Die Fruchtbarkeit der deutschen Frau ist unantastbar – das musste ich als Patientin schmerzlich erfahren. Das Schlimme sind aber nicht die Krämpfe und das Erbrechen, sondern keine Hilfe zu bekommen. Was ich Ärzten vorwerfe.
Meine Geschichte beginnt wie die vieler anderer jungen Frauen. Ich bekam als Teenie meine erste Periode, wenig später die Pille. Vor 10–15 Jahren war das, zumindest bei uns auf dem Land, wohl gang und gäbe. Zumindest wurde nie hinterfragt, warum ich die Pille bekommen sollte. Weder von mir (denn meine Freundinnen nahmen sie ja auch!), noch von meinen Eltern oder der behandelnden Ärztin. Geschlechtsverkehr war damals noch kein Thema – trotzdem erst mal die Pille. Und die nahm ich dann brav, jahrelang. Regelschmerzen hatte ich zwar, aber sie waren aushaltbar. Zumindest meistens.
Als junge Erwachsene machte ich dann eine sehr schmerzhafte Erfahrung: eine extrem hartnäckige – weil viel zu spät diagnostizierte – tiefe Beinvenenthrombose. Beidseitig, damit’s mehr Spaß macht. Ihr könnt bestimmt schon ahnen, worauf die Geschichte hinausläuft: Eine Faktor-V-Leiden-Mutation wurde festgestellt, die Pille infolgedessen abgesetzt. Und dann begann der richtige Schmerz.
Die ersten Perioden nach dem Absetzen waren meist aushaltbar. Ich hatte Schmerzen, aber ich nahm auch noch Schmerzmittel wegen der Thrombose ein. Ich erinnerte mich, dass ich damals als Teenie auch Schmerzen hatte, also dachte ich mir nichts dabei – denn auch damals wurde mir gesagt: „das ziept immer ein bisschen, das ist normal!“ Als dann aber die Schmerzmittel abgesetzt und die Regelblutungen wieder stärker wurden, konnte von „ein bisschen ziepen“ keine Rede mehr sein. Ich hatte wirklich alles: Unterleibskrämpfe bis hin zum Erbrechen, Verdauungsstörungen, Rückenschmerzen bis zu dem Punkt, an dem ich nicht mehr sitzen konnte. „Warten Sie noch ein paar Monate. Sie haben so lange verhütet, das muss sich erst mal wieder einkriegen“, war der Rat meiner behandelnden Gynäkologin, die mich mit Paracetamol vertröstete. Also wartete ich. Und ich wartete vergebens auf Besserung.
Also wieder zum Arzt – und was für ein Arztbesuch das war. Ich war wirklich verzweifelt, ich hatte unfassbare Schmerzen, jeden Monat, eine Woche lang, ohne Aussicht auf Besserung. Ich schilderte meiner Gynäkologin die Lage, welche Symptome ich zu welchem Zeitpunkt meines Zyklus hatte. Bei der Untersuchung sprach sie mich sogar auf die Verbrennungen an meinem unteren Rücken an. Verbrennungen, die von Wärmflaschen stammten – weil die Hitze und die damit einhergehenden Verbrennungen eine Erleichterung für die Rückenschmerzen waren. Das Fazit: Ich solle mich zusammenreißen!
Schließlich hätten sehr viele Frauen „ein bisschen Regelschmerzen“ und „würden mit Paracetamol gut auskommen“. Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich mir wünschen würde, eine dieser Frauen zu sein. Nach diesem Arztbesuch bin ich verzweifelter als zuvor. Ist etwa das alles wirklich gar nicht so schlimm? Muss ich mich wirklich einfach nur zusammenreißen? Naja, wenn andere Frauen das auch schaffen, dann muss es wohl wirklich an mir liegen … und so vergehen Monate, in denen ich mich „einfach mal zusammenreiße“. Bis es nicht mehr zu ertragen war.
Ich nehme meinen Mut zusammen und suche auf gut Glück eine neue Gynäkologin auf, in der Hoffnung, eine bessere Beratung zu bekommen. Aber die Selbstzweifel bestätigen sich auch bei diesem Besuch. Das Gespräch verläuft ähnlich wie bei der Ärztin zuvor. Ich solle einfach Schmerzmittel nehmen und dann würde das schon gehen. Wieder denke ich mir: Na gut, dann muss es wohl so sein. Weitere Monate vergehen – bis dann irgendwann mein Partner mich davon überzeugen konnte, es doch noch einmal zu versuchen, nachdem er mir jeden Monat dabei zusah, wie ich krampfend, weinend und verzweifelt bei jeder Periode am Boden lag.
Ich war an dem Punkt angelangt, an dem ich einfach nur wollte, dass es aufhört – egal wie. Eine Diagnose bekam ich nie, untersucht wurde ich auch nie wirklich, obwohl ich immer wieder auf die starken Schmerzen hinwies. Ich dachte über Endometriumablation oder Hysterektomie nach. Und damit taten sich die nächsten Höllentore auf.
Was ich mit meiner verzweifelten Frage nach diesen Eingriffen erreichen wollte? Eine Beratung, Aufklärung, dass man mir endlich mal zuhört. Dass man nach dem Grund dafür fragt – und ich vielleicht endlich Antworten darauf bekommen würde, warum meine Periode so schmerzhaft war. Was ich stattdessen bekam, war aber etwas ganz anderes. Die behandelnde Gynäkologin fragte mich – todernst – ob ich denn einen Partner hätte und was der denn zu dieser Idee sagen würde. Bitte, was?
Die Schmerzen sollte ich einfach aushalten – aber wenn es um meine Fähigkeit, ein Kind zu gebären geht, wird alles daran getan, diese zu erhalten. Egal zu welchem Preis? Es gab keine Beratung, ich wurde nicht über die Verfahren aufgeklärt, warum diese eine oder keine gute Idee wären, oder was man denn stattdessen machen könnte. Hauptsache fruchtbar. Das war das, was ich aus diesem Termin mitgenommen habe. Ich ging nach Hause, hatte resigniert und mich damit abgefunden, dass ich wohl nichts an meiner Situation ändern kann.
Ein paar Jahre später, wir sind im Jetzt angekommen. Mit vielen Schmerzmitteln, einem sehr unterstützenden Partner, einem sehr kulanten Arbeitgeber samt verständnisvollen Kollegen und sehr tollen Freunden, habe ich mich die letzten Jahre über Wasser gehalten – und ich weiß, dass ich sehr viel Glück damit habe. Diese ganze Unterstützung ist (leider) nicht selbstverständlich. Und jetzt habe ich endlich wieder den Mut gefasst, diese ganze Odyssee nochmal anzugehen. Mit einer neuen Gynäkologin und dem Vorhaben, mich diesmal nicht abwimmeln zu lassen. Mit der Gewissheit, dass meine Schmerzen wirklich da sind und dass ich mich eben nicht „einfach mal zusammenreißen“ muss.
Die neue Gynäkologin zeigt Verständnis, hört mir zu und versucht, mit mir gemeinsam herauszufinden, woher die Schmerzen kommen und was wir dagegen tun können. Für die erste Zeit gibt es jetzt mal eine Gestagen-Pille mit der Hoffnung, dass sie die Schmerzen zumindest ein bisschen lindert. Es wird – wie meine neue Gynäkologin sagte – wahrscheinlich alles noch eine Weile dauern. Aber was ist schon eine Weile, wenn einen endlich jemand ernst nimmt.
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