Neue Punktescores ermöglichen es, den Verlauf des Post-Covid-Syndroms besser zu beurteilen. Forscher konnten zeigen, dass ein solcher Score bei der Objektivierung der Schmerzen nützlich sein kann. Lest hier, was das für die Praxis bedeutet.
„Post Covid ist ein ganzes Mosaik an Symptomen, die jeweils ganz individuell ausgeprägt sind“, sagt Dr. Christina Lemhöfer. Es lässt sich als körperliche, geistige und seelische Erschöpfung beschreiben, die in zeitlichem Zusammenhang mit einer Corona-Infektion steht und mindestens drei Monate danach noch anhält. „Bei vorbestehenden Erkrankungen, wie z. B. chronischen Schmerzen, ist die Abgrenzung sehr schwierig. Die Ärzte und Ärztinnen benötigen aber eine klare Diagnose, damit die Krankenkassen die Behandlung vergüten“, ergänzt die Leiterin des Instituts für Physikalische und Rehabilitative Medizin am Universitätsklinikum Jena.
Das interdisziplinäre Team des Post-Covid-Zentrums am Universitätsklinikum Jena erforscht nicht nur die Entstehungsmechanismen und bessere Versorgungsformen der Erkrankung. Um den Umgang mit Post Covid in der ärztlichen und klinischen Praxis zu erleichtern und den Betroffenen effizienter helfen zu können, arbeitet das Zentrum auch an einem verbindlichen Diagnoseschlüssel und an Leitlinien für die Behandlung mit.
Neue Punktescores ermöglichen es, die Erkrankung besser einzustufen und den Verlauf zu beurteilen. Für diesen Score werden standardisierte Fragebögen zur Lebensqualität und Leistungsfähigkeit eingesetzt. Lemhöfer: „Wir konnten in unserem Zentrum zeigen, dass sich ein solcher Score prinzipiell zur Objektivierung und Quantifizierung der Beschwerden eignet.“ Für genauso wichtig erachtet sie jedoch eine Bewertung der Erkrankung auch anhand der funktionellen Einschränkungen, die sie mit sich bringt. Kann der Patient noch drei Treppen in der Wohnung steigen? Wie lang kann sich der Patient auf seine Bildschirmarbeit konzentrieren? „Unser Ziel ist ein funktionsbezogener Score, der letztlich den Patienten in allen seinen Facetten darstellt und zur Klarheit der Diagnose beiträgt.“
Eine ganz praxisnahe Verbesserung für die Betroffenen konnte Lemhöfer in Diskussion mit den Krankenkassen schon vor zwei Jahren erreichen: Bei Post Covid verschriebene Physio- und Ergotherapien fallen nicht in das allgemeine Budget, das den Arztpraxen für diese Behandlungsformen zur Verfügung steht. Wie nach einem Schlaganfall sind diese Behandlungen bei Post Covid nicht quartalsweise begrenzt.
Und wie sieht eine solche Therapie aus? Da verweist Lemhöfer auf den symptomorientierten Ansatz – eine ursächliche Behandlung steht bislang nicht zur Verfügung. „Beispielsweise erhalten Patienten mit Atemproblemen eine reflektorische Atemtherapie, bei der die Übungen durch Wärmereize an bestimmten Hautarealen und Dehnungen verstärkt werden.“
Zur Anwendung kommen für die jeweiligen Beschwerden gut etablierte Therapien. Oberstes Gebot ist Geduld, denn der Körper benötigt Zeit, um auf diese Reize zu reagieren. Und noch wichtiger: Long Covid verschlechtert sich bei Überlastung, die Patienten müssen ein Gefühl für ihre Grenzen entwickeln. „Wir sehen den Menschen als Ganzes, deshalb ist die Interdisziplinarität das wesentliche Element in unserem Post-Covid-Zentrum“, betont Lemhöfer. „Die Betroffenen, die Medizin und die gesamte Gesellschaft müssen Verständnis und Akzeptanz für diese Erkrankung entwickeln, damit deren Auswirkungen gemindert werden können.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Jena. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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