KI-KLARTEXT: Schafft der Einsatz von Künstlicher Intelligenz mehr Vertrauen zwischen Arzt und Patient? Und wie sieht die Arbeit eines Radiologen in 20 Jahren aus? Ihr habt gefragt, unser Experte hat geantwortet.
In der aktuellen DocCheck CME-Veranstaltung drehte sich alles um das Thema „KI in der Radiologie“. Im Live-Stream beantwortete unser Experte Prof. Nils Große Hokamp eure Fragen zum Thema Künstliche Intelligenz. Was unser Experte dazu zu sagen hatte, lest ihr hier.
Als IGeL gibt’s einzelne Geschäftsmodelle, bei denen sich Patienten dafür entscheiden können, dass sie zusätzlich die KI-Befundung kriegen, das müssen sie dann selber zahlen. Es gibt gute Anwendungen und gute Algorithmen, die uns helfen, einen besseren Befund zu erstellen.
Wir haben bei uns schon ein paar assistierte Reading-Ansätze, also ein paar Hilfsmittel, die uns im Alltag das Leben ein bisschen einfacher machen. Aber wir haben bislang keinen vollautomatisierten Ansatz. Zum Thema, warum es billiger sein könnte, eine KI zu verwenden, nenne ich ein eindrückliches Beispiel: Das Vier-Augen-Prinzip. Das haben wir in Deutschland zum Beispiel beim Mammographie-Screening. Da ist aktuell der Ansatz: Das Bild wird gemacht und zwei Radiologen befunden. Die müssen zum gleichen Schluss kommen und wenn das nicht so ist, wird das Bild nochmal ausführlicher angeguckt und repetiert. In Großbritannien gibt es ein Modell, bei dem der zweite Reader eine KI ist – das ist ein sehr sinnvoller Gedanke. Ich glaube, das ist ein Szenario, wo wir auch in Deutschland hinkommen. Aber wir kämpfen auch mit Regularien und Datenschutzauflagen.
Es wird die Radiologie noch länger geben. Hier zitiere ich gerne Curtis Langlotz, einer der Urväter der radiologischen KI. Der sagt ganz klar: Künstliche Intelligenz wird nicht den Radiologen ersetzen, aber Radiologen, die KI nutzen, werden die ersetzen, die darauf verzichten. Ich glaube, das ist genau die positive Grundeinstellung, die man dabeihaben muss.
Der Arzt entscheidet natürlich. Das muss allein aus Haftungsgründen schon so sein.
Das ist eine total schwierige Frage. Ich glaube, man muss offen darüber diskutieren, und man muss auch ganz klar sagen, dass es eben als Sicherheitsnetz eine sehr sinnvolle Lösung sein kann. Aber ich bin mir auch sehr sicher, dass viele Patienten Probleme damit haben in ihrem Arzt-Verständnis. Ich glaube aber auch, dass viele Ärzte in ihrem eigenen Selbstbild damit eine gewisse Schwierigkeit haben, dass sie sich von so einer neumodischen Technologie auf die Finger schauen lassen.
Ich glaube, dass die KI ganz viele Schritte des radiologischen Workflows abnehmen und vereinfachen wird. Das wird auf jeden Fall dazu führen, dass wir weniger Personal brauchen, das wir aktuell ohnehin nicht haben, z. B. MFAs. Dass der eine Radiologe am Ende eine komplette Praxis betreibt, halte ich für unwahrscheinlich. Ich glaube auch, dass wir auch in zehn oder 15 Jahren noch nicht da angekommen sind, dass wir z. B. die Schnittbildgebung komplett in die Hand der KI geben und am Ende des Tages – ähnlich wie in der Labormedizin – nur den Stempel drunter setzen.
Was wir häufiger sehen, ist, dass uns die zweite oder dritte Meinung vorgelegt wird und die Patienten fragen: Was stimmt denn jetzt? Das sehen wir häufig als Universitätsradiologie und muss ja auch unser Anspruch sein, dass wir solchen Fällen gerecht werden können. Mit KI habe ich das noch nicht erlebt.
Ich glaube, sehr ähnlich wie heute. Wir werden KI-unterstützte Systeme nutzen und uns auch zum gewissen Umfang darauf verlassen. Ich glaube aber trotzdem, dass wir auch in 20 Jahren noch bei der Schnittbildgebung – weil sie so komplex ist – alle Bilder einzeln durchschauen werden. Diesen Work-Overload, den wir aktuell sehen, den werden wir mit KI-Systemen sehr gut lösen können. Ich hoffe, dass die Radiologen offenbleiben und offen sein werden für solche Innovativen Verfahren.
Aktuell sind wir in einem sehr niedrigen, vielleicht einstelligen Prozentbereich. In zehn Jahren, über alle Fachbereiche hinweg, werden wir uns vielleicht den 20 Prozent angenähert haben.
Bildquelle: Tom Parkes, Unsplash