Alkohol steigert den Harndrang. Aber wieso ist das eigentlich so? Ein Refresher in Sachen Physiologie.
Beim Trinken des ein oder anderen Bierchens gibt es eine goldene Regel: Den ersten Harndrang ignorieren und erst dann auf Toilette gehen, wenn es unbedingt sein muss. Denn sobald man das erste Mal die Blase entleert, muss man ständig zur Toilette. Was ist dran?
Unter normalen Bedingungen beeinflusst das Antidiuretische Hormon (ADH, auch Vasopressin), die Häufigkeit des Toilettengangs. ADH sorgt nämlich für die Rückresorption von Wasser aus dem Primärharn. Ob ADH produziert wird und in welchen Mengen, ist abhängig von verschiedenen Reizen, wie etwa dem Blutdruck oder der Osmolalität des Plasmas. Dazu zählen ein niedriger Blutdruck und hypertones Blut, ausgelöst durch ein zu geringes Wasservolumen oder eine zu hohe Konzentration an gelösten Stoffen im Blut.
Ist etwa das Wasservolumen im Blut zu gering, wird das von Osmorezeptoren wahrgenommen, die dann die die Produktion von ADH anregen. Produziert wird ADH im Nucleus supraopticus, einem Teil des Hypothalamus. Über die Blutbahn gelangt es von dort zu den Sammelrohren der Niere, wo es an Rezeptoren in der Zellmembran der Hauptzellen bindet. Wenn dies geschieht, aktiviert der G-Protein gekoppelte Rezeptor die Adenylatzyklase, die aus Adenosintriphosphat (ATP) zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP) bildet.
Das cAMP wiederum aktiviert die Proteinkinase A, die die Transkription und Translation der Aquaporin-II-Gene steuert. Die synthetisierten Aquaporine II werden über Vesikel zur Zellmembran transportiert und eingebaut. Der Einbau passiert dabei auf der Sammelrohr zugewandten Seite der Hauptzellen – auf der Seite der Medulla sind immer Aquaporine (hier aber Aquaporin I) vorhanden. Aufgrund des osmotischen Drucks kann so das Wasser reabsorbiert werden, da die Konzentration von gelösten Stoffen in der Medulla höher ist als im Primärharn.
Schematische Übersicht der Wirkweise von ADH/Vasopressin.Credit: DocCheck, erstellt mit BioRender.com
Ist jedoch Alkohol im Spiel, finden diese Prozesse nicht statt: Ethanol hemmt die Produktion von ADH. Das aufgenommene Wasser wird also ohne Rückresorption wieder ausgeschieden – das Ergebnis: Dehydration. Auch wichtige Mineralstoffe und Elektrolyte werden dann aufgrund des vermehrten Wasserlassens ausgeschieden. Der Zeitpunkt, wann wir das erste Mal zur Toilette gehen ist dabei unbedeutend. Sobald die Wirkung vom Alkohol nachlässt, startet auch die Produktion von ADH wieder. Daher kommt es häufig zu vermehrtem Durst nach dem Genuss von Alkohol.
Doch nicht nur das Wasserlassen ist vom Alkoholgenuss beeinflusst. Ethanol ist ein Zellgift, der Körper versucht also, es so schnell wie möglich wieder los zu werden. Das Problem: Wird Ethanol in der Leber abgebaut, entsteht Acetaldehyd – ein noch potenteres Zellgift.
CH3CH2OH + NADH+ → CH3CHO + NADH + H+
Acetaldehyd wird dann weiter zu Acetat umgesetzt. Geschieht das jedoch nicht schnell genug – etwa, weil von oben weiter Bier nachgeschüttet wird – so reichert es sich in der Leber an. Gepaart mit dem hohen Flüssigkeitsverlust durch den Mangel an Vasopressin kann es zu typischen Katersymptomen, wie etwa Kopfschmerz und Übelkeit kommen. Auf lange Sicht sind regelmäßig hohe Acetaldehyd-Konzentrationen schädigend für die Leber – es kommt zu einer Leberzirrhose. Um dem vorzubeugen, ist nur die Reduktion von Alkohol wirklich nachhaltig.
Alkohol ist bereits in geringen Mengen schädlich für den Körper, daher sollte man auf den regel- und übermäßigen Alkoholkonsum verzichten. Wer dann doch mal zu tief ins Glas geschaut hat, sollte die entstandenen Defizite wieder ausgleichen, also viel Wasser trinken und dem Körper Elektrolyte zuführen. Zwar kann man den Kater so nicht vollständig vermeiden, er lässt sich aber möglicherweise etwas abschwächen. Die einzig zuverlässige Kater-Prävention ist und bleibt: Weniger trinken.
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