Der neue Trend am Haustiermarkt: Exotische Riesenschnecken. Doch sie sind potenzielle Träger vieler Pathogene, die auch für Menschen gefährlich werden können. Erfahrt hier mehr über den infektiösen Schneckenschleim.
In den sozialen Netzwerken stößt man immer wieder auf interessante Trends. Momentan hip in Sachen niedliches Haustier sind Fotos mit ungewohnt großen Schnecken, die auf Händen, Armen oder gar dem Gesicht platziert werden. Ein echter Hingucker. Aber wer sich mit der Afrikanischen Riesenschnecke, auch Große Achatschnecke (Lissachatina fulica) genannt, auskennt, den gruseln diese Bilder. Denn die Schneckenart kann viele humanpathogene Erreger in sich tragen. Allen voran macht der Rattenlungenwurm Angiostrongylus cantonensis Experten Sorgen. Zwischenwirte für diesen Parasiten sind nämlich Schnecken.
In einer Studie wollten Forscher nun untersuchen, welche Risiken von der vermehrten Haltung der Riesenschnecken ausgehen können – nicht nur aus gesundheitlicher Sicht, sondern auch aus ökologischer.
Der Schweizer Biologe Dr. Jérôme Gippet forscht mit seinem Team zur Verbreitung von Krankheitserregern und invasiven Arten durch den Menschen und zu den Risiken, die dadurch entstehen. Die Große Achatschnecke erfüllt hierbei alle drei Risiko-Kriterien:
In einer aktuellen Studie hat das Team um Gippet untersucht, welche (potenziell humanpathogenen) Erreger die Schneckenart in sich trägt, wie gut sie sich an fremde Lebensräume anpassen kann, wie verbreitet sie bereits als Haustier ist und wie ihre Besitzer mit den Schnecken umgehen.
Die Arbeitsgruppe sichtete die vorhandene wissenschaftliche Literatur, um alle bekannten Parasiten und Pathogene der Schnecke aufzulisten und identifizierte deren potenzielle Säugetierwirte. Auch modellierten die Forscher weltweit die klimatisch geeigneten Bedingungen für eine Verbreitung der Schnecke und analysierten, ob sie in geeigneten Gebieten in räumlicher Nähe zum Menschen vorkommt. Für den letzten Aspekt, also die Nutzung als exotisches Haustier, nutzten die Forscher Daten aus sozialen Medien.
Gippet und sein Team fanden heraus, dass Lissachatina fulica mindestens 36 verschiedene Pathogenarten in sich tragen kann, von denen zwei Drittel auch den Menschen infizieren können. Zu den derzeit gefundenen Erregerarten gehören 22 Helminthen, 7 Bakterien und 7 Protozoen.
Krankheitserreger, die von der Riesenlandschnecke Lissachatina fulica übertragen werden. Liste der 17 identifizierten Helminthen- und sechs Bakterienarten mit ihren potenziellen Wirten unter allen Säugetieren (n = 248 Arten) (rechts) und unter Menschen und domestizierten Säugetieren (n = 19) (mittig). Jede Kurve in den Diagrammen stellt eine dokumentierte Assoziation zwischen einem Erreger und einem Wirt dar. Credit: Gippet et al.
Da die meisten Erreger aber innerhalb der letzten 10 Jahre entdeckt wurden, mutmaßen die Forscher, dass diese Zahl in den nächsten Jahren noch steigen wird. Die meisten Veröffentlichungen gab es zum Rattenlungenwurm Angiostrongylus (A.) cantonensis, den Katzenlungenwurm A. abstrusus, A. costaricensis und den Herzwurm A. vasorum.
Besonders sorgen sich die Forscher wegen A. cantonensis – dem Rattenlungenwurm. Er war der am häufigsten dokumentierte Erreger der Schnecke. Der parasitäre Fadenwurm kann beim Menschen eine eosinophile Meningitis hervorrufen. Diese kann bei Erwachsenen zu schweren neurologischen Beeinträchtigungen und bei Kleinkindern zum Tod führen. Vor allem für immundefiziente Menschen kann der Erreger gefährlich werden. Ausgeschiedene Larven des Rattenparasiten werden von Zwischenwirten (Land- und Nacktschnecken) aufgenommen. Menschen infizieren sich meist durch die orale Aufnahme roher oder nicht durchgegarter Schnecken. Ob die Kontamination von Gemüse mit Larven (z. B. im Schleim von Schnecken und Nacktschnecken, die über das Nahrungsmittel kriechen) eine Infektion hervorrufen kann, ist bisher unklar. Die Larven wandern schließlich vom Gastrointestinaltrakt zu den Hirnhäuten, wo sie eine eosinophile Meningitis mit Fieber, Kopfschmerzen und Meningismus hervorrufen können, begleitet von einer Eosinophilie. Auch eine okulare Invasion ist möglich.
A. cantonensis stammt wahrscheinlich ursprünglich aus Südostasien, verbreitete sich aber im letzten Jahrhundert auf der ganzen Welt. Laut der US-Gesundheitsbehörde CDC wurde der Parasit inzwischen auf pazifischen Inseln, in einigen Regionen Afrikas und den USA nachgewiesen. Vor allem in Florida habe sich der Rattenlungenwurm in den vergangenen Jahren etabliert.
Die globale Ausbreitung von L. fulica sei momentan hauptsächlich auf tropische Gebiete beschränkt – dort komme sie aber häufig in dicht besiedelten Gebieten vor, was die Wahrscheinlichkeit von Kontakten mit Menschen erhöhe, so schreiben Gippet und Kollegen. In Ländern mit gemäßigtem Klima sollten die aktuellen klimatischen Bedingungen ihre Ausbreitung verhindern, mutmaßen sie. Nichtsdestotrotz: „Als häufiger Zwischenwirt könnte L. fulica die globale Ausbreitung von A. cantonensis und anderen Krankheitserregern auf regionaler bis globaler Ebene erleichtern“, schreiben die Schweizer Autoren.
Besonders in Europa scheinen die Schnecken beliebte exotische Haustiere zu sein. Das größte Risiko sehen die Forscher hier in der Übertragung von Krankheitserregern auf den Menschen. In vielen Postings hätten die Halter ihre Tiere auf der nackten Hand, oft auch in der Nähe oder sogar in Kontakt mit ihrem Gesicht.
Screenshots aus Instagram, Quellen: @ninja_polefiziert, @angelina.z._, @the.beauty.of.snails
„Das deutet darauf hin, dass sich die Halter der Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit Schnecken nicht bewusst sind. Diese Risiken scheinen bisher übersehen worden zu sein, da wir nur eine einzige Studie identifiziert haben, in der Krankheitserreger von Haustierschnecken untersucht wurden“, schreiben die Forscher.
In einer gründlichen Anamnese beim Hausarzt kann es also nicht schaden, Patienten nach ihren Haustieren zu fragen und bei Anhaltspunkten für eine Infektion sollten die Schnecken als Erregerquelle in Betracht gezogen werden. Generell sollten Patienten immer über Haustiere als potenzielle Übertragungsquellen aufgeklärt werden – vor allem, wenn ihre Halter engen Körperkontakt zu ihnen pflegen.
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