Pathologische β-Amyloid-Proteine könnten durch eine Pilzinfektion des Gehirns entstehen. Ist Candida albicans also an der Entwicklung von Alzheimer beteiligt?
Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste Demenzform und betrifft allein in Deutschland über eine Million Menschen. Die Häufigkeit wird aufgrund des demographischen Wandels in den nächsten Dekaden noch weiter steigen. Auch wenn die Ursache der Alzheimer-Demenz noch nicht vollständig verstanden ist, hat die Amyloid-Hypothese durch die zwar begrenzte aber doch ohne Zweifel vorhandene Wirksamkeit der neuen Amyloid-Antikörper neuen Aufwind bekommen. Die Ablagerungen von fehlgefaltetem β-Amyloid sind nicht die alleinige Ursache der Alzheimer-Demenz, sie spielen aber eine zentrale Rolle in der Entstehung, indem sie in einer Kaskade andere Prozesse auslösen, die letztendlich zum Untergang von Nervenzellen führen und so die Demenz-Symptome verursachen.
Warum aber entstehen bei einem Menschen pathologische Amyloid-Proteine, welche wiederum zur Entwicklung einer Alzheimerdemenz führen können und beim anderen nicht? Genetische Faktoren spielen dabei eine Rolle. Der ApoE-ε4-Genotyp des für das Apolipoprotein E kodierenden Gens ist der wichtigste genetische Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz. Aber die Genetik erklärt nicht alles. Umweltfaktoren tragen ebenfalls zum Risiko für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz bei. Bekannte beeinflussbare Risikofaktoren sind alte Bekannte wie Rauchen, Übergewicht und Bluthochdruck, aber auch ein geringes Bildungsniveau und eine eingeschränkte Hörfähigkeit. Ein weiterer möglicher Risikofaktor, der nach neuesten Erkenntnissen direkt zur Bildung von Amyloid-Plaques beitragen kann, ist der Pilz Candida albicans.
Bereits im Jahr 2016 konnte nachgewiesen werden, dass sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten Proteinbestandteile von verschiedenen Pilz-Spezies (u. a. C. albicans) ablagern, während bei gesunden Kontrollen so gut wie keine Pilz-Proteine nachweisbar waren. Dies könnte darauf hindeuten, dass chronische oder rezidivierende Candida-Infektionen an der Entstehung einer Alzheimer-Demenz beteiligt sind. Unklar blieb, wie Candida die Entstehung einer Alzheimer-Demenz verursachen könnte. Eine Forschergruppe aus den USA hat jetzt einen Pathomechanismus entdeckt, der eine Candida-Infektion des Gehirns mit der Entstehung von Amyloid-Plaques verbindet.
Die Forscher haben herausgefunden, wie der Pilz in das Gehirn eindringt, dort dann verschiedene Immunmechanismen in den Gehirnzellen aktiviert und dabei β-Amyloid-ähnliche Peptide erzeugt. C. albicans nutzt dabei Enzyme, welche das Amyloid-Vorläuferprotein (Amyloid precursor protein, APP) spalten. Diese Enzyme heißen Saps (secreted aspartic proteinases). Saps führen zunächst dazu, dass C. albicans vom Blut in das Gehirn übertreten kann, indem Bestandteile der Blut-Hirn-Schranke zerstört werden und diese dadurch aufgelockert und durchlässiger wird. Ist C. albicans dann ins Gehirn gelangt, hört die Aktivität der Saps-Enzyme aber nicht auf. Dort wird durch Saps unter anderem APP zu β-Amyloid gespalten. Dieses wiederum aktiviert die Immunzellen des Gehirns, die Mikroglia, und aktiviert so die Immunantwort gegen die Pilz-Invasion. Die so entstandenen Amyloid-Proteine sind den körpereigenen β-Amyloid-Proteinen zum Verwechseln ähnlich. Ob sie genau identisch sind ist hingegen noch nicht sicher, vieles deutet aber darauf hin.
Die Saps-Proteinasen von C. albicans funktionieren ähnlich wie die körpereigenen Enzyme β-Sekretase und γ-Sekretase, die das APP spalten und Amyloid-Fragmente erzeugen, welche sich dann in Plaques ablagern und zu Alzheimer führen. Die körpereigenen Enzyme gelten schon länger als heißer Kandidat für eine medikamentöse Hemmung der Alzheimer-Entwicklung. Und so befinden sich verschiedene Inhibitoren der β-Sekretase in der Pipeline der großen Pharma-Hersteller. Die aktuellen Studienergebnisse bieten jetzt einen neuen Ansatzpunkt für mögliche zukünftige Therapien. Vielleicht reicht es nicht, die körpereigenen Sekretasen zu hemmen und es müssen zusätzlich die Candida-Enzyme angegangen werden.
Eine Limitation der Studie ist, dass die Ergebnisse auf Forschungen in Zellkultur und in Mäusen beruhen und deshalb die Übertragbarkeit auf den Menschen noch nicht sicher ist.
Die Autoren schlagen dennoch ein erweitertes Modell der Entstehung von β-Amyloid-Plaques als Arbeitshypothese für künftige Studien vor. Die bislang vorherrschende Meinung ist, dass diese Amyloid-Proteine ausschließlich endogen produziert werden, d. h. unsere hirneigenen Proteasen die Amyloid-Vorläuferproteine abbauen, wodurch die toxischen β-Amyloid-Proteine entstehen. Durch die neuen Forschungsergebnisse kann man hingegen vermuten, dass die β-Amyloid-Aggregate im Gehirn, die für neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit charakteristisch sind, sowohl vom Gehirn als auch von C. albicans gebildet werden.
Quellen:
Wu et al. Toll-like receptor 4 and CD11b expressed on microglia coordinate eradication of Candida albicans cerebral mycosis. Cell Reports, 2023. doi: https://doi.org/10.1016/j.celrep.2023.113240
Pisa et al. Corpora Amylacea of Brain Tissue from Neurodegenerative Diseases Are Stained with Specific Antifungal Antibodies. Front Neurosci, 2016. doi: 10.3389/fnins.2016.00086
Bildquelle: erstellt mit Midjourney