Die ehemalige Spitzensportlerin, Vizeweltmeisterin und Paralympics-Siegerin spricht mit uns über die Herausforderungen nach einer Transplantation. Erfahren Sie hier ihre Tipps und Tricks!
Im Interview verriet uns Franziska Liebhardt, 3-fach transplantierte Paralympics-Siegerin, auf welche Herausforderungen sie nach den Transplantationen getroffen ist und was ihr geholfen hat, diese zu überwinden – ein Beitrag für Betroffene, Angehörige und ihre Ärzte.
Lungentransplantation 2009, Nierentransplantation 2012 und erneute Lungentransplantation 2020 – aufgrund einer Autoimmunerkrankung musste die 41-Jährige insgesamt drei Mal transplantiert werden.Doch trotz pessimistischer ärztlichen Prognosen, und entgegen vieler Zweifel kämpfte sie sich zurück ins Leben und konnte sogar im Laufe ihrer sportlichen Karriere außerordentliche Erfolge feiern: Europa- und dann Vizeweltmeisterin im Kugelstoßen in den Jahren 2015 und 2016, Vizeweltmeisterin im Weitsprung 2015 sowie Goldmedaillengewinnerin bei den Paralympischen Spielen 2016 im Kugelstoßen (inkl. damaligem Weltrekord) in ihrer Startklasse (halbseitig spastisch gelähmte Athleten, F37).12016 beendete die gebürtige Berlinerin ihre Karriere und arbeitet seitdem als Vortragsrednerin. Zudem engagiert sie sich als Vorstandsmitglied im Verein "Kinderhilfe Organtransplantation-Sportler für Organspende e.V .2
Franziska erzählte, dass sie ein relativ normales Leben führe, jedoch hatte auch sie mit einigen Herausforderungen nach der Diagnose sowie den Transplantationen zu kämpfen:
Franziska berichtet, dass ein Großteil der Organisationsarbeit nach einer Transplantation bei den Patient*innen selbst läge. Damit bei der Organisation von Medikamenten, Arztterminen und weiteren Aspekten der Nachsorge, Anpassung des Lebensstils wie der Ernährung und Infektionsprophylaxe keine Fehler passieren, ist eine gut strukturierte Planung erforderlich. So erklärt sie beispielsweise, das zum Therapiemanagement auch die tägliche Überprüfung und Dokumentation wichtiger Vitalparameter zähle. Für einen verbesserten Überblick trägt sie ihre Werte täglich in ein Patiententagenbuch ein:
„Das Therapiemanagement umfasst auch die Führung eines Patiententagebuchs, um die wichtigsten Vitalwerte einmal täglich zu checken und zu dokumentieren. Das hilft, um bei Veränderungen vergleichen und bei Bedarf schnell reagieren zu können.“
Darüber hinaus organisiert sie Arztbesuche, Laborkontrollen, Termine zur Überwachung der Spenderorgane, aber auch zur Krebsvorsorge, zur Überwachung ihrer Grunderkrankung und zur Überwachung von Nebenwirkungen bzw. Langzeitfolgen der Medikamenteneinnahme.
Für ihre Spiegelmessungen nutzt sie einen SMS-Service, der die aktuellen Messergebnisse sowie die aktuellen Zielspiegel per SMS zuschickt. Franziska setzt ebenfalls auf technische Unterstützung bei der Organisation von Rezepten und Medikamenten. Apps von ihrem Hausarzt und der Apotheke helfen ihr diese papierfrei zu organisieren. Zudem verweist Franziska auch auf Apps zur Motivation zur Bewegung und Sport.
Die pünktliche Einnahme und Dosierung von Medikamenten seien von hoher Bedeutung. Franziska plant ihre Einnahme immer 14 Tage im Voraus, um frühzeitig zu erkennen, wenn Medikamente knapp werden. Zudem setzt sie auf einen Medikamentenwecker, um die pünktliche Einnahme nicht zu vergessen. Bei anstehenden Reisen informiere sie sich rechtzeitig vorab über Einfuhrgenehmigungen, Kliniken im Ausland und Versicherungen für einen eventuellen Rücktranstraport.
Franziska ist über die Wirkweise und Nebenwirkungen ihrer Medikamente sowie ihre Grunderkrankung bestens informiert. Zudem nutzt sie Tools wie einen Newsletter ihres Transplantationszentrums, in dem neue Studien, aktuell grassierende Infekte, Lieferengpässe bei Medikamenten oder andere interessante Themen wie z.B. Impfempfehlungen angegeben werden.
Franziska achte auf eine keimarme und gesunde Ernährung sowie ein gesundes Körpergewicht. Außerdem bewege sie sich täglich und mache mehrmals die Woche Sport. Auch auf ausreichenden Sonnenschutz sowie eine gute Hygienepraxis lege sie großen Wert. In Risikosituationen wie z. B. öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Arztbesuchen nutze sie einen Mundschutz, um das Risiko für eine Infektion zu reduzieren.
Wie viele Transplantationspatient*innen, litt auch Franziska unter den Belastungen nach einer Transplantation und den Herausforderungen einer chronischen Erkrankung. Eine gute psychologische Betreuung und das Wissen, einen festen Ansprechpartner zu haben, gaben ihr auch in schwierigen Situationen Sicherheit. Sie sagt dazu selbst: „Außerdem lasse ich mich regelmäßig auch psychotherapeutisch begleiten. Das hilft, mit den Belastungen nach einer Transplantation und den Herausforderungen einer chronischen Erkrankung gut umzugehen und sich auch in schwierigen Situationen nicht in Ängsten und Krisen zu verlieren.“
Eine psychologische Betreuung sollte laut Franziska fest zur Nachsorge bei jedem Patienten/jeder Patientin dazu gehören. Diese Rolle solle dabei nicht von Familie oder Freunden übernommen werden, da sie häufig selbst betroffen seien. Psychotherapeuten dagegen bieten einen neuen, neutralen Blickwinkel auf die Situation könnten so wesentlich effektiver weiterhelfen. Zudem tausche sie sich in Selbsthilfegruppen mit anderen Betroffenen aus und erhalte so wertvolle Tipps.
Was Franziska Patient*innen auf den Weg geben möchte: „Eine Transplantation lässt man machen, um danach eine bessere Lebensqualität zu haben als vorher. Deshalb: verstecken Sie sich nicht zuhause! Bewegen Sie sich regelmäßig und stellen Sie die neuen Grenzen Ihres Körpers fest. Genießen Sie das neue Leben ohne zu große Ängste. Orientieren Sie sich dabei auch an anderen Patient*innen, die schon länger transplantiert sind.“
Franziska hat insgesamt gute Erfahrungen mit ihren behandelnden Ärzt*innen gemacht, merkt aber an, dass sie sich wünscht, als Patientin ganzheitlich betrachtet zu werden.
„Ich stehe in engem und vertrauensvollem Austausch mit meinen betreuenden Ärzt*innen. Wir besprechen gemeinsam nächste Therapieschritte, ggf. notwendige Untersuchungen und Empfehlungen. Ich habe als Patientin das Gefühl, mitentscheiden zu können und ernstgenommen zu werden. Das halte ich auch für sehr wichtig. Was aber sicher noch verbesserungswürdig ist, als Patient*in mehr ganzheitlich betrachtet zu werden und nicht nur als Lunge oder Niere.“
Als sie die Diagnose mit Anfang 20 erhielt und damit ihre gesamte weitere Lebensplanung in Frage gestellt wurde, haben ihre Ärzt*innen auf die Heilung der erkrankten Organe geachtet, aus der emotionalen Krise, hat es Franziska alleine rausschaffen müssen – was nicht jedem Patienten/jeder Patientin möglich sei.
Franziska wünscht sich eine neue Organspendekultur in Deutschland – hierzu zähle unter anderem die Widerspruchslösung sowie eine Kultur des Dankes für die Spender*innen und ihre Familien. Diskussionen rund zum Thema Organspende müssen selbstverständlicher werden, und es müsse deutlich gemacht werden, dass jeder und jede betroffen sein kann. „Es geht um eure Eltern, Geschwister, Freund*innen, Nachbar*innen. Wer das verstanden hat, versteht auch die Wichtigkeit einer Entscheidung.“
Referenzen:
Bildquelle: gettyimages.de/ Lucas Uebel