Die Symptome von Vorhofflimmern werden häufig nicht als solche wahrgenommen. Oft wird es daher per Zufall diagnostiziert. Welche Auswirkungen das auf den Behandlungserfolgt hat, lest ihr hier.
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung weltweit. Wie Vorhofflimmern empfunden wird, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Manche Patienten bemerken Palpitationen und unregelmäßige Herzschläge und sind sich sofort bewusst, wenn Vorhofflimmern einsetzt. Andere empfinden Brustbeschwerden, Atemnot, Benommenheit, Schwindelgefühl oder allgemeine Müdigkeit, ohne Palpitationen zu haben. Bei manchen Personen kann Vorhofflimmern auch völlig symptomfrei sein, was die Diagnose erschweren kann. Vorhofflimmern wird häufig erstmals eher zufällig bei Patienten festgestellt, die aus einem anderen Grund ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die langfristigen Risiken für ein Rezidiv von Vorhofflimmern bei diesen Patienten sind unklar. Vorhofflimmern ist ein bedeutender Risikofaktor für einen Schlaganfall.
William F. McIntyre (McMaster University/Population Health Research Institute, Hamilton, Canada) und sein Studienteam gehen in ihrer aktuellen Studie der Fragestellung nach, ob bei Patienten mit vorübergehendem neu aufgetretenem Vorhofflimmern, das zufällig während eines Krankenhausaufenthalts aufgrund einer nicht kardialen Ursache mit einem Rezidiv zu rechnen ist. In die Studie wurden Patienten eingeschlossen, die aufgrund einer nicht-kardialen Operation oder einer medizinischen Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert wurden und vorübergehendes neu aufgetretenes Vorhofflimmern zeigten. Für jeden Teilnehmer wurde ein alters- und geschlechtsgleicher Kontrollteilnehmer ohne Vorhofflimmern in der Anamnese aus derselben Krankenhausstation rekrutiert.
Alle Teilnehmer verließen das Krankenhaus im Sinusrhythmus. Es erfolgte eine 14-tägige elektrokardiographische (EKG) Überwachung nach 1 und 6 Monaten und eine telefonische Beurteilung nach 1, 6 und 12 Monaten. Der primäre Endpunkt war das Auftreten von mindestens 30 Sekunden Vorhofflimmern auf dem Monitor oder der Nachweis von Vorhofflimmern im Rahmen der Routineversorgung nach 12 Monaten mittels 12-Kanal-EKG. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Zeit von der Entlassung bis zum Rezidiv des Vorhofflimmerns, die Gesamtbelastung durch das Vorhofflimmern, die Gesamtdauer des Vorhofflimmerns, die längste Vorhofflimmerepisode, unerwünschte Ereignisse (Tod, Herzinsuffizienz, Schlaganfall, Blutung oder Krankenhausaufenthalt wegen Myokardinfarkt oder Herzinsuffizienz) und die Anwendung von oralen Antikoagulantien innerhalb von 12 Monaten nach dem Einschluss in die Studie.
Unter 139 Teilnehmern mit vorübergehendem neu aufgetretenem Vorhofflimmern (70 Patienten mit medizinischer Erkrankung und 69 chirurgische Patienten) und 139 entsprechenden Kontrollteilnehmern betrug das Durchschnittsalter 71 Jahre (SD: 10 Jahre), der mittlere CHA2DS2-VASc-Score betrug 3,0 (SD: 1,5) und 59 % waren männlich. Die mittlere Vorhofflimmerdauer während des Index-Krankenhausaufenthaltes betrug 15,8 Stunden (IQR: 6,4 bis 49,6 Stunden). Nach einem Jahr wurde bei 33,1 % (95 %-KI: 25,3 % bis 40,9 %) der Teilnehmer in der Gruppe mit vorübergehend neu aufgetretenem Vorhofflimmern und bei 5,0 % (KI: 1,4 % bis 8,7 %) der entsprechenden Kontrollteilnehmer wiederkehrendes Vorhofflimmern festgestellt. Nach Anpassung an die Anzahl der durchgeführten EKG-Kontrollen und an klinische Ausgangsunterschiede betrug das angepasste relative Risiko 6,6 (KI: 3,2 bis 13,7).
Nach Ausschluss der Teilnehmer, die während des Index-Krankenhausaufenthalts eine elektrische oder pharmakologische Kardioversion erhalten hatten (n = 40), und ihrer entsprechenden Kontrollteilnehmer sowie Beschränkung auf die Vorhofflimmerepisoden, die vom Patch-EKG-Monitor erkannt wurden, wurde bei den Teilnehmern mit vorübergehendem neu aufgetretenem Vorhofflimmern zu 32,3 % ein Rezidiv des Vorhofflimmerns festgestellt (KI: 23,1 % bis 41,5 %). In der Kontrollgruppe zeigten 3,0 % (KI: 0 % bis 6,4 %) ein wiederkehrendes Vorhofflimmern. Zusammenfassend kommen die Studienautoren zu dem Ergebnis, dass Patienten, bei denen während eines Krankenhausaufenthalts wegen einer nichtkardialen Operation oder einer medizinischen Erkrankung vorübergehend ein neu aufgetretenes Vorhofflimmern auftrat, etwa jeder Dritte innerhalb eines Jahres ein Rezidiv vom Vorhofflimmern hatte. Die längste einzelne Vorhofflimmer-Episode und die gesamte Vorhofflimmer-Dauer waren bei den Patienten mit zufällig neu detektiertem Vorhofflimmern im Vergleich zu den Kontrollpersonen ähnlich (Median 7,9 vs. 9,8 Stunden und 8,9 vs. 9,8 Stunden).
Eine Limitation der Studie ist die kleine Gruppenstärke, so dass die Generalisierbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt ist. Bedauerlicherweise geben die Studienautoren keine klare Handlungsempfehlung hinsichtlich des Beginns einer oralen Antikoagulation. „Ein Vorhofflimmer-Rezidivrisiko von 33,1 % nach einem Jahr ist weder niedrig genug, um den Schluss zu ziehen, dass vorübergehendes neu auftretendes Vorhofflimmern im Rahmen einer anderen Krankheit benigne ist, noch hoch genug, um davon auszugehen, dass es sich bei allen solchen vorübergehenden neu auftretenden Vorhofflimmern um ein paroxysmales Vorhofflimmern handelt. Stattdessen erfordern diese Ergebnisse eine Risikostratifizierung und Nachsorge bei diesen Patienten“, so die Studienautoren.
Sie weisen auch darauf hin, dass vorübergehendes, neu auftretendes Vorhofflimmern als Reaktion auf physiologischen Stress auftreten kann, beispielsweise bei einem Krankenhausaufenthalt wegen einer Krankheit oder einer Operation. Die Häufigkeit schwanke jedoch stark und hänge von der Patientenpopulation, dem Grund für den Krankenhausaufenthalt und davon ab, wie genau Ärzte danach suchen würden. „Wenn man an alles Mögliche im Krankenhaus denkt, von Infektionen wie einer Lungenentzündung auf einer allgemeinen Abteilung für Innere Medizin bis hin zu all den nächtlichen Operationen, spricht man natürlich von Millionen von Patienten auf der ganzen Welt“, sagte McIntyre. „Wir haben ein Problem, welches sehr häufig auftritt“, ergänzt er.
Die American Heart Association veröffentlichte Anfang des Jahres eine wissenschaftliche Stellungnahme, in der sie warnte, dass Vorhofflimmern, das während eines Krankenhausaufenthalts wegen einer anderen Erkrankung festgestellt wird, mit einer hohen Rezidivrate verbunden sein kann und eine angemessene klinische Behandlung erfordere.
Die Ergebnisse der Studie von William F. McIntyre und seinem Studienteam sind für unseren klinischen Alltag relevant, denn sie zeigt, dass Patienten, bei denen Vorhofflimmern per Zufall während eines nicht kardiologisch begründeten stationären Aufenthaltes detektiert wird, ein erhöhtes Risiko für ein Vorhofflimmer-Rezidiv haben. Ein zufällig detektiertes und nur vorübergehendes Vorhofflimmern, das während des Krankenhausaufenthalts beobachtet wird, sollte somit nicht verharmlost werden. Diese Patienten benötigen eine engmaschige kardiologische Kontrolle und eine leitliniengrechte Therapie.
Auch wenn in der Studie die Wirksamkeit der oralen Antikoagulation zur Schlaganfallprävention in dieser Population nicht bewertet wurde, wird die laufende ASPIRE-AF-Studie hoffentlich einige Antworten darauf liefern können. Die ASPIRE-AF-Studie untersucht Patienten mit nicht kardiochirurgischen Eingriffen und neu aufgetretenem postoperativem Vorhofflimmern. Es handelt sich um eine randomisierte kontrollierte Studie die die oralen Antikoagulantien ohne Vitamin K Antagonisten mit der üblichen Behandlung bei Patienten mit perioperativem Vorhofflimmern vergleicht.
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