Genetik oder Umwelt, das ist hier die Frage. Die Zahl der Parkinson-Fälle steigt unaufhaltsam, doch viele Fälle sind nicht genetisch erklärbar. Welche Auswirkungen könnten Umwelttoxine auf diese Entwicklung haben?
Neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer werden immer häufiger. Aber das liegt nicht nur daran, dass wir immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft haben, denn die Fälle übersteigen jegliche durch den demographischen Wandel erwarteten Zahlen. Während 1990 noch 2,5 Millionen Menschen an Parkinson litten, waren es 2016 bereits 2,4-mal mehr Betroffene (6,1 Millionen). Zum Vergleich: Die Weltbevölkerung wuchs in der selben Zeit um 41,17 % (von 5,23 Milliarden auf 7,51 Milliarden). Aber woran liegt es dann? Neben der Genetik könnten auch Umweltfaktoren schuld sein.
Es ist ein Thema, das vielleicht so alt ist, wie die Medizin selbst: Anlage oder Umwelt? Bei neurodegenerativen Erkrankungen ist man sich da noch immer nicht ganz sicher. „Dass Partikelschadstoffe aus der Luft und andere Umwelttoxine sich auf das Nervensystem auswirken, ist umstritten“, heißt es seitens einer Pressemitteilung der DGN. „Die Folgen bzw. neurologischen Symptome bei akuten Vergiftungen zeigen sich oft direkt, wohingegen langfristige Folgeschäden nur schwer auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen sind.“
Natürlich sind gesundheitliche Schädigungen, besonders durch beruflich bedingte jahrelange Einflüsse von Schadstoffen, nicht zu vernachlässigen. Aber ob das auch auf neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson zutrifft, ist noch nicht hinreichend geklärt.
In den letzten Jahren wurde immer wieder diskutiert, das Lösungsmittel Trichlorethylen (TCE) könne sich auf die Entwicklung von Parkinson auswirken. Bisher war die Datenlagen aber sehr dünn. Eine kürzlich erschienene Studie untersuchte nun erstmals eine große Kohorte aus 340.000 US-Veteranen, die in den Jahren 1975−1985 einer Verunreinigung des Trinkwassers mit organischen Lösungsmitteln – davon einer mehr als 70-fachen Erhöhung des zulässigen TCE-Wertes – ausgesetzt waren. Die Daten von 158.122 Veteranen (5,3 % Frauen, 94,7 % Männer; Durchschnittsalter 59,64 Jahre) konnten ausgewertet und mit denen von Veteranen, die in einer nicht-kontaminierten Basis stationiert waren, verglichen werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass Veteranen, die dem kontaminierten Wasser ausgesetzt waren, ein um 70 % höheres Risiko für die Entwicklung von Parkinson aufwiesen. Ebenfalls erhöht waren die Risiken für Tremor, Angstzustände und erektile Dysfunktion. Aber auch andere Substanzen, die sich möglichweise auf die Entwicklung einer Parkinson-Krankheit auswirken könnten, werden in aktuellen Arbeiten untersucht.
„Die mögliche Bedeutung von Pestiziden für die Zunahme von neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson wird bei der derzeitigen europaweiten Diskussion bezüglich der Reduktion der Pestizidbelastung und des Glyphosat-Verbots zu wenig berücksichtigt“, kritisiert Prof. Daniela Berg, Präsidentin des diesjährigen DGN-Kongresses. Berg sagt, die EU würde sich in ihren Diskussionen rund um Pestizide vor allem auf den Artenschutz und die Krebsgefahr fokussieren. Dabei wäre auch die neurotoxische Wirkung von Pestiziden lange bekannt.
„Für viele Pestizide ist ein direkt toxischer Effekt auf das Nervensystem nachgewiesen. So auch für Glyphosat, welches zu Veränderungen der Neurotransmitter-Konzentrationen im Nervensystem und zu einem zellschädlichen Milieu beiträgt. Parkinsonerkrankungen wurden sowohl nach akuter wie auch nach chronischer Glyphosat-Exposition beobachtet“, so die Pressemitteilung der DGN. Neben direkter Toxizität müssten auch indirekte Effekte – wie etwa der Einfluss auf das Mikrobiom – beachtet werden. „Es besteht gerade angesichts der rapide steigenden Zahl der Parkinson-Erkrankungen ein dringender Bedarf, den möglichen Beitrag von Pestiziden weiter zu erforschen und in die aktuellen Diskussionen mit einzubeziehen“, so Berg.
Die akute Toxizität von Mangan (Manganismus) ist schon lange bekannt. Aktuelle Studienergebnisse zeigen aber, dass eine chronisch-kumulative Toxizität einer niedrigen, aber langen Mangan-Exposition ebenfalls ein großes Gesundheitsrisiko darstellen könnte und wahrscheinlich zu einem Parkinson-Ausbruch und dem Fortschreiten der Erkrankung beitragen kann. Außerdem konnte eine retrospektive Beobachtungsstudie aus China einen Zusammenhang zwischen mittelfristiger Schwefeldioxid-Exposition (SO2) und Parkinson zeigen. „Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, die Rolle der mittelfristigen SO2-Exposition bei der Entwicklung von Parkinson zu erkennen“, so die Studienautoren. Es sei aber trotzdem mehr Forschung in diesem Bereich nötig.
Neben Pestiziden und neurotoxischen Metallen stehen noch unzählige andere Substanzen, die einen Einfluss auf die Entwicklung neurodegenerativer Krankheiten haben könnten, im Fokus der Forschung. Hierzu gehören unter anderem: Feinstaub, Mikroplastik, Mineralöle und chemische Weichmacher. „All diese Studien geben nicht übersehbare Hinweise, dass Umwelttoxine die Parkinson-Inzidenz zusätzlich erhöhen können, was eine Erklärung für den überproportionalen Anstieg sein kann“, so Berg. „Zweifellos ist künftig die Politik, aber auch jeder Einzelne gefordert, damit entsprechende Expositionen minimiert werden.“
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