Bei der Prävention von Kindesmissbrauch stehen meist die Opfer im Fokus. Ein Projekt der Charité möchte aber bei potenziellen Tätern ansetzen. Wie dieser Ansatz sexuellem Missbrauch vorbeugen könnte, lest ihr hier.
Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch konzentriert sich oft auf Kinder, Familien, Fachkräfte oder andere Menschen, die helfen können. Der Fokus liegt dabei auf den potenziellen Opfern. Prävention kann aber auch bei Personen ansetzen, die ein erhöhtes Risiko haben, sexuell übergriffig zu werden. Genau das will ein an der Berliner Charité geleitetes Projekt: STOP-CSAM. Es handelt sich dabei um ein Online-Präventionsprogramm, das sich an Personen richtet, die sexuelles Interesse an Kindern haben und damit verantwortungsvoll umgehen möchten.
Die Verbreitung von Abbildungen sexuellen Kindesmissbrauchs, auch als CSAM – Child Sexual Abuse Material – oder Kinderpornografie bezeichnet, ist in den vergangenen Jahren vor allem im Internet enorm angestiegen. Allein für das vergangene Jahr verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) in Deutschland einen Anstieg um sieben Prozent auf 42.075 registrierte Fälle von Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Netz. Die zuständigen Behörden verfügen nur über begrenzte Möglichkeiten, Verdächtige aufzuspüren, ausreichende Beweise für kriminelle Aktivitäten zu sammeln und Verfahren einzuleiten. Viele dieser Straftaten bleiben unentdeckt.
„Es ist dringend notwendig, die verursacherbezogene Prävention zu verbessern und auszuweiten, um eine Verbreitung und Nutzung von Abbildungen sexuellen Kindesmissbrauchs zu verringern“, erklärt Prof. Klaus Beier, der das Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité wie auch das neue Projekt STOP-CSAM leitet. Für vorangegangene Initiativen zur Missbrauchsprävention, insbesondere die Initiative „Kein Täter werden“, erhielt er 2017 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.
Wer sich sexuell von Kindern angezogen fühlt, hat ein höheres Risiko, Übergriffe zu begehen. Eine Möglichkeit, Kindesmissbrauch vorzubeugen, besteht darin, Menschen mit dieser Neigung gezielte Hilfe anzubieten. Sie sollen in die Lage versetzt werden, sexuelle Impulse verantwortungsvoll zu kontrollieren und davon abgehalten werden, Missbrauchsabbildungen anzusehen. Das Projekt, an dem neben der Charité spezialisierte Einrichtungen in Tschechien, Spanien, Portugal und Deutschland beteiligt sind, trägt mit seinem individualisierten Angebot europaweit zur Prävention bei. „Neu an unserem Vorgehen ist, dass die Wirksamkeit des therapeutischen Chats mit den Teilnehmenden über ein randomisiert-kontrolliertes Studiendesign erforscht und darüber hinaus die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz zur Unterstützung der Therapeutinnen und Therapeuten untersucht werden“, sagt Beier.
Menschen mit einem erhöhten Risiko können vorbeugend einen terminbasierten interaktiven Therapeuten-Chat-Service in Anspruch nehmen. Dieses anonyme, kostenlose und vertrauliche Angebot wird von qualifizierten Therapeuten betreut und wird in den Sprachen Englisch, Deutsch, Tschechisch, Portugiesisch und Spanisch verfügbar sein.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Weitere Informationen zu dem Projekt findet ihr hier.
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