Wir Apos streiken mal wieder, aber interessiert das eigentlich irgendjemanden? Die Lage ist ernst, doch ich fürchte, unser Protest kommt nicht an – daran sind wir auch selbst schuld. Meine Bilanz.
Auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf hatte ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening den November als Protestmonat ausgerufen. An vier Tagen, jeweils am Mittwoch, soll abwechselnd im Norden, Westen, Süden und Osten Deutschlands protestiert werden. Die Apothekenteams sollen dafür an zentralen Orten zusammenkommen. Die Apotheken selbst bleiben geschlossen – bis auf die notdiensthabenden natürlich. Wie es mit dem Rückhalt aus der Basis aussieht, haben wir in der vergangenen Woche gesehen, als im Norden zum Protest aufgerufen wurde. Werden die Apotheken mit diesen Protesten dort gehört, wo es sinnvoll wäre?
Warum es die Proteste gibt, ist schnell erklärt: Entgegen der Ansicht vieler Politiker, einschließlich Bundesgesundheitsministers Lauterbach, geht es vielen Apotheken finanziell gesehen gar nicht gut. Seit 44 Jahren gab es nicht mehr so wenige Apotheken und es schließen täglich weitere. Die Apotheke vor Ort kämpft mit überbordender Bürokratie, Lieferengpässen, akutem Personalmangel und einer Vergütung durch das Packungshonorar, die auf dem Niveau von 2004 stagniert. Das ist – angesichts der ohnehin bestehenden Inflation – der Todesstoß, besonders für kleinere Landapotheken.
Die politische Reaktion auf die bisherigen Proteste ist extrem unbefriedigend. Statt das Honorar anzuheben, schlägt Lauterbach vor, Apotheken ohne Notdienste, Labor und Rezeptur zu erlauben. Er stellt sich sogar vor, dass es Filialen ganz ohne Apotheker geben könnte, geleitet durch einen PTA, der im Falle des Falles per Videochat mit einem Apotheker Rücksprache halten kann, wenn er an seine fachlichen Grenzen stößt. Das ist nicht das, was die Apothekerschaft hören wollte, denn faktisch bedeutet das, dass nicht mehr Geld ins System kommt, sondern dass Leistungen und Qualität der Apotheke per se sinken wird. Gerade während der Pandemie hat man doch gesehen, welches Glück wir hatten, dezentral in den Rezepturen Desinfektionsmittel herstellen zu können. Während der letztjährigen Lieferengpässe – wo wären wir, hätten nicht viele Apotheken damit begonnen, Paracetamol-Säfte und -Zäpfchen in den Rezepturen herzustellen?
Also wird versucht, die Bevölkerung auf die Misere aufmerksam zu machen und den ein oder anderen Landespolitiker mit ins Boot zu holen. Begonnen wurden die Proteste in Norddeutschland, wo Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen am 8. November auf dem Ernst-August-Platz in Hannover lautstark demonstrierten. Wie die Pharmazeutische Zeitung berichtete, kamen dort über 3.000 Inhaber und Beschäftigte von Apotheken zusammen. Auf der Bühne sprachen Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbands Niedersachsen, Christian Burgdorf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Niedersächsischer Apotheken, Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD), und Volker Meyer (CDU), Abgeordneter im niedersächsischen Landtag und Mitglied des Gesundheitsausschusses Niedersachsen, der mit seinen Partei- und Gesundheitsausschusskollegen Sophie Ramdor und Thomas Uhlen anreiste.
Aus der Politik kam die Zusage, die Apotheken bei ihrer Sache stärken zu wollen, auch wenn die Mittel und Wege dafür so manchem etwas unverständlich erschienen. So will Meyer eine Stärkung der Apotheken über das E-Rezept erreichen – wie das konkret aussehen soll, war allerdings nicht zu erklären, was Pfiffe aus dem Publikum zur Folge hatte.
Immerhin: Die Politik hat die Misere offenbar wahrgenommen. Die Art und Weise, wie den Apotheken zu helfen sein wird, muss aber offenbar noch durchdacht werden. Auch der NDR berichtete über die Protestaktion, so dass sie nicht nur von denen bemerkt wurde, die sich entweder gerade in Hannover aufhielten oder ein Medikament benötigten und vor verschlossenen Türen standen.
Weiter geht es heute, am 15. November für die Apothekenteams aus Westdeutschland, also Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen, die sich in Dortmund treffen. In Süddeutschland, also Bayern und Baden-Württemberg, trifft man sich am 22. November in Stuttgart und die ostdeutschen Bundesländer Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen protestieren am 29. November in Dresden.
Klickt man sich durch die sozialen Medien, zeigen sich einige Teilnehmer enttäuscht davon, dass in Hannover nach den Reden nichts weiter unternommen wurde und beispielsweise ein Protestzug durch die Innenstadt nicht stattfand. Das soll künftig anders werden, denn einen solchen Zug wird es in Dortmund geben. Für Dresden hat der Verein Freie Apothekerschaft dazu motiviert, nach den Kundgebungen im Protestoutfit den Dresdner Striezelmarkt zu besuchen, um die Besucher dort auch noch zu erreichen.
Wenn man dafür kämpfen will, die Apotheke vor Ort in der Weise zu erhalten, wie wir sie alle kennen, wird man nicht umhinkommen, sich den Demonstrationen anzuschließen. Ein negatives Signal war definitiv, dass die Apotheke am Bahnhofsvorplatz in Hannover, vor deren Türen die erste Kundgebung stattfand, ganz normal geöffnet hatte. Gerade hier hätte man klüger sein sollen, um die richtigen Signale zu senden. Man kann nur hoffen, dass sich so etwas in Dortmund, Stuttgart und Dresden nicht wiederholt.
Bildquelle: erstellt mit Midjourney