Kinderwunschbehandlungen führen oft zum lang ersehnten Wunschkind. Wie sehr das Hoffen und Bangen Patientinnen und Beziehungen belastet, wird dabei immer noch unter den Teppich gekehrt.
Wurden nach aktuellen Statistiken im Jahr 1997 in Deutschland 6.500 Kinder nach einer erfolgreichen Kinderwunschbehandlung geboren, waren es in 2020 bereits über 22.200. Obgleich dieses frühere Tabuthema damit langsam aus der Schmuddelecke verschwindet, wird ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der modernen Reproduktionsmedizin immer noch unter den Teppich gekehrt: die psychische Belastung der behandelten Frauen bzw. Paare, sowie die Belastungsprobe für die Partnerschaft.
Denn obwohl die modernen Möglichkeiten der Medizin – von einer einfachen Hormontherapie bis hin zur intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) – in vielen Fällen zu einer gesunden Schwangerschaft und erfülltem Kinderwunsch führen, blicken viele frischgebackene Eltern auf eine lange Zeit zwischen Hoffen und Bangen zurück.
So erging es auch Tanja, die erst Anfang 30 ihren Traumpartner kennenlernte und drei Jahre später zunächst jeden Monat verzweifelt auf den zweiten verheißungsvollen Strich auf dem Schwangerschaftstest wartete. Nach 16 erfolglosen Monaten mit Zyklus-Tracking und Sex nach Terminkalender folgte dann die erste Vorstellung in der Kinderwunschklinik.
Waren Tanja und ihr gleichaltriger Partner zunächst noch hoch motiviert und voller Hoffnung, bekam die ansonsten gesunde Frau immer mehr Probleme mit den Nebenwirkungen von Hormonpräparaten und konnte nach zwei erfolglosen Versuchen, die in einer Fehlgeburt endeten, die psychischen Rückschläge kaum noch ertragen. Erst nach einer mehrwöchigen Pause und in Betreuung einer speziell ausgebildeten Psychologin entstand beim inzwischen fünften Versuch die ersehnte stabile Schwangerschaft, die das psychisch mittlerweile total zermürbte und belastete Paar endlich mit dem kleinen Tobias beglückte.
Dass die Geschichte von Tanja und ihrem Partner kein Einzelfall ist, zeigen immer mehr Berichte und Fernsehdokumentationen über die Schattenseiten einer Kinderwunschbehandlung. So nennt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) in einem entsprechenden Artikel nicht nur die häufigen und teils schwerwiegenden Nebenwirkungen durch die hormonelle Therapie – darunter Gefahr der Überstimulation und Risiken durch operative Eingriffe zur Eizellgewinnung und Implantation – sondern erwähnt ebenfalls die psychischen Nebenwirkungen als Achterbahn der Gefühle. Schließlich verweisen die Autoren auf die notwendige Geduld zwischen Entnahme der Eizellen, Embryotransfer bei In-vitro-Fertilisation und Schwangerschaftstest und warnen vor der Enttäuschung und Niedergeschlagenheit nach erfolglosen Befruchtungsversuchen, die mit der Monatsblutung enden.
Sucht man zu diesem Thema in wissenschaftlichen Datenbanken nach passenden Studien, fällt die Ausbeute dagegen ernüchternd aus. So gibt es zwar einige Studien über die Auswirkungen von Stress und Angst auf den Erfolg einer Kinderwunschbehandlung. Die Ergebnisse sind allerdings, in Anlehnung an eine Übersichtsarbeit von Lamprou und Kollegen aus dem Jahre 2021, sehr heterogen und fassen die vielen Ängste und Sorgen doch recht simpel als psychischen Zustand zusammen. Allenfalls ein Teilergebnis dieser systematischen Literaturanalyse deutet in die richtige Richtung. Demnach hätten Paare mit einem guten „psychischen Zustand“ oder mit psychologischer Unterstützung einen besseren Behandlungsverlauf mit einem besseren Behandlungsergebnis.
Glücklicherweise finden die psychischen Aspekte einer Kinderwunschbehandlung in vielen Kliniken auch auf Seiten des Fachpersonals immer mehr Beachtung und resultieren im Optimalfall in der Einstellung von Psychologen zur professionellen Betreuung der Frauen und Paare. Klickt man sich auf der Seite des Deutschen IVF-Registers beispielsweise durch die Internetpräsenzen verschiedener Kinderwunschkliniken, findet man immer öfter entsprechende Hinweise über die angebotene psychologische Unterstützung.
Obgleich lange noch nicht alle Kliniken und Praxen über entsprechende Angebote verfügen, können Gespräche mit Psychologen – insbesondere bei Rückschlägen – die psychische Belastung reduzieren und Ängste abfedern. Und auch Tanja aus unserem Fallbeispiel hätte es wohl nicht mehr durchgehalten, ohne die heilsamen Gespräche mit ihrer Psychologin. Bleibt also zu hoffen, dass sich etwaige Betreuungsangebote flächendeckend ausbreiten und Frauen und Paare mit sehnlichem Kinderwunsch nicht nur körperliche, sondern auch begleitende seelische Unterstützung erhalten.
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