Herbstzeit ist Pilzzeit – das gilt auch für Vaginalpilz. Aber nicht hinter jeder Infektion steckt eine Mykose. Welche Pilzmythen noch so durch den Märchenwald schwirren und was wirklich hilft, erfahrt ihr hier.
Nein, es geht nicht ums Pilze sammeln, sondern darum, ein übermäßiges Wachstum zu verhindern. Vulvovaginalcandidosen (VVC) treten vermehrt in den Sommermonaten auf, weil sie dann in der schwülwarmen Feuchte besonders gute Wachstumsbedingungen vorfinden, doch wir beobachten auch zu Beginn der Erkältungssaison immer wieder Peaks bei unseren Apothekenkunden. Das liegt häufig daran, dass dann wieder vermehrt Antibiotika eingenommen werden, welche die natürliche Scheidenflora aus dem Gleichgewicht geraten lassen und damit Platz machen für Candida albicans, Candida glabratra und in seltenen Fällen auch für Candida krusei. Was können wir den Kunden in Bezug auf Resistenzen empfehlen und welche Krankheiten sollten wir kennen, die ähnliche Symptome hervorrufen, aber in ärztliche Behandlung gehören? Und mit welchen Mythen und Vorurteilen müssen wir aufräumen, wenn es um dieses sensible Thema geht?
In der Apotheke merkt man es oft sehr schnell, wenn den Kunden etwas peinlich ist. Das Thema Vaginalmykosen zählt ebenso zu diesem Themenkreis wie Kopfläuse, Wurmbefall, Inkontinenz oder Impotenz. Dass manche Frauen mit einem konkreten Produktwunsch zu uns kommen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie das Präparat schon kennen. Häufig haben sich die Betroffenen im Vorfeld im Netz schlau gemacht, und flüstern einfach den Präparatenamen über den HV-Tisch, weil sie ihn ergoogelt haben. Es lohnt sich hier immer noch einmal nachzuhaken: „Kennen Sie das Produkt schon?“, „Darf ich ihnen etwas zur Anwendung erzählen?“ oder „Sie sind sicher, dass Sie unter einem Vaginalpilz leiden?“ sind hier die richtigen Fragen. So sehr es normalerweise sinnvoll ist, offene Fragen zu stellen, bei diesem Thema sind die meisten betroffenen Frauen einfach nur froh, wenn sie nur mit ja oder nein antworten müssen.
Die Experten der Leitlinie zur Vulvovaginalcandidose erklären, dass dies eine häufige Erkrankung ist, die in der Regel von selbst wieder verschwindet und in den meisten Fällen nicht behandlungsbedürftig ist. Trotzdem möchten die betroffenen Frauen ein Medikament zur Behandlung haben, da die Symptomatik wenig angenehm ist und sie es schnell hinter sich haben wollen. Doch liegt einem prämenstruellen Juckreiz, einem Brennen und einer Rötung im Vaginalbereich nicht immer eine Erkrankung mit dem Hefepilz C. albicans zugrunde. Gewarnt wird vor unnötigen antimykotischen Therapien, die letztlich dafür sorgen, dass sich die Resistenzrate erhöhen kann. Hier lohnt es sich, die Frage zu stellen, ob neben dem Juckreiz auch ein gelblichweißer Ausfluss vorhanden ist, der entweder gar nicht oder nur leicht hefeartig riecht. Fehlt er, oder riecht er fischig, dann handelt es sich in den meisten Fällen nicht um eine VVC und die Patientin sollte erst einmal die Ursache für ihre Beschwerden mit dem Gynäkologen klären.
Möglicherweise ist es eine bakterielle Infektion – dann wäre der Fluor dünnflüssiger, homogener und hätte einen unangenehmen eher fischigen Geruch, genau wie bei einer Trichomonaden-Infektion, die aber von einem schaumigen Ausfluss gekennzeichnet ist. Bei einer Psoriasis inversa oder einem Vulva-Ekzem stehen ebenfalls die Rötung und der Juckreiz im Vordergrund der Symptomatik, jedoch ist in diesen Fällen kein Ausfluss zu beobachten.
Der Einsatz von Imidazolen (z. B. Clotrimazol), Polyenen (z. B. Nystatin) und Ciclopiroxolamin als Vaginaltabletten wird laut Leitlinie als gleichwertig gut betrachtet, wenn das Therapieschema jeweils eingehalten wird. Eine orale Therapie mit einem Triazol (z. B. Fluconazol) ist ebenfalls möglich, sollte aber den Fällen vorbehalten sein, die rezidivierend auftreten.
Die Grenzen der Selbstmedikation verlaufen dort, wo es sich um ein erstmaliges Auftreten der Beschwerden handelt, oder die Patientin minderjährig ist. Liegt eine Schwangerschaft vor, dann sollte die Kundin sich an ihren Arzt wenden, denn eine Behandlung ist vor allem ab der 35. Schwangerschaftswoche wichtig, damit die Infektion nicht während der Geburt auf den Säugling übergeht – denn dann besteht die Gefahr einer Windeldermatitis oder Mundsoor. Auch bei mehr als vier Pilzinfektionen pro Jahr ist es nötig, dass die Kundin sich gründlich untersuchen lässt, um die Ursachen dafür und mögliche bislang unerkannte Krankheiten aufzuspüren. Wenn sich die Symptome trotz einer bereits erfolgten Behandlung nicht bessern, oder wenn Fieber, Magen-Darmbeschwerden, Unterleibsschmerzen oder Beschwerden beim Wasserlassen auftreten, die über ein leichtes Brennen hinausgehen, ist ebenfalls ärztliche Hilfe gefragt.
Kommen wir zu den Mythen rund um das Thema VVC. Viele Frauen wissen nicht, woher eine solche Erkrankung kommt. Daher ist es wichtig, den Betroffenen zu erklären, dass es sich dabei nicht um eine Ansteckung, sondern um eine endogene Infektion handelt, die meist mit Candida-Hefen aus dem eigenen Intestinaltrakt erfolgt. Sie flammt dann auf, wenn das Immunsystem oder auch die Vaginalflora gestört ist – beispielsweise eben nach der Einnahme eines Antibiotikums. Auch Diabetes mellitus begünstigt eine VVC. Viele Kundinnen wundern sich auch, warum sie häufig kurz vor ihrer Menstruation an einer Pilzerkrankung leiden. Sie sind dankbar, wenn sie die Zusammenhänge mit den hormonellen Faktoren erklärt bekommen, nämlich dass unter Östrogeneinfluss im Vaginalepithel gespeichertes Glykogen den Pilzen als Nahrung dient.
Das sind auch meistens die Fälle, in denen die Frauen ohne Antimykotikum auskommen könnten, wenn gewisse Verhaltensregularien eingehalten werden, die das massenhafte Auftreten der Pilze im Vaginalbereich verhindern können. Eine Intimpflege, die auf den Altersabhängig jeweils natürlichen ph-Wert der Scheide angepasst ist, wäre der erste Schritt. Frauen, die unter einer trockenen Scheide leiden (häufig während der Wechseljahre), hilft oft die Anwendung einfacher Befeuchtungsgele oder Ovula. Sinnvoll ist es auch, die Schambehaarung einzukürzen, wenn nötig.
Der nächste Mythos betrifft die Sexualpartner der betroffenen Frauen. Viele tun sich schwer damit, die VVC ihm oder ihr gegenüber zu offenbaren, denken aber, dass der Partner immer mitbehandelt werden muss. Von diesem Automatismus ist man inzwischen abgekommen, denn behandelt wird nur, wer auch symptomatisch ist. Liegen hier keine Beschwerden vor, dann muss auch nicht behandelt werden und die betroffenen Frauen müssen sich nicht zwangsweise offenbaren, wenn sie das nicht möchten. Dass den Frauen die Pilzinfektion peinlich ist, rührt oft daher, dass in der breiten Bevölkerung immer noch der Irrglaube festsitzt, dass eine solche Infektion etwas mit Unsauberkeit zu tun hat. In der Folge neigen einige Frauen zu einer übertriebenen Intimhygiene, die das Gegenteil zur Folge hat und die Scheidenflora schädigt. Besser ist es, beim Toilettengang auf die richtige Wischrichtung zu achten (von vorne nach hinten) und synthetische Fasern bei der Unterwäsche wegzulassen.
Hin und wieder kommt es vor, dass die Kundinnen ein Antimykotikum gleichzeitig zu ihrem verordneten Antibiotikum mitnehmen möchten, um es vorbeugend einzusetzen. Auch hier rät die Leitlinie ab und verweist auf orale und vaginale Probiotika – auch wenn hier noch tiefergehende Studien fehlen. Was definitiv inzwischen ins Reich der Fabel gehört ist, dass ein in Naturjoghurt getauchter Tampon die Situation verbessert. Diesen Tipp liest man teilweise noch im Netz und so manche Frau hat ihn noch als eine Art Hausfrauenmedizin im Hinterkopf. Joghurt in der Nahrung hat dagegen tatsächlich eine positive Wirkung. In der Leitlinie wird auch auf die Aufnahme von Weizenkleie und Leinsamen aufmerksam gemacht, da sie antimykotische Eigenschaften aufweisen. Auch die Einschränkung der Aufnahme von Kohlenhydraten, hefehaltigen Speisen und größeren Mengen an Milchprodukten hat immerhin eine schwache Evidenz.
Wie groß ist nun die Gefahr, an einen resistenten Pilzstamm geraten zu sein? C. auris, der besonders häufig in Krankenhäusern anzutreffen ist, ist ein solcher Kandidat, der häufig Resistenzen aufweist und sich in den vergangenen Jahren stark ausgebreitet hat. Über 90 % der bekannten C. auris-Isolate zeigen eine hohe minimale Hemmkonzentration für Fluconazol, weshalb als Erstlinientherapie meist Echinocandin-Antimykotika empfohlen werden, gegen die C. auris allerdings ebenfalls eine Resistenz ausbilden kann. In den USA haben sich die Fälle seit dem Jahr 2020 mehr als vervierfacht – das zeigt, wie wichtig es ist, hier gerade auch im Rahmen der Selbstmedikation mit Bedacht vorzugehen.
Zum Glück zeigen auch azolresistente Stämme bislang noch eine hohe Empfindlichkeit auf das vor etwa 70 Jahren weltweit zuerst entdeckte natürliche Antimykotikum Nystatin. Beim kleinsten Juckreiz in der Scheidengegend bereits zur Tube zu greifen ist jedenfalls genauso falsch, wie bei einer banalen Erkältung ein Antibiotikum einzunehmen. Das sollte allen die in der Apotheke arbeiten bewusst sein.
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