichen Erhebungsbogen. „Fast alle Studienteilnehmende, nämlich 18 528 Patienten, hatten vollständige Daten zu ihren Komorbiditäten und wurden daher in die Untersuchung einbezogen,“ berichtet Angermann. „Dabei waren 82 Prozent multimorbide, und wir haben die Länder nach Weltregionen und Einkommensniveaus stratifiziert.“
Die Prävalenzraten von Komorbidität waren mit 72 % am niedrigsten in Südostasien und mit 92 % am höchsten in Nordamerika. Patienten aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen waren seltener multimorbide als Herzinsuffiziente aus Ländern mit hohem Einkommen (73 % gegenüber 85 %, p<0,0001). Mit zunehmender Multimorbidität erhielten die Betroffenen weniger leitliniengerechte Herzinsuffizienz-Medikamente, dafür aber mehr Medikamente, die eine Herzinsuffizienz verursachen oder verschlechtern können.
Prävalenz von Multimorbidität nach Weltregionen und Einkommensniveau beteiligter Länder in der REPORT-HF Kohortenstudie. (A) Weltkarte mit der mittleren Anzahl Komorbidität pro Land. Weiß kennzeichnet sind nicht an der Kohortenstudie beteiligte Länder. Credit: UKW published in The Lancet Global Health
In dieser Studie erwiesen sich Komorbiditäten bei Patienten, die wegen akuter Herzinsuffizienz in ein Krankenhaus aufgenommen worden waren, als wichtige Prädiktoren, für eine verminderte Lebensqualität, mehr Krankenhausaufenthalte und eine schlechtere Prognose: Die Ein-Jahres-Mortalität stieg von 13 % bei Herzinsuffizienten ohne Komorbiditäten bis auf 26 %, wenn fünf oder mehr Komorbiditäten vorlagen. Der populationsbezogene Anteil der Multimorbidität an der Sterblichkeit, die so genannte population attributable fraction, war in Ländern mit hohem Einkommen höher als in Ländern mit mittlerem oder niedrigem Einkommen. Mit 61 % gegenüber 27 % und 31 % hatten hier über die Hälfte aller Todesfälle mit Multimorbidität zu tun.
Die hohe Prävalenz und enorme prognostische Relevanz der Multimorbidität bei herzinsuffizienten Patienten aller Weltregionen unterstreichen den systemischen Charakter dieses Syndroms und machen deutlich, dass Komorbiditäten bei der Behandlung der Herzinsuffizienz besondere Aufmerksamkeit verdienen. „Multimorbide Patientinnen und Patienten, die eine Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz überlebt haben, sind nach dieser Analyse weltweit unterversorgt mit den lebensverlängernden Medikamenten, die von den internationalen Leitlinien zur Behandlung der Herzinsuffizienz empfohlen werden. Einerseits wird die Therapie oft unterdosiert, besonders in einkommensschwachen Regionen. Andererseits werden vor allem in Ländern mit hohem pro-Kopf-Einkommen mit zunehmender Multimorbidität Medikamente gegen diese Krankheiten verschrieben, die ihrerseits Herzinsuffizienz verursachen oder verschlimmern können,“ fasst Angermann zusammen.
„Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass Herzinsuffizienz eine lebensgefährliche und komplexe Systemerkrankung ist, deren Behandlung Spezialwissen und einen fachübergreifenden Ansatz erfordert. Multidisziplinäre Betreuungsteams könnten helfen, die medikamentöse Unter- und Fehlversorgung zu vermeiden und die miserable Prognose von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz zu verbessern.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikum Würzburg. Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: jesse orrico, Unsplash