Die Pandemie machte die Medizinwelt digital – und damit auch die Psychotherapie. Wie gut fühlen sich Studenten auf digitale Therapieführung vorbereitet und was muss sich am Studium ändern?
Je positiver die persönliche Einstellung von Psychologiestudenten gegenüber videobasierter Psychotherapie ist und je größer positive Erwartungen und Erfahrungen sind, desto ausgeprägter ist die Absicht, diese auch in der eigenen therapeutischen Arbeit anbieten zu wollen. Dies fand ein Kölner Forschungsteam unter Leitung von Prof. Kai Kaspar vom psychologischen Department der Universität zu Köln heraus. Wissenschaftler der Kölner Sozial- und Medienpsychologie haben dazu eine Studie mit 255 Studenten der Psychologie, die zukünftig therapeutisch arbeiten wollen, durchgeführt. Die Arbeit wurde in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychology veröffentlicht.
Nicht zuletzt durch die COVID-19-Pandemie hat videobasierte Psychotherapie einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren. Ob diese Form der Therapie angeboten wird, ist letztlich von der individuellen therapeutischen Einstellung und Motivation abhängig. In der aktuellen Studie wurde untersucht, inwieweit die Absicht zur Durchführung videobasierter Psychotherapie mit personenbezogenen Merkmalen der zukünftigen Psychotherapeuten zusammenhängt.
„Wir fanden, dass die Absicht von Psychologiestudierenden, in der eigenen therapeutischen Arbeit videobasierte Therapie anbieten zu wollen, insbesondere mit vier Faktoren positiv zusammenhängt. Die persönliche Einstellung gegenüber videobasierter Psychotherapie war dabei der bedeutsamste Faktor. Hinzu kommen die erwartete Nützlichkeit dieser Therapiemethode, die eigene Zufriedenheit mit bisherigen Videokonferenzen und der wahrgenommene soziale Druck, videobasierte Psychotherapie anbieten zu müssen“, fasst Kaspar zusammen.
Zusätzlich wurden die Studienteilnehmer zu den von ihnen wahrgenommenen Vorteilen und Nachteilen von videobasierter Psychotherapie befragt. Auf Basis von über 1.700 Antworten wurden 17 Vorteile und 18 Nachteile identifiziert. „Dabei finden wir eine Tendenz, mehr Nachteile als Vorteile zu benennen, doch insgesamt zeichnen die Ergebnisse eine sehr differenzierte und ausgewogene Perspektive der Studierenden auf die videobasierte Psychotherapie“, erklärt Studien-Mitautorin Jennifer Meier.
Zu den am häufigsten genannten Vorteilen zählen ein niedrigschwelliges therapeutisches Angebot in vertrauter Umgebung, höhere Flexibilität, wegfallende An- und Abfahrten zum Therapieort und reduzierte mentale und physische Barrieren. Auch der Schutz vor Ansteckungskrankheiten wird häufig angeführt sowie eine grundsätzlich bessere Zugänglichkeit zum therapeutischen Angebot, beispielsweise in Form kürzerer Wartezeiten und einer besseren Versorgung der Patienten.
Zu den am häufigsten genannten Nachteilen zählen ein Verlust an Nähe zwischen Patienten und Therapeuten, reduzierte nonverbale Kommunikationsmöglichkeiten, technische Probleme und fehlende Schutzräume für die Patienten. Auch äußern die Studienteilnehmer die Sorge, dass videobasierte Psychotherapie bei bestimmten Störungsbildern und Behandlungsmethoden unangemessen ist und zu einer reduzierten Verbindlichkeit und Motivation der Patienten führen könnte.
Schließlich wurden die angehenden Psychotherapeuten gefragt, welche konkreten Inhalte sie sich in ihrem Studium wünschen, um sich auf die Durchführung von videobasierter Videopsychotherapie bestmöglich vorbereitet zu fühlen. Besonders begehrt sind demnach Trainings für technische Fähigkeiten, Rollenspiele zur praktischen Erprobung der Methode sowie ausführliche Informationen zur videobasierten Psychotherapie inklusive rechtlicher Aspekte. Auch Schulungen von Gesprächstechniken und zum Aufbau einer therapeutischen Beziehung über Videokonferenzen wurden genannt. Die Studenten wünschten sich des Weiteren vertiefte Einblicke in angemessene Methoden und Praxisbeispiele sowie Informationen darüber, wie mit schwierigen Situationen in der videobasierten Psychotherapie umgegangen werden kann.
„Auffällig ist, dass die Phase, in der sich die Studierenden im Studium befinden, keine große Auswirkung auf die gewünschten Ausbildungsinhalte hat. Zusätzlich schreiben die Studierenden all den von ihnen gewünschten Lerninhalten eine hohe bis sehr hohe Relevanz zu, um sich auf die Durchführung von videobasierter Psychotherapie gut vorbereitet zu fühlen“, so Studien-Mitautorin Josephine Noel.
„Die neue Generation von Psychotherapeut*innen wird eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie die Therapie in den kommenden Jahren gestaltet wird und ob sich videobasierte Formate dauerhaft und in der Breite etablieren“, so Kaspar. „Vor dem Hintergrund, dass sich die Ausbildung von Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen an deutschen Universitäten aktuell in einer grundlegenden Reform befindet, liefern unsere Ergebnisse eine gute Grundlage für die Ausgestaltung von entsprechenden Ausbildungsinhalten.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität zu Köln. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: linkedinsalesnavigator, unsplash