Auf dem DGN-Kongress 2023 wurden neue Therapietargets und künftige Behandlungsoptionen für neurodegenerative Erkrankungen vorgestellt. Im Fokus dabei: Alzheimer und Parkinson.
Die neurologische Forschung arbeitet rasant. Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung therapeutischer monoklonaler Antikörper zur Bekämpfung pathologischer Proteinaggregate im Gehirn. So wurde bereits Lecanemab, ein β-Amyloid-Antikörper bei Morbus Alzheimer, durch die FDA zugelassen, die Entscheidung der Europäischen Arzneimittel-Agentur wird voraussichtlich 2024 erfolgen. Auch für Donanemab wurde die FDA-Zulassung beantragt. Darüber hinaus gibt es aber noch zahlreiche weitere Therapieentwicklungen.
Besonders vielversprechend sind Therapeutika, die an molekulargenetischen Prozessen bzw. genetischen Faktoren angreifen, was eine zunehmend personalisierte Therapie bedeutet. Therapieziele sind dabei die Prozessierung (mit Spleiß-Modifikatoren) oder Ablesung (mit Antisense-Oligonukleotiden, ASO) der mRNA von an den jeweiligen Erkrankungen beteiligten Genen. So kann die Expression pathologischer Protein-Isoformen unterdrückt werden. ASOs werden intrathekal verabreicht und wirken auf die Expression bei Genmutationen von Tau, α-Synuclein oder β-Amyloid.
Die sogenannten Translationsinhibitoren greifen direkt in die Biosynthese der aggregierenden Proteine ein und verhindern deren Produktion. So kann der Translationsinhibitor Buntanetap sowohl die Produktion von β-Amyloid als auch von α-Synuklein beeinträchtigen. Mit diesem Wirkstoff laufen aktuell bei Morbus Parkinson und Alzheimer Phase-3-Studien.
Direkt einer Aggregat-Bildung entgegenwirkend sind bestimmte lipophile „kleine Moleküle“, die (meist) oral applizierbar sind. Potenzielle Substanzen sind das Bakteriophagen-Protein NPT088, das auf β-Amyloid und Tau-Protein abzielt; ferner die Substanz UCB0599, die die α-Synuklein-Fehlfaltung verhindert sowie Anle138b, welches auf die Oligomer-Bildung von α-Synuclein, β-Amyloid und Tau-Protein wirkt.
Eine weitere Substanzklasse soll die pathologische Proteinaggregation bereits in der Entstehung hemmen. Es handelt sich um Modifikatoren der posttranslationalen Modifikation. Die Entwicklung steht hier aber noch ganz am Anfang.
Bei neurodegenerativen Prozessen sind spezifische, oft lysosomale Enzyme beteiligt, z. B. LRRK2, GBA1 oder BACE. Entsprechend konnten Enzyminhibitoren hergestellt werden, die heute eine weitere Substanzklasse zur Modifikation neurodegenerativer Erkrankungen darstellen. DNL201, ein LRRK2-Inhibitor, soll die lysosomale Dysfunktion bei Parkinson verbessern. BACE-Hemmer mindern zwar die Produktion von β-Amyloid, in Phase-3-Studien kam es jedoch bei Alzheimer-Erkrankten tendenziell zu einer kognitiven Störung. Hier wird nun eine Dosisreduktion erzielt.
Neurodegenerative Prozesse werden ferner häufig von entzündlichen Veränderungen begleitet und gefördert. An dieser chronischen Neuroinflammation setzen Entzündungsmodulatoren an, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Ein potenzielles Zielmolekül für neue therapeutische Ansätze ist das physiologische TREM2-Protein, das Mikroglia aktiviert, wodurch im frühen Stadium Amyloidablagerungen beseitigt werden. Der monoklonale Antikörper AL002, der bereits in einer klinischen Phase-2-Studie eingesetzt wird, fördert die Signalübertragung am TREM2-Rezeptor, sodass Amyloidablagerungen schneller abgebaut werden.
„Auch wenn die Herausforderungen groß sind – die neurologische Forschung schreitet momentan schneller voran als je zuvor und bringt zahlreiche neue Therapieoptionen hervor. Angesichts dieser Forschungsstärke ist zu hoffen, dass Alzheimer und Parkinson innerhalb der nächsten zehn Jahre, wenn nicht heilbar, dann zumindest beherrschbar werden“, sagt Prof. Günter Höglinger.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
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