Der Klimawandel ist kein Zukunftsproblem und unsere Kinder leiden schon jetzt darunter – auch ich merke das in meiner Praxis. Was sich ändern muss und wie ihr euch vorbereiten solltet, lest ihr hier.
Der Klimawandel betrifft jeden, jetzt. Wer das noch verleugnet, verschläft die Zukunft. Die Zeit der Sorgen war schon vor Jahren da, nur jetzt ist sie medial präsenter. Viele Menschen auf der Welt leiden, Mediziner definieren besonders vulnerable Gruppen, die mehr noch als andere von den körperlichen Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein werden. Dazu zählen alte Menschen, Menschen mit Behinderungen, Menschen, die im Freien arbeiten, Menschen, die von Armut und Wohnungslosigkeit betroffen sind. Und dazu zählen vor allem auch Kinder, insbesondere Kinder aus armen Verhältnissen.
Camilla Kingdon, die Präsidentin des Royal College of Pediatrics and Children’s Health, veröffentlichte Ende Oktober im Guardian einen flammenden Appell an die Politiker, sich mehr mit der Kindergesundheit und ihre Bedrohung durch den Klimawandel auseinanderzusetzen.
Kinder leiden körperlich und mental. Sie haben aufgrund ihrer geringeren Lungenkapazität eine höhere Aufnahme von Toxinen im Verhältnis zum Körpergewicht als die Erwachsenen. Die Risiken für asthmatische Erkrankungen, Bluthochdruck und ein verringertes Wachstum der Lungen steigen bereits bei Feten und neugeborenen Säuglingen, dies lässt sich in Studien ablesen. Aber auch die psychische Gesundheit und die Veränderung der kognitiven Fähigkeiten sorgen Kingdon: Die Ängste vor dem Klimawandel führen zu Depression, Angstzuständen, Phobien, Schlaf- und Bindungsstörungen – und das nicht erst bei Jugendlichen, sondern bereits im frühen Kindesalter. Das Lern- und Sozialverhalten ändert sich und damit auch die „academic performance“, wie das Kingdom nennt.
Besonders bedroht sind Kinder in Armut. Sie leben in kälteren und feuchteren Wohnumgebungen. Steigende Energiekosten bedeuten weniger gesundhaltende Wärme, Extremwetterlagen treffen weltweit stets besonders arme Bevölkerungsschichten, damit auch die Kinder.
Die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) veröffentlichte unlängst eine Stellungnahme zum aktuellen Entwurf des Klimaanpassungsgesetz der Bundesregierung, in der auch die obigen Themen aufgegriffen werden. Zitat aus der Stellungnahme: „Vulnerabilitäten werden durch verschiedene soziale Ungleichheitsfaktoren wie Armut beeinflusst und verstärken sich gegenseitig, was in dem Begriff der Intersektionalität zusammengefasst wird […]. Besonders schutzbedürftig sind dabei vulnerable Personengruppen wie Frauen, Kinder, ältere und erkrankte Menschen, Menschen mit Behinderungen, Menschen, die im Freien arbeiten, sowie von Armut oder Wohnungslosigkeit betroffene Menschen, die besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Dabei wird die Vulnerabilität vor allem durch intersektionale soziale Ungleichheiten verstärkt und ist in die Analyse und Beachtung der Risikogruppen zu integrieren.“ Momentan arbeitet die Arbeitsgruppe für Pädiatrie der KLUG an einem Statement mit Forderungen an die Bundesregierung zum besonderen Schutz von Kindern und Jugendlichen, das im Laufe des Novembers veröffentlicht wird.
Die UNICEF nennt in ihrem Klima-Risiko-Index eine Milliarde Kinder weltweit, die „extrem gefährdet“ durch den Klimawandel sind. Hierbei zählen als besondere Bedrohungen Überschwemmungen, Wirbelstürme, Zunahme an Erkrankungen wie Malaria durch die Erderwärmung, Wasserknappheit und extrem hohe Luftverschmutzung. Dazu berichtet die UNICEF eine extreme Ungleichheit und Ungerechtigkeit, „[…] ein Missverhältnis zwischen den Ländern, in denen Treibhausgas-Emissionen erzeugt werden, und solchen, in denen Kinder unter den stärksten klimabedingten Auswirkungen leiden. Die 33 „extrem risikoreichen“ Länder emittieren zusammen nur 9 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Umgekehrt verursachen die zehn Länder mit den höchsten Emissionen zusammen fast 70 Prozent der weltweiten Emissionen […].“
Zu den Hauptemittenten von Treibhausgasen zählt auch Deutschland, welches sich auf dem Risiko-Index der UNICEF nur auf Platz 142 der 163 untersuchten Ländern befindet.
Als unmittelbare Konsequenz der Corona-Zeit sehen wir Kinder- und Jugendärzte eine Zunahme an psychischen Auffälligkeiten, die uns Sorge bereiten: Jugendliche vor allem sind in ihrem Grundvertrauen in die Zukunft erschüttert. Folgen sind Depression, Schulabsentismus und Essstörungen. Die Angst vor einer sich immer stärker verändernden Welt durch nahende Kriege (regional näher, hier natürlich der Ukraine-Krieg wie auch medial sichtbar) und dem Klimawandel äußern sich in körperlichen Veränderungen – psychosomatische Erkrankungen nehmen zu.
Bei kleineren Kindern beobachten die Kinder- und Jugendärzte eine Zunahme von Atemwegserkrankungen und Allergien, vor allem gegen nicht heimische Pflanzen und Tiere, wie einige Stechmückenarten. Mediziner auch hierzulande sollten sich weiter fortbilden zum Klimawandel und den Auswirkungen auf die Gesundheit aller Menschen, die Kinder sind wie alte Menschen am meisten gefährdet.
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