Insulin zu spritzen, ist nie angenehm – besonders, wenn man in der Schwangerschaft das erste Mal damit konfrontiert wird. Könnte Metformin eine spritzenlose Alternative bei Gestationsdiabetes sein?
Metformin – welche Potenziale stecken noch in diesem Klassiker? Das orale Antidiabetikum ist das am längsten und auch am häufigsten verordnete Arzneimittel zur Therapie des nicht-insulinpflichtigen Typ-2-Diabetes. Es wäre als „Therapie ohne Nadel“ auch erstrebenswert zur Behandlung der Gestationsdiabetes. Daran erkranken in Deutschland und weltweit werdende Mütter immer häufiger.
Metformin hätte etliche Vorteile. Der Arzneistoff ist günstiger als Insulin, der bisherige Goldstandard zur Behandlung des Gestationsdiabetes. Auch die einfache Einnahme oral statt einer Insulin-Injektion spräche dafür. Auch ist Metformin in vielen Ländern jenseits Europas besser verfügbar als Insulin. Staaten mit niedrigem Einkommen weisen oft den stärksten Anstieg der Zahl an Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes auf.
Seit vielen Jahren diskutieren Ärzte und Forscher den Einsatz des Wirkstoffs bei Gestationsdiabetes, bislang mit widersprüchlichen Ergebnissen. Studien konnten einen signifikanten Nutzen nicht belegen – oder lieferten Hinweise auf unerwünschte Effekte.
In den S3-Leitlinien zur Behandlung der Gestationsdiabetes von 2018 sind zahlreiche Hinweise auf Metformin zu finden. Die Autoren schreiben, das Arzneimittel sei in Deutschland zu Behandlung der Schwangerschaftsdiabetes zwar nicht zugelassen. Es könne jedoch bei „strenger Indikationsstellung“ mit entsprechender Aufklärung der Schwangeren im Rahmen eines Heilversuchs verordnet werden.
Studien in der Vergangenheit hatten ergeben, dass die Metformin-Therapie der Standard-Insulin-Therapie nicht unterlegen ist. Die MiG-Studie (Metformin in Gestational Diabetes) schloss 751 Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes mellitus in der 20. bis 33. Schwangerschaftswoche ein. Sie erhielten nach dem Zufallsprinzip initial Metformin (bei Bedarf mit zusätzlichem Insulin) oder Insulin. Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus neonataler Hypoglykämie, Atemnot, Notwendigkeit einer Phototherapie, Geburtstrauma, 5-Minuten-Apgar-Score von weniger als 7 oder Frühgeburt.
Als Rate solcher Ereignisse nennen die Autoren 32,0 % in der Metformin-Gruppe versus 32,2 % in der Insulingruppe: kein signifikanter Unterscheid. In der Metformin-Gruppe gaben mehr Frauen als in der Insulin-Gruppe an, dass sie sich dafür entscheiden würden, ihre zugewiesene Behandlung erneut zu erhalten (76,6 % versus 27,2 %). Eine Metaanalyse bestätigt die Sicherheit der Therapie im Vergleich zu Insulin.
Aber Metformin entzieht sich weiterhin hartnäckig allen Versuchen, signifikante Aussagen zu seinem Nutzen machen zu können. Übersichten der Literatur liefern ein diffuses Bild. Was nun?
Neue Impulse liefert eine große randomisierte Studie von Prof. Fidelma Dunne von der Universität von Galway und Kollegen. Zentrale Ergebnisse hat Dunne kürzlich auf dem Kongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) vorgestellt. Anders als in vielen Studien bekamen Schwangere mit Gestationsdiabetes unmittelbar nach der Diagnose entweder Placebo oder Metformin (Höchstdosis 2.500 mg) verabreicht.
Als ersten Endpunkt ihrer doppelblind-randomisierten Studie mit 510 Teilnehmerinnen hatten die Forscher eine Kombination gewählt: aus dem Zeitpunkt des notwendigen Starts einer Insulin-Therapie und aus dem Erreichen eines Nüchternglukosespiegels von 5,1 mmol/L oder mehr in Schwangerschaftswoche 32 oder 38. Hier zeigte Metformin im Vergleich zum Placebo kein signifikantes Ergebnis.
Was die sekundären klinischen Ergebnisse anbelangt, war Dunne durchaus zufrieden. So konnte ihre Arbeitsgruppe zeigen, dass mit Metformin wesentlich weniger Frauen Insulin benötigten als ohne (38,4 % versus 51,1 %). Die bereits früher beobachtete geringere Gewichtszunahme der werdenden Mütter zeigte sich ebenso hier. Patientinnen profitierten auch von einer besseren Kontrolle des Blutzuckerspiegels. Sie waren mit der oralen Therapie nach eigenen Aussagen meist recht zufrieden.
Allerdings fanden die Wissenschaftler unter den Kindern der Metformin-Gruppe signifikant häufiger ein geringeres mittleres Geburtsgewicht und eine geringere Scheitel-Fersen-Länge. Signifikant weniger Kinder hatten ein Geburtsgewicht von mehr als 4,0 kg. Diesen Umstand müsse man weiter beobachten und vor allem in Langzeitstudien untersuchen, meinen die Autoren.
Insgesamt kommen sie zu dem Schluss, dass Metformin als Therapie für Gestationsdiabetes wohl zahlreiche klinisch relevante positive Ergebnisse zeige, aber auch noch ebenso viele Fragen offen seien.
Weitere – durchaus vielversprechende – Forschung zu dem Thema wird notwendig sein, bevor Metformin uneingeschränkt Einzug als Erstlinien-Therapie bei Gestationsdiabetes hält.
Bildquelle: danilo.alvesd, Unsplash