Keiner der zugelassenen RSV-Impfstoffe hat derzeit eine offizielle STIKO-Empfehlung. Fachgesellschaften empfehlen die Impfungen aber für bestimmte Patienten. Das sorgt für Chaos in deutschen Arztpraxen.
Das respiratorische Synzytial-Virus befällt hauptsächlich Säuglinge und Kleinkinder, doch eine RSV-Infektion kann auch für ältere und Patienten mit pulmonalen oder kardiovaskulären Vorerkrankungen gefährlich werden. In schweren Fällen sind tödliche Verläufe, vor allem bei Säuglingen, möglich. Bisher sind zwei RSV-Impfstoffe für Personen ≥ 60 Jahren (Arexvy®) bzw. Schwangere (zum Schutz des Säuglings ab Geburt bis zum Alter von 6 Monaten) und Personen ≥ 60 Jahren (Abrysvo®) zugelassen. Darüber hinaus sind zwei monoklonale Antikörper zugelassen, die bei Kindern zur passiven Immunisierung eingesetzt werden können (Palivizumab und Nirsevimab).
Impfstoffe und Mittel zur Prophylaxe – alles geklärt, oder? Nicht ganz, denn die STIKO zögert noch mit der Aufnahme in die Schutzimpfungsrichtlinien, eine Empfehlung liegt ebenfalls noch nicht vor. Wann damit zu rechnen ist, bleibt unklar. Auf Anfrage von DocCheck teilte das RKI mit: „Ein genauer Zeitpunkt für eine Empfehlung ist derzeit noch nicht absehbar.“ Die STIKO berate sich zum Thema und dafür „werden aktuell mehrere Arbeiten durchgeführt, wie eine Transmissionsmodellierung und eine Zusammenstellung aller verfügbaren Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von RSV-Impfstoffen, um die für Deutschland am besten geeignete Präventionsstrategie zu identifizieren“.
Prof. Klaus Überla, Sprecher der STIKO-AG Respiratorische Synzytialviren, äußerte sich auf Anfrage von DocCheck nahezu wortgleich, gab aber ein etwas konkreteres Zeitfenster an: „Die STIKO führt aktuell eine Transmissionsmodellierung und systematische Reviews zur Wirksamkeit und Sicherheit der verschiedenen RSV-Präventionsansätze durch, um die für Deutschland am besten geeignete Präventionsstrategie zu identifizieren. Mit einer Empfehlung ist im ersten Halbjahr 2024 zu rechnen. Bis dahin ist auch mit Ergebnissen zur Dauer der Wirksamkeit der RSV-Schutzimpfung über eine Wintersaison hinaus zu rechnen.“
Deutlich entschlossener zeigen sich dagegen Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in einem aktuellen Positionspapier, unter Mitwirkung weiterer Experten wie der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie und dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung. Darin werden die Impfungen für Personen ≥ 60 Jahren ausdrücklich empfohlen. Auch bei Erwachsenen anderer Altersgruppen mit schweren pulmonalen oder kardiovaskulären Vorerkrankungen oder einer deutlichen Einschränkung der Immunabwehr sei eine Impfung sinnvoll.
Bisher übernimmt nur die Techniker Krankenkasse eines der Mittel zur passiven Immunisierung, nämlich Nirsevimab (Beyfortus®). Für anderweitig Versicherte kann das teuer werden: Bei Nichterstattung sind gut 1.350 Euro als Privatleistung fällig. Alles andere sorgt in deutschen Praxen momentan bloß für zusätzliche Arbeit. So berichtet eine Hausärztin aus NRW gegenüber DocCheck, dass sie bei einem Patienten mit Lungenfibrose, dem sie Abrysvo® verabreichen wollte, einen Antrag an die AOK stellen musste. Die Empfehlung für die Impfung sei von der Uniklinik, an der der Patient betreut wurde, gekommen – allerdings ohne zugehörigen Antrag für die Kasse. Von der AOK selbst kamen dann ein Formular für Off-Label-Use und die Frage nach Zulassungsstatus zurück. Nebenbei kostet der Impfstoff etwa 214 Euro; bei Nichterstattung also auch eine recht hohe Privatleistung für Patienten.
Aktuell sieht es also so aus, dass Versicherte selbst zahlen und bei ihren Kassen anfragen müssen, ob eine der Impfungen oder andere Prophylaxen übernommen werden. Die Impfstoffe können nicht über den Sprechstundenbedarf bezogen werden und die Verordnung muss über ein Privatrezept erfolgen. Zur Frage, wie Ärzte sich im Praxisalltag verhalten sollten, wenn die Impfungen doch von Fachgesellschaften empfohlen sind, mangels offizieller STIKO-Empfehlung aber nicht ohne Weiteres abgerechnet werden können, meint Überla: „Gefährdete Patienten können den Empfehlungen der Fachgesellschaften nach geimpft werden. Für die Abrechnung ist gegenwärtig ein individueller Antrag auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse erforderlich.“
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