Millionen Menschen schauen auf Social-Media-Plattformen Influencern dabei zu, wie diese beispielsweise im Flüsterton beruhigende Worte sagen — zur eigenen Entspannung. Doch was steckt dahinter?
Während die Videos für die einen irritierend sind, sind sie für viele Menschen, darunter auch viele Studenten, zum bedeutsamen Teil des Alltags geworden, zum Beispiel, um nach einem anstrengenden Tag an der Universität zu entspannen oder als Einschlafhilfe. Aber was ist wirklich dran an dem Phänomen der Autonomous Sensory Meridian Response – kurz ASMR?
Um das herauszufinden, screenten die Forscher mehr als 1.000 Artikel und filterten 54 Arbeiten zum Thema ASMR heraus. „Wir konnten herausarbeiten, dass es sich bei der ASMR um ein klar umschriebenes Phänomen handelt, das von vielen Menschen auf eine sehr ähnliche Weise erlebt und beschrieben wird“, so Tobias Lohaus. „Erfahrene Nutzende von ASMR-Materialien scheinen sich dabei zudem nicht von Erwartungseffekten leiten zu lassen.“ Insbesondere für die etwa 25 bis 30 Prozent der Menschen, die ASMR erleben können, zeigte sich in mehreren Studien, dass das Betrachten von ASMR-Videos mit kurzzeitigen, positiven Effekten in Bezug auf die Stimmung, aber auch mit physiologischen Veränderungen wie einer Verlangsamung des Herzschlags sowie einer Senkung des Blutdrucks in Verbindung steht.
Darüber hinaus wurde in EEG-Studien wiederholt gezeigt, dass ASMR-Erleben mit einer Abnahme von sogenannten Delta-Wellen einhergeht, die üblicherweise mit Tiefschlaf – zuletzt jedoch auch mit Bewusstseinszuständen – in Verbindung gebracht werden konnten. „Vielleicht genau jenen Bewusstseinszuständen, die sich in einer entspannten Verfassung einstellen“, mutmaßt Lohaus. In fMRT-Studien konnte wiederholt gezeigt werden, dass unter anderem ganz bestimmte Hirnareale am ASMR-Erleben beteiligt sind, insbesondere der anteriore cinguläre Gyrus, der mit Aufmerksamkeitsprozessen zusammenhängt, sowie bewegungsbezogene Hirnregionen.
„Wichtig ist jedoch zu betonen, dass wir bisher keine Studie gefunden haben, die über ASMR vermittelte Langzeiteffekte auf die psychische Gesundheit nachgewiesen hätte“, betont Lohaus. „Dazu müssen in Zukunft Studien durchgeführt werden, die die Effekte von ASMR-Videos über einen längeren Zeitraum hinweg betrachten und mit dem Schauen von Kontrollvideos vergleichen.“ Eine solche Studie plant das Forschungsteam bereits in einem größeren gemeinsamen Forschungsantrag.
Als Vorarbeit dazu konnte das Forschungsteam Anfang 2023 bereits eine ASMR-Studie veröffentlichen, die zeigte, dass sogenannte Walking-Tour-Videos, in denen Menschen ihren Spaziergang durch eine bestimmte Gegend filmen, passende Kontrollvideos darstellen könnten. Diese Videos stehen im Vergleich zu ASMR-Videos mit signifikant weniger ASMR-Erleben in Verbindung.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum. Die Originalpublikation haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: Ave Calvar, unsplash+