Mit RSV ist nicht zu spaßen: Bei Älteren kann die Infektion lebensbedrohlich verlaufen. Unterschätzen wir das Virus angesichts drohender Corona- und Influenza-Wellen?
Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytialvirus (RSV) lösen nicht nur bei Kleinkindern häufig schwerwiegende Infektionen aus. Auch ältere Menschen haben ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf. In zwei Berichten des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) verweisen Forscher jetzt darauf, dass RSV-Infektionen bei Senioren zwar seltener vorkommen, aber mit einem schwereren Krankheitsverlauf einhergehen als Infektionen mit SARS-CoV-2 oder Influenzaviren.
Dr. Fiona P. Havers vom CDC in Atlanta und Kollegen charakterisierten dazu 3.218 Erwachsene im Alter von über 60 Jahren, die mit einer im Labor bestätigten RSV-Infektion hospitalisiert wurden. Von einer Zufallsstichprobe von 1.634 Patienten waren über die Hälfte (54,1 %) über 75 Jahre alt. Zu den häufigsten medizinischen Grunderkrankungen gehörten Adipositas, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Herzinsuffizienz und Diabetes. Insgesamt hatten 18,5 % der über 60-jährigen Patienten schwere Folgen der Infektion: 17,0 % wurden auf die Intensivstation verlegt, 4,8 % mussten mechanisch beatmet werden und 4,7 % starben.
In einer zweiten Kohorte charakterisierten Diya Surie, ebenfalls vom CDC, und Kollegen den Schweregrad einer Atemwegsinfektion von 5.784 Erwachsenen im Alter von über 60 Jahren. Die Patienten hatten entweder eine im Labor bestätigte RSV-, SARS-CoV-2- oder Influenza-Infektion. Zwar mussten deutlich mehr Patienten wegen COVID-19 hospitalisiert werden (81,8 %) im Vergleich zu RSV (5,3 %) und Influenza (12,9 %). doch die RSV-Patienten erhielten im Vergleich häufiger zusätzlichen Sauerstoff (adjusted odds ratio [aOR] = 2,97 [RSV vs. COVID-19; KI 95 % = 2,07–4,27] und 2,07 [RSV vs. Influenza; KI 95 % = 1,37–3,11]). Außerdem war das Risiko bei RSV-Patienten höher, auf die Intensivstation verlegt zu werden (aOR = 1,49 [RSV vs. COVID-19; KI 95 % = 1,13–1,97] und 1,55 [RSV vs. Influenza; KI 95 % = 1,11–2,19]).
Die Wahrscheinlichkeit für das zusammengesetzte Ergebnis von mechanischer Beatmung oder Tod war bei Patienten, die mit RSV hospitalisiert wurden und Patienten, die mit COVID-19 hospitalisiert wurden, ähnlich (aOR 1,39; KI 95 % = 0,98–1,96). Bei hospitalisierten über 60-Jährigen mit RSV war die Wahrscheinlichkeit für mechanische Beatmung oder Tod jedoch deutlich höher als bei hospitalisierten Influenza-Patienten (aOR 2,08; KI 95 % = 1,33–3,26). „Gesundheitsdienstleister und ältere Erwachsene sollten den Schweregrad der RSV-Erkrankung berücksichtigen, wenn sie eine gemeinsame klinische Entscheidung über die RSV-Impfung treffen“, heißt es in dem Bericht.
Zum Schutz vor schweren Verläufen einer Atemwegserkrankung standen älteren Menschen in Deutschland bislang die Impfungen gegen Influenza, COVID-19 und Pneumokokken zur Verfügung – gegen RSV allerdings nicht. Mit Arexvy® gibt es in diesem Herbst nun jedoch auch eine Schutzimpfung gegen RSV für Ältere. Die STIKO hält sich bislang allerdings mit einer Impfempfehlung für über 60-Jährige zurück.
Auch für einen zweiten RSV-Impfstoff für Erwachsene fehlt bislang die Empfehlung. Die Zulassung für Abrysvo® gilt einerseits für über 60-Jährige, andererseits für Schwangere zur passiven Immunisierung von Säuglingen. Die Schwangeren werden damit geimpft, sodass schützende Antikörper über die Plazenta auf den Säugling übertragen werden.
Quellen:
Havers et al.: Characteristics and Outcomes Among Adults Aged ≥60 Years Hospitalized with Laboratory-Confirmed Respiratory Syncytial Virus — RSV-NET, 12 States, July 2022–June 2023. MMWR Morb Mortal Wkly Rep, 2023. DOI: http://dx.doi.org/10.15585/mmwr.mm7240a1.
Surie et al. Disease Severity of Respiratory Syncytial Virus Compared with COVID-19 and Influenza Among Hospitalized Adults Aged ≥60 Years — IVY Network, 20 U.S. States, February 2022–May 2023. MMWR Morb Mortal Wkly Rep, 2023. DOI: http://dx.doi.org/10.15585/mmwr.mm7240a2.
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